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Jan Büchel / Klaus-Heiner Röhl IW-Kurzbericht Nr. 15 2. März 2023 Aufbau Ost: Die Gigabit-Lücke

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft erfordert als Voraussetzung eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur. Im Mittelpunkt stehen dabei die Breitbandnetze. In diesem Schlüsselbereich hat der Osten Deutschlands immer noch Nachholbedarf, um die Ost-West-Lücke in der Datennutzung zu schließen.

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Die Gigabit-Lücke
Jan Büchel / Klaus-Heiner Röhl IW-Kurzbericht Nr. 15 2. März 2023

Aufbau Ost: Die Gigabit-Lücke

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft erfordert als Voraussetzung eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur. Im Mittelpunkt stehen dabei die Breitbandnetze. In diesem Schlüsselbereich hat der Osten Deutschlands immer noch Nachholbedarf, um die Ost-West-Lücke in der Datennutzung zu schließen.

Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen Zugang zum Internet erlangen und somit digitale Anwendungen nutzen können. Internet sollte daher in hoher Qualität an den jeweiligen Standorten der Unternehmen und Haushalte verfügbar sein und verzögerungsfreie Datenübertragungen in hohen Geschwindigkeiten ermöglichen. Nur dann kann das volle Potenzial der Digitalisierung insbesondere für Unternehmen gehoben werden. Unternehmen können Daten beispielweise dazu nutzen, um Geschäftsmodelle neu zu entwickeln oder bestehende zu erweitern sowie um ihre Produktivität zu steigern. Zudem sind viele zukunftsträchtige digitale Anwendungen, wie etwa Cloud-Dienstleistungen oder Internet of Things (IoT), besonders datenintensiv oder erfordern Datenübertragungen in Echtzeit. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie zeigten, dass auch in den privaten Haushalten leistungsstarke Breitbandnetze erforderlich sind. Viele Menschen arbeiten im Homeoffice oder nutzen vermehrt digitale Anwendungen im Freizeitbereich wie etwa Streaming oder Gaming (Janssen, 2021).  

Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland bei der Breitbandinfrastruktur jedoch bislang eher mittelmäßig ab: Gerade bei der Verfügbarkeit von so genannten „Netzen mit sehr hoher Kapazität“, die über Glasfaser- oder Kabeltechnologien Gigabit-Geschwindigkeiten (über 1.000 Mbit/s) ermöglichen, hängt vor allem der ländliche Raum Deutschlands hinterher (Europäische Kommission, 2022, 34). Zurückzuführen ist das unter anderem auf die ausbaufähige Glasfaserabdeckung, bei der Deutschland den vorletzten Platz unter den EU-Mitgliedstaaten belegt: Nur etwa jeder fünfte deutsche Haushalt verfügt über eine Glasfaseranbindung, während es im europäischen Durchschnitt etwa jeder zweite Haushalt ist (Datenstand 2021; ebenda, 35). Der Rückstand betrifft besonders Ostdeutschland, da es hier aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte deutlich weniger städtische Agglomerationsräume gibt und ein höherer Bevölkerungsanteil im ländlichen Raum lebt (Röhl, 2019, 106).

Gerade mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Netze und die (zukünftigen) Anforderungen an diese sind die vergleichsweise hohen Gigabit-Geschwindigkeiten entscheidend. Bereits im Koalitionsvertrag der ehemaligen Bundesregierung war das Ziel des flächendeckenden Ausbaus von Gigabit-Netzen bis zum Jahr 2025 verankert (CDU/CSU/SPD, 2018, 38 f.). Auch im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung wird eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser angestrebt, auf einen Zeitpunkt für das Erreichen des Ziels wird allerdings verzichtet (SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP, 2021, 16), was auf das Verfehlen bisheriger Ausbauziele zurückzuführen sein könnte.

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Der aktuelle Koalitionsvertrag sah zudem vor, ein Gigabit-Grundbuch einzuführen, das Ende 2022 durch die Bundesnetzagentur veröffentlicht wurde. Darin sind regional differenzierte Daten zur aktuellen Breitbandverfügbarkeit in Deutschland enthalten (Bundesnetzagentur, 2022). Zuvor hat das BMDV halbjährlich Berichte zum Breitbandatlas veröffentlicht, in denen die Breitbandverfügbarkeit zu diesen Zeitpunkten ersichtlich ist (BMDV, 2022). Eine Ausnahme bildet das Jahresende 2021, zu dem keine Daten veröffentlicht wurden.

Insgesamt lässt sich aus diesen beiden Quellen die Entwicklung der verfügbaren Breitbandnetze mit Gigabit-Geschwindigkeiten in Deutschland seit Ende 2018 zeigen. Dabei wird die Entwicklung in den Flächenländern und Stadtstaaten im Westen Deutschlands denen im Osten gegenübergestellt (Abbildung). Die Breitbandverfügbarkeiten der einzelnen Bundesländer werden dafür mithilfe ihrer Anzahl an Haushalten (GfK, 2022) gewichtet auf die höhergelagerte Ebene der Flächenländer und Stadtstaaten zusammengeführt.

