Betrachtet man Exportzahlen, so sieht das Bild anders aus. Tatsächlich werden weltweit fast nur hochpreisige Fahrzeuge zwischen den großen Märkten gehandelt. Volumenfahrzeuge bauen die Hersteller in der Regel vor Ort. Daher werden von den US-
Herstellern nur Modelle wie die Corvette oder der Camaro verschifft. In Gegenrichtung werden seit jeher mehr Fahrzeuge über den Atlantik geschickt, was an der Dominanz europäischer Marken im Premiumsegment liegt. Aus Deutschland wurden 2017 gut 493.000 Pkw in die USA exportiert, etwa 10 Prozent davon entfallen auf den Sportwagenbauer Porsche. Der Exportwert wurde mit 19,4 Milliarden Euro beziffert. Es ist erwähnenswert, dass die Exportzahlen sich damit unter dem Wert aus dem Jahr 2000 bewegen in dem 499.000 Pkw aus Deutschland in die USA exportiert wurden (Abbildung). In den letzten Jahren ging der Export sogar sichtbar zurück.
Das liegt insbesondere daran, dass die drei deutschen Autokonzerne in den letzten Jahren erhebliche Produktionskapazitäten in den USA geschaffen haben. Allerdings stehen ihre Werke nicht im Rust-Belt, sondern in den Südstaaten. In Summe beschäftigen sie dort 36.000 Mitarbeiter, weitere 80.000 Arbeitsplätze werden in der Zulieferindustrie vor Ort geboten. Im Jahr 2000 bauten die deutschen Hersteller lediglich 163.000 Pkw in den USA. Zehn Jahre später waren es 285.000 und dann begann der Ausbau der Kapazitäten schnell voranzuschreiten. In 2017 waren es dann 804.000 und in 2016 sogar 853.000 Einheiten. Den größten Anteil an dieser Auslandsproduktion hatte in 2017 BMW mit mehr als 400.000 Stück, gefolgt von Daimler mit 287.000. Beide Premiumhersteller bauen in den USA Modelle, für welche die USA der weltweit größte Absatzmarkt sind. Die SUVs der beiden Premiumhersteller werden in der Regel in den US-Werken montiert und von dort aus weltweit ausgeliefert, auch nach Deutschland. In 2017 exportierten deutsche Hersteller 481.000 Fahrzeuge aus den USA heraus in die Welt. Davon gingen 430.000 Einheiten an Ziele außerhalb der NAFTA. Die Lücke zwischen Pkw-Importen aus Deutschland und den Exporten deutscher Hersteller von ihren US-Werken beläuft sich also nur auf 12.000 Einheiten. Gut ein Viertel der US-Autoexporte entfällt auf deutsche Marken. Mit anderen Worten: Die meisten Fahrzeuge, welche aus den USA nach Deutschland exportiert werden, tragen ein deutsches Markenzeichen und von den in den USA neu zugelassenen Fahrzeugen deutscher Hersteller stammen fast genauso viele aus US-Produktion, wie aus deutschen Werken.
Unterschiedliche Strategien der Hersteller haben also einen erheblichen Einfluss auf die mögliche Wahrnehmung eines Ungleichgewichts. Aber es gibt noch weitere Entwicklungen auf dem US-Automarkt, die zeigen, warum es in den USA montierte Fahrzeuge auf dem Weltmarkt oft schwer haben. Der Einfluss unterschiedlicher Pkw-Zölle bleibt deshalb überschaubar. Tatsächlich hat sich die US-Fahrzeugproduktion in den vergangenen 20 Jahren immer stärker auf Produkte spezialisiert, die in Europa kaum zu verkaufen sind, nämlich auf die so genannten Light Trucks. Das sind im Wesentlichen die in den USA sehr beliebten großen Pick-Up-Trucks. Die Light Trucks machten im letzten Jahr bereits 72 Prozent der US-Fahrzeugproduktion aus. Das ist insofern konsequent, als sie auch 66 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. Der Ford F150 ist seit langem das meistverkaufte Fahrzeug der USA. Der US-Markt wird also von einer Fahrzeugklasse geprägt, die in Europa ein Nischenprodukt darstellt. Und der Trend zum Light Truck ist in den USA ungebrochen. Im Jahr 2000 wurden noch 6,8 Millionen Light Trucks in den USA montiert, 2017 waren es 7,8 Millionen. Eine entgegengesetzte Entwicklung hat die Pkw-Produktion in den USA genommen. Zwischen den Jahren 2000 und 2017 sank der Ausstoß der amerikanischen Werke um 55 Prozent. Im Jahr 2017 waren es gerade mal noch 3,0 Millionen Einheiten, während es 2000 noch 5,5 Millionen waren. Die USA haben sich also aus der Herstellung der in Europa dominierenden Fahrzeugkategorie weitgehend zurückgezogen. Ohne den Aufbau von Kapazitäten durch die deutschen Hersteller wäre der Rückgang wohl noch drastischer ausgefallen.
Vor dem Hintergrund der Spezialisierung der US-Autowerke auf Light Trucks, sollte auch die Zollpolitik bewertet werden. Der Zollsatz von 2,5 Prozent auf Pkw liegt unter dem WTO- Standardsatz von 10 Prozent. Die in den USA beliebten Light Trucks unterliegen aber gänzlich anderen Regeln, die zu einem guten Teil aus einem früheren Handelskonflikt zwischen Europa und den USA stammen. Im Jahr 1963 führte Präsident Johnson die sogenannte „Chicken Tax“ von 25 Prozent auf verschiedene landwirtschaftliche Produkte ein, wozu die US-Regierung neben Kartoffelstärke und Brandy auch leichte Nutzfahrzeuge zählte. Es handelte sich um eine Vergeltungsmaßnahme für Einfuhrbeschränkungen, die Deutschland und Frankreich auf amerikanisches Hühnerfleisch erhoben hatten. Die „Chicken Tax“ wird auf Light Trucks noch immer erhoben und hat im Laufe der Geschichte dazu geführt, dass Hersteller einige erstaunliche Betriebskonstruktionen ersonnen haben, um sie zu umgehen. Defacto werden aber bereits heute 72 Prozent der US-Fahrzeugproduktion von einem Einfuhrsteuersatz von 25 Prozent beschützt.