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Jan Büchel / Barbara Engels Gutachten 27. Februar 2023 Digitalisierungsindex 2022: Stagnation in Zeiten multipler Krisen

Nach einer deutlichen Zunahme der Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland zwischen den Erhebungsjahren 2020 und 2021 wächst diese im Erhebungsjahr 2022 nur marginal. Es kann auch von einer Stagnation der Digitalisierung gesprochen werden.

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Gutachten
Stagnation in Zeiten multipler Krisen
Jan Büchel / Barbara Engels Gutachten 27. Februar 2023

Digitalisierungsindex 2022: Stagnation in Zeiten multipler Krisen

Langfassung zum Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Nach einer deutlichen Zunahme der Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland zwischen den Erhebungsjahren 2020 und 2021 wächst diese im Erhebungsjahr 2022 nur marginal. Es kann auch von einer Stagnation der Digitalisierung gesprochen werden.

Die unternehmensinternen Kategorien verbessern sich im Schnitt nur geringfügig. Die Rahmenbedingungen, die die unternehmensexternen Kategorien umfassen, verschlechtern sich sogar leicht. Im Jahr 2021 verzeichneten die Rahmenbedingungen noch deutlich stärkere Zuwächse als die unternehmensinternen Kategorien. In der letztjährigen Langfassung wurden die stärkeren Gewinne bei den Rahmenbedingungen im Jahr 2021 damit erklärt, dass diese die Voraussetzung dafür sind, dass Unternehmen intern digitaler werden können. Erst müssten sich die Rahmenbedingungen verbessern, dann könnten auch stärkere Zuwächse bei den internen Kategorien erwartet werden. Entsprechend wurden für die nahe Zukunft höhere Zunahmen bei den internen Kategorien prognostiziert. Tatsächlich haben sich im Jahr 2022 zwar die Verhältnisse geändert und die internen Kategorien wachsen stärker als die externen. Aber sie tun dies in so einem geringfügigen Maße, dass die Prognose nicht bestätigt werden kann. Es kann außerdem nicht davon ausgegangen werden, dass die Rahmenbedingungen ein vorläufiges Maximum erreicht haben und nunmehr den perfekten Nährboden für die Unternehmensdigitalisierung bilden. Im Gegenteil: Bei den Rahmenbedingungen wie auch bei den unternehmensinternen Kategorien gibt es noch deutliches Verbesserungspotenzial.

Dass die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland nur minimal voranschreitet, kann auch an der fortwährenden Krisensituation liegen. Im Jahr 2021 wurde an dieser Stelle erläutert, die Corona-Pandemie habe sich vor allem auf die internen Kategorien als Digitalisierungsbremse ausgewirkt, weil Unternehmen in der Pandemie durch Unsicherheiten und Kostendruck vielfach Einsparungen vornehmen und Investitionen mindern oder verschieben mussten – auch jene in die Digitalisierung. Inzwischen scheinen auch die Rahmenbedingungen unter den politischen und wirtschaftlichen Krisen, die zu der Corona-Pandemie dazugekommen sind, nämlich den Folgen des Ukraine-Krieges, den Lieferkettenschwierigkeiten, der Preisentwicklung und der Energiekrise, zu leiden. Die Indexindikatoren zeigen beispielsweise weniger digitale Start-ups, weniger FuE- und Innovationskooperationen und gestiegene Festnetz- und Internetpreise. Diese Zeiten sind eine gesamtgesellschaftliche Ausnahmesituation. So ist es denn eine gute Nachricht, dass die Wirtschaft immerhin marginal digitaler wird und vor allem ihre Prozesse weiterhin digitalisiert und sich mit Externen digital vernetzt. Ebenfalls als gute Nachricht zu werten ist, dass die Gesellschaft die Digitalisierung zunehmend für sich nutzt und mehr und mehr mobiles Datenvolumen abfragt. Sie ist ein entscheidender Treiber des digitalen Fortschritts.