Im Westen sind insgesamt mehr Gigabit-Netze verfügbar als im Osten. Ende 2018 verfügte etwa jeder vierte Haushalt in den westlichen Flächenländern über leistungsstarkes Breitband (östliche Flächenländer: 17 Prozent). Während der Netzausbau im Osten anschließend halbjährig jeweils um etwa drei bis vier Prozentpunkte anstieg, nahm er im Westen deutlicher zu und erreichte Mitte des Jahres 2020 57 Prozent, in den fünf östlichen Flächenländern dagegen durchschnittlich nur 30 Prozent. Dieser Abstand von etwa 25 Prozentpunkten hat bis heute Bestand: Am aktuellen Datenrand (Mitte 2022) sind in den westlichen Flächenländern fast drei Viertel der Haushalte mit Gigabit-Netzen versorgt, im Osten sind es weniger als die Hälfte. Offenbar tut sich Deutschland weiterhin schwer, dünner besiedelte Räume mit Gigabit-Netzen zu versorgen, was den Ausbau in Ostdeutschland verzögert. Die skandinavischen Länder könnten hier als Vorbild dienen, dass geringe Siedlungsdichte und eine gute Breitbandversorgung keine Gegensätze sein müssen.

Im Vergleich zu den Flächenländern konnte Berlin im betrachteten Zeitraum stärker zu den westlichen Stadtstaaten Hamburg und Bremen aufschließen. War in Berlin Ende 2018 nur jeder zweite Haushalte mit Gigabit-Netzen ausgestattet, waren es in Hamburg und Bremen durchschnittlich bereits 88 Prozent. Ausgehend von diesem hohen Niveau steigerte sich die Breitbandverfügbarkeit in den westlichen Stadtstaaten in den Folgejahren weiter und beträgt Mitte 2022 etwa 97 Prozent. Berlin gelang es, im selben Zeitraum stark aufzuholen, sodass es Mitte 2022 erstmals mit Hamburg und Bremen gleichziehen kann. Da Berlin eine Start-up-Hochburg beispielsweise im KI-Bereich ist (Rammer, 2022), kommt dem Ausbau in der Hauptstadtregion eine besondere Bedeutung zu. Ohne leistungsfähige Datenverbindungen könnte die Stadt kaum im internationalen Gründungswettbewerb mithalten.  

Die für die Wirtschaft ebenfalls hoch relevante Ausstattung der Gewerbegebiete mit Gigabitnetzen zeigt ebenfalls ein klares West-Ost-Gefälle, aufgrund von Datenbrüchen durch eine umgestellte Erhebungsmethodik wird hier jedoch von der Verwendung der gewerbegebietsbezogenen Ausstattung abgesehen. Anders sieht es im Mobilfunkbereich aus: In den ostdeutschen Flächenländern ist die 5G-Abdeckung mit durchschnittlich 68 Prozent der Fläche höher als im Westen (61 Prozent; Bundesnetzagentur, 2022). Das liegt vor allem am vergleichsweise schwachen Abschneiden von Hessen (43 Prozent) oder Rheinland-Pfalz (50 Prozent), während beispielsweise in Sachsen bereits 79 Prozent der Fläche mit 5G versorgt ist. Bei den Stadtstaaten liegt der Westen mit 92 Prozent knapp vor dem Osten (88 Prozent).

Der Rückstand in der Breitbandinfrastruktur ist ein Hemmschuh für den weiteren Aufschluss in der Produktivität der ostdeutschen Wirtschaft. Diese liegt noch immer bezogen auf die Erwerbstätigen um circa 20 Prozent und bezogen auf die Einwohnerzahl um fast 30 Prozent unter der westdeutschen. Dabei kommt der Nutzung und Bewirtschaftung von Daten eine wachsende Rolle für die Produktivitätsentwicklung zu (DEMAND, 2019). Insgesamt ist in Deutschland bislang nur eine Minderheit der Unternehmen in der Lage, Daten effizient zu bewirtschaften. Ein regionaler Vergleich zeigt, dass in Westdeutschland 30 Prozent „data economy ready“ sind, während es im Osten nur 25 Prozent sind (Büchel/Röhl, 2022, 32). Dabei wird der ostdeutsche Durchschnittswert aber von Berlin nach oben getrieben – in den fünf Flächenländern liegt der entsprechende Anteil bislang nur bei 16 bis 24 Prozent (ebenda, 33). Damit erweisen sich die digitale Infrastruktur und die Datennutzung der Unternehmen als wichtige Stellschrauben, um die verbleibende Produktivitäts- und damit auch Einkommenslücke zwischen West- und Ostdeutschland schließen zu können. Ein Hoffnungsträger dafür könnte der Vorsprung des Ostens im Mobilfunkbereich sein.

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