1. Home
  2. Studien
  3. Deutsche Autohersteller und der US-Markt
Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 21 19. März 2018 Deutsche Autohersteller und der US-Markt

US-Präsident Trump hat die deutschen Autohersteller ins Visier genommen und droht mit Strafzöllen auf deutsche Pkw. Aufgrund der starken Integration der Fahrzeugmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks kann er die deutschen Hersteller durchaus empfindlich treffen.

PDF herunterladen
Deutsche Autohersteller und der US-Markt
Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 21 19. März 2018

Deutsche Autohersteller und der US-Markt

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

US-Präsident Trump hat die deutschen Autohersteller ins Visier genommen und droht mit Strafzöllen auf deutsche Pkw. Aufgrund der starken Integration der Fahrzeugmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks kann er die deutschen Hersteller durchaus empfindlich treffen.

Erstaunlicherweise droht er nun genau jenen Herstellern, die in den letzten Jahren Produktionskapazitäten in den USA aufgebaut haben und die inzwischen fast so viele in den USA montierte Fahrzeuge exportieren, wie sie aus Deutschland in die USA verschiffen. Mit Druck durch die Handelspolitik wird sich die US-Fahrzeugproduktion aber nicht steigern lassen, denn sie ist auf Modelle spezialisiert, für die es in Europa keinen Markt gibt. Die Argumente des Präsidenten für Strafzölle können deshalb nicht überzeugen.

Der US-Präsident droht mit Strafzöllen auf deutsche Autos, da er findet, dass zu wenige amerikanische Autos in Europa fahren und zu viele deutsche in den USA. Als Grund nennt er Zollunterschiede zwischen der EU28 und den USA. Zwar ist es richtig, dass der US-Zoll auf Pkw nur bei 2,5 Prozent liegt und der europäische bei 10 Prozent, aber auf die Marktlage hat das keinen bedeutenden Einfluss. Vielmehr verkennt der Präsident einige wichtige Entwicklungen im Weltautomobilmarkt und kommt so zu fragwürdigen Schlüssen.

Zunächst ist festzuhalten: Im Automobilsektor ist die Integration der Handelsräume EU und USA sehr weit vorangeschritten. Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts eröffneten die größten US Autohersteller Fabriken in Europa und begannen den Markt auf der anderen Seite des Atlantiks mit vor Ort hergestellten Fahrzeugen zu versorgen. Dabei verfolgt der größte US-Autobauer General Motors aber immer eine Multimarkenstrategie. Mit anderen Worten Chevrolet hieß in Europa immer Opel oder Vauxhall, weshalb es hierzulande kaum Chevys zu sehen gibt. Ein anders Beispiel für diese Strategie war Holden in Australien. GM hat seine Strategie inzwischen geändert und sich mit dem Verkauf von Opel an den französischen Autobauer PSA im letzten Jahr fast komplett aus der EU zurückgezogen. Dennoch gilt: Im Jahr 2016 verkauften US-Hersteller 2,1 Millionen Pkw in der EU, was einem Marktanteil von 14,1 Prozent entsprach. Im gleichen Jahr erreichten die deutschen Autohersteller in den USA einen Marktanteil von 7,3 Prozent. Andere europäische Hersteller spielten dort keine nennenswerte Rolle. Der Marktanteil der US-Hersteller in Europa ist also größer als umgekehrt.

Inhaltselement mit der ID 3150
Inhaltselement mit der ID 3151
Inhaltselement mit der ID 3153

Betrachtet man Exportzahlen, so sieht das Bild anders aus. Tatsächlich werden weltweit fast nur hochpreisige Fahrzeuge zwischen den großen Märkten gehandelt. Volumenfahrzeuge bauen die Hersteller in der Regel vor Ort. Daher werden von den US-
Herstellern nur Modelle wie die Corvette oder der Camaro verschifft. In Gegenrichtung werden seit jeher mehr Fahrzeuge über den Atlantik geschickt, was an der Dominanz europäischer Marken im Premiumsegment liegt. Aus Deutschland wurden 2017 gut 493.000 Pkw in die USA exportiert, etwa 10 Prozent davon entfallen auf den Sportwagenbauer Porsche. Der Exportwert wurde mit 19,4 Milliarden Euro beziffert. Es ist erwähnenswert, dass die Exportzahlen sich damit unter dem Wert aus dem Jahr 2000 bewegen in dem 499.000 Pkw aus Deutschland in die USA exportiert wurden (Abbildung). In den letzten Jahren ging der Export sogar sichtbar zurück.