Sorgen bereiten hingegen die Stagnation bei der Qualifizierung und der Rückgang beim Humankapital. Digitale Souveränität und damit Kompetenzsouveränität ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit sowie Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die Stärkung der digitalen Kompetenzen in der Gesellschaft ist somit eine zentrale Aufgabe, um die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland nachhaltig voranzutreiben.

Die digitalen Kompetenzen beeinflussen auch die Innovationslandschaft in Deutschland. Auch sie entwickelt sich negativ. Besonders drastisch ist der Rückgang digitaler Start-ups. Will die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleiben, ist es zentral, dass sie Innovationen hervorbringt. Dazu bedarf es einer entsprechend agilen, ressourcengestärkten Innovationslandschaft. Sie zu fördern ist ein wichtiger Hebel für die Digitalisierung. In einer attraktiven Innovationslandschaft können die Unternehmen auch leichter eigene Forschungs- und Innovationsaktivitäten verfolgen, beispielweise durch Kooperationen mit digitalen Start-ups. Die Kategorie Forschungs- und Innovationsaktivitäten stagniert im Jahr 2022 ebenfalls.

Auf den unterschiedlichen Indexebenen gibt es keine großen Verschiebungen im Zeitablauf. Wenig überraschend bleiben große Unternehmen sowie die IKT-Branche mit deutlichem Abstand Digitalisierungspioniere. Die Bundeslandgruppe Ost kann aufschließen und gibt den letzten Rang auf Bundeslandgruppenebene an die Bundeslandgruppe Nord ab. Immerhin rücken die Bundeslandgruppen insgesamt enger zusammen, die Digitalisierungsunterschiede verringern sich. Die Unterschiede zwischen den Regionstypen hingegen vergrößern sich. Insbesondere die geringverdichteten ländlichen Räume werden mehr und mehr abgehängt.

Insgesamt hat das Digitalisierungsmomentum der Corona-Pandemie noch nicht zu einem umfassenden und nachhaltigen Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft geführt. Wegen der Konfluenz verschiedener Krisen und dem Verbleib in der – sogar noch verschärften – Ausnahmesituation ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein solcher Schub noch ausgelöst wird. Immerhin ist es beachtlich, dass die Wirtschaft unter dem Eindruck dieser Ausnahmesituation nicht sogar Rückschritte bei der Digitalisierung gemacht hat.

Es bleibt weiterhin umso wichtiger, die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung in Deutschland zu verbessern. So müssen unter anderem die sich 2022 negativ entwickelnden administrativ-rechtlichen Rahmenbedingungen im Sinne einer digitalen öffentlichen Verwaltung gefördert werden. Letzte graue und weiße Flecken müssen geschlossen werden. Insbesondere bei der Breitbandverfügbarkeit für Gewerbe gibt es noch deutliches Verbesserungspotenzial, wie der starke Indikatoranstieg 2022 anzeigt. Bei der Breitbandverfügbarkeit für Haushalte gibt es insgesamt nur noch geringe Zuwächse, während die Verfügbarkeit für Gewerbe von einem niedrigen Niveau aus viel stärker steigt. Es besteht die Gefahr, dass sich Sättigungseffekte beim derzeitigen Niveau von Haushalten ergeben, sodass ein weiterer Ausbau über das derzeitige Haushaltsniveau auch für das Gewerbe nicht erfolgt. Dieser Ausbau wäre aber nötig.

Der Digitalisierungsindex 2023 wird zeigen, ob es kurzfristig gelingt, trotz vermutlich persistierender multipler Krisen die Rahmenbedingungen zu verbessern und damit den Boden zu bereiten für eine unternehmensinterne Digitalisierung. Diese wird wahrscheinlich erst richtig Fahrt aufnehmen, wenn die Unternehmen weniger unter dem Eindruck von Kostensteigerungen und Unsicherheiten stehen.

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Langfassung zum Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

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Kurzfassung zum Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

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