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Holger Schäfer / Jörg Schmidt IW-Kurzbericht Nr. 64 2. Juni 2020 Arbeitsmarkt in Corona-Zeiten: Kein Nachteil für Frauen

Der Arbeitsmarkt wird von der Corona-Krise hart getroffen. Es steht die Befürchtung im Raum, dass Frauen dabei in besonderem Maß von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen sein könnten. Die bislang von der Bundesagentur für Arbeit verfügbaren Daten lassen eine solche Schlussfolgerung aber nicht zu.

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Kein Nachteil für Frauen
Holger Schäfer / Jörg Schmidt IW-Kurzbericht Nr. 64 2. Juni 2020

Arbeitsmarkt in Corona-Zeiten: Kein Nachteil für Frauen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Der Arbeitsmarkt wird von der Corona-Krise hart getroffen. Es steht die Befürchtung im Raum, dass Frauen dabei in besonderem Maß von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen sein könnten. Die bislang von der Bundesagentur für Arbeit verfügbaren Daten lassen eine solche Schlussfolgerung aber nicht zu.

Die Betriebe in Deutschland reagieren auf den plötzlichen Rückgang ihrer Arbeitskräftenachfrage im Zuge der Corona-Pandemie mit einer abgestuften Maßnahmenkette. Am Anfang steht der Verzicht auf Neueinstellungen und die Nutzung von Kurzarbeit und am Ende kann es auch zu Entlassungen kommen, wenn es keine anderen Möglichkeiten mehr gibt. Für die Abschätzung der Arbeitsmarktwirkungen der Krise auf Frauen und Männer ist daher zunächst die Kurzarbeit von Interesse.

Statistische Informationen zum Geschlecht der Kurzarbeiter gibt es allerdings erst mit mehrmonatiger Verzögerung. Kurzfristig verfügbar ist lediglich die Verteilung der in Anzeigen zur Kurzarbeit genannten Personenanzahl auf Branchen. In Verbindung mit dem Anteil der Geschlechter unter den Beschäftigten der jeweiligen Branchen lässt sich daraus eine Schätzung der Geschlechterverteilung der Kurzarbeiter ableiten. Die Annahme besteht darin, dass der jeweilige Geschlechteranteil an den Beschäftigten einer Branche dem Anteil an den Anzeigen auf Kurzarbeit entspricht.

In den Monaten März und April 2020 haben die Betriebe für insgesamt 10,1 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeit angezeigt (BA, 2020a,b). Die Branchenschwerpunkte waren die Metall- und Elektro-Industrie mit 1,8 Millionen, der Handel mit 1,8 Millionen und die Gastronomie und Beherbergung mit 1,0 Millionen Beschäftigten.

Während in der Industrie der Frauenanteil und damit die Betroffenheit von Kurzarbeit bei Frauen vergleichsweise gering ist, verhält es sich im Einzelhandel, der allein für 800.000 Arbeitnehmer Kurzarbeit angezeigt hat, andersherum (BA, 2020c). Hier sind knapp 70 Prozent der Beschäftigten weiblich. In der Gastronomie ist das Verhältnis annähernd ausgeglichen. Große Unterschiede gibt es im Gesundheitswesen, wo immerhin für 500.000 Arbeitnehmer Kurzarbeit angezeigt wurde. Hier arbeiten zu über 80 Prozent Frauen. Demnach beträgt über alle Sektoren die geschätzte Gesamtzahl von Frauen, für die im März und April 2020 Kurzarbeit angezeigt wurde, rund 4,1 Millionen Beschäftigte, während etwa 6,0 Millionen Männer von (angezeigter) Kurzarbeit betroffen sein dürften. Insofern fällt der geschätzte Anteil von Frauen unter den Kurzarbeitern mit 41 Prozent etwas geringer aus als ihr Anteil unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der bei 46 Prozent liegt.