Das liegt insbesondere daran, dass die drei deutschen Autokonzerne in den letzten Jahren erhebliche Produktionskapazitäten in den USA geschaffen haben. Allerdings stehen ihre Werke nicht im Rust-Belt, sondern in den Südstaaten. In Summe beschäftigen sie dort 36.000 Mitarbeiter, weitere 80.000 Arbeitsplätze werden in der Zulieferindustrie vor Ort geboten. Im Jahr 2000 bauten die deutschen Hersteller lediglich 163.000 Pkw in den USA. Zehn Jahre später waren es 285.000 und dann begann der Ausbau der Kapazitäten schnell voranzuschreiten. In 2017 waren es dann 804.000 und in 2016 sogar 853.000 Einheiten. Den größten Anteil an dieser Auslandsproduktion hatte in 2017 BMW mit mehr als 400.000 Stück, gefolgt von Daimler mit 287.000. Beide Premiumhersteller bauen in den USA Modelle, für welche die USA der weltweit größte Absatzmarkt sind. Die SUVs der beiden Premiumhersteller werden in der Regel in den US-Werken montiert und von dort aus weltweit ausgeliefert, auch nach Deutschland. In 2017 exportierten deutsche Hersteller 481.000 Fahrzeuge aus den USA heraus in die Welt. Davon gingen 430.000 Einheiten an Ziele außerhalb der NAFTA. Die Lücke zwischen Pkw-Importen aus Deutschland und den Exporten deutscher Hersteller von ihren US-Werken beläuft sich also nur auf 12.000 Einheiten. Gut ein Viertel der US-Autoexporte entfällt auf deutsche Marken. Mit anderen Worten: Die meisten Fahrzeuge, welche aus den USA nach Deutschland exportiert werden, tragen ein deutsches Markenzeichen und von den in den USA neu zugelassenen Fahrzeugen deutscher Hersteller stammen fast genauso viele aus US-Produktion, wie aus deutschen Werken.

Unterschiedliche Strategien der Hersteller haben also einen erheblichen Einfluss auf die mögliche Wahrnehmung eines Ungleichgewichts. Aber es gibt noch weitere Entwicklungen auf dem US-Automarkt, die zeigen, warum es in den USA montierte Fahrzeuge auf dem Weltmarkt oft schwer haben. Der Einfluss unterschiedlicher Pkw-Zölle bleibt deshalb überschaubar. Tatsächlich hat sich die US-Fahrzeugproduktion in den vergangenen 20 Jahren immer stärker auf Produkte spezialisiert, die in Europa kaum zu verkaufen sind, nämlich auf die so genannten Light Trucks. Das sind im Wesentlichen die in den USA sehr beliebten großen Pick-Up-Trucks. Die Light Trucks machten im letzten Jahr bereits 72 Prozent der US-Fahrzeugproduktion aus. Das ist insofern konsequent, als sie auch 66 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. Der Ford F150 ist seit langem das meistverkaufte Fahrzeug der USA. Der US-Markt wird also von einer Fahrzeugklasse geprägt, die in Europa ein Nischenprodukt darstellt. Und der Trend zum Light Truck ist in den USA ungebrochen. Im Jahr 2000 wurden noch 6,8 Millionen Light Trucks in den USA montiert, 2017 waren es 7,8 Millionen. Eine entgegengesetzte Entwicklung hat die Pkw-Produktion in den USA genommen. Zwischen den Jahren 2000 und 2017 sank der Ausstoß der amerikanischen Werke um 55 Prozent. Im Jahr 2017 waren es gerade mal noch 3,0 Millionen Einheiten, während es 2000 noch 5,5 Millionen waren. Die USA haben sich also aus der Herstellung der in Europa dominierenden Fahrzeugkategorie weitgehend zurückgezogen. Ohne den Aufbau von Kapazitäten durch die deutschen Hersteller wäre der Rückgang wohl noch drastischer ausgefallen.

Vor dem Hintergrund der Spezialisierung der US-Autowerke auf Light Trucks, sollte auch die Zollpolitik bewertet werden. Der Zollsatz von 2,5 Prozent auf Pkw liegt unter dem WTO- Standardsatz von 10 Prozent. Die in den USA beliebten Light Trucks unterliegen aber gänzlich anderen Regeln, die zu einem guten Teil aus einem früheren Handelskonflikt zwischen Europa und den USA stammen. Im Jahr 1963 führte Präsident Johnson die sogenannte „Chicken Tax“ von 25 Prozent auf verschiedene landwirtschaftliche Produkte ein, wozu die US-Regierung neben Kartoffelstärke und Brandy auch leichte Nutzfahrzeuge zählte. Es handelte sich um eine Vergeltungsmaßnahme für Einfuhrbeschränkungen, die Deutschland und Frankreich auf amerikanisches Hühnerfleisch erhoben hatten. Die „Chicken Tax“ wird auf Light Trucks noch immer erhoben und hat im Laufe der Geschichte dazu geführt, dass Hersteller einige erstaunliche Betriebskonstruktionen ersonnen haben, um sie zu umgehen. Defacto werden aber bereits heute 72 Prozent der US-Fahrzeugproduktion von einem Einfuhrsteuersatz von 25 Prozent beschützt.

PDF herunterladen
Deutsche Autohersteller und der US-Markt
Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 21 19. März 2018

Thomas Puls: Deutsche Autohersteller und der US-Markt

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Mehr zum Thema

Artikel lesen
IW-Direktor Michael Hüther
Michael Hüther in der tagesschau ARD 7. Oktober 2024

„Ein Flächenbrand wird derzeit an den Märkten nicht gehandelt“

Der Nahostkonflikt ist ein globales Problem und könnte Risiken für die Weltwirtschaft bergen. Wie ernst die Lage werden könnte, erläutert IW-Direktor Michael Hüther im Gespräch mit der ARD ab Minute 14:26.

IW

Artikel lesen
Jürgen Matthes IW-Nachricht 4. Oktober 2024

EU-Strafzölle: China hat die Lösung des Handelskonflikts selbst in der Hand

Die Ausgleichszölle der EU auf Elektroautos aus China sind zwar legitim und handelsrechtlich erlaubt. Gleichwohl könnten sie der Beginn eines ausufernden Handelskonflikts sein. Es drohen Gegenmaßnahmen, auch wenn die Eskalation nicht im chinesischen Interesse ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880