Zwar mag ein Unterschied in der Betroffenheit von Frauen bei der Kurzarbeit gegenüber der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 zu beobachten sein, wenn die Wirtschaftsbereiche mit den höchsten Frauenanteilen miteinander verglichen werden (Hammerschmid et al., 2020). Allerdings zeigt eine Korrelationsanalyse der aktuell verfügbaren Daten, dass de facto kein Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil unter den Beschäftigten einer Branche und dem Anteil der von angezeigter Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten (März und April 2020) in diesen Branchen besteht. Insofern liegen keine Hinweise vor, dass Branchen mit einem höheren Frauenanteil überdurchschnittlich stark von (angezeigter) Kurzarbeit betroffen sind.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Frauen oder Männer durch die Corona-Krise derzeit stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Arbeitslosenquote von Männern und Frauen zwischen März und April eines Jahres in der Vergangenheit grundsätzlich sinkt oder nicht ansteigt (Grafik). Allerdings hat sie im April 2020 im Vergleich zum Vormonat gleichermaßen um 0,7 Prozentpunkte zugenommen und betrug zuletzt 6,2 Prozent für Männer und 5,4 Prozent für Frauen (BA, 2020d). Im Vergleich zum Vorjahresmonat beläuft sich der Anstieg für Männer auf 1,0 und für Frauen auf 0,8 Prozentpunkte. Allgemein liegt die Arbeitslosenquote der Frauen seit Ende der 2000er Jahre im Jahresdurchschnitt unter der von Männern.

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Um den unmittelbaren Einfluss der Corona-Krise zu erfassen, ist ein Vergleich der aktuellen Daten mit dem Vorjahresmonat aufgrund berufsspezifischer saisonaler Schwankungen und der nach wie vor bestehenden beruflichen Geschlechtersegregation besonders aussagekräftig. Hilfreich ist dabei der Vergleich der Differenz von Zu- und Abgängen in oder aus Arbeitslosigkeit aus oder in Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt. Diese bilden die Interaktion von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit unmittelbar ab, während die Entwicklung der Arbeitslosigkeit insgesamt durch weitere Faktoren beeinflusst sein kann, zum Beispiel durch die Entlastungswirkung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder durch Ein- und Austritte aufgrund von Arbeitsunfähigkeit .

Im April 2020 hatten per saldo rund 122.000 Männer mehr (innerhalb eines Monats) ihren Arbeitsplatz verloren oder konnten keine Erwerbstätigkeit aufnehmen als im April 2019 – und waren damit mutmaßlich direkt von der Krise betroffen. Im Detail waren rund 65.000 mehr Zugänge aus einer Erwerbstätigkeit und rund 57.000 weniger Abgänge in eine Erwerbstätigkeit zu verzeichnen als im Vorjahresmonat. Dieser Gesamteffekt beläuft sich für Frauen auf rund 85.000 – nämlich etwa 50.000 mehr Zugänge und rund 35.000 weniger Abgänge. Ähnliche Relationen ergeben sich auch mit Blick auf die Geschlechterverteilung aller Zu- und Abgänge und insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass Männer einen höheren Anteil an allen Beschäftigten wie auch an allen Arbeitslosen stellen als Frauen. Insofern wird deutlich, dass Männer und Frauen hinsichtlich der Arbeitslosigkeit in etwa in gleichem Umfang von den negativen Folgen der Corona-Krise direkt betroffen sind.

Die These, dass Frauen von der Corona-Krise in besonderem Maß negativ betroffen seien, kann bezogen auf ihre Position am Arbeitsmarkt empirisch nicht gestützt werden. Frauen sind per saldo bislang nicht häufiger arbeitslos geworden oder haben seltener eine Beschäftigung aufgenommen als Männer. Hinsichtlich der Kurzarbeit deutet die Branchenverteilung darauf hin, dass Frauen sogar unterproportional betroffen sein könnten. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Befunde Bestand haben werden, wenn sich im Laufe der Krise die Arbeitslosigkeit weiter erhöht.

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