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Florian Weh Gewerkschaftsspiegel Nr. 2 3. März 2017 Verhandlungsmanagement: Mehr Professionalität – weniger Eskalation

In einem Tarifkonflikt können durch gutes Verhandeln effiziente Lösungen gefunden werden, die das Arbeitskampfrisiko verringern. Dies verlangt aber eine Professionalisierung des Verhandlungsmanagements.

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Mehr Professionalität – weniger Eskalation
Florian Weh Gewerkschaftsspiegel Nr. 2 3. März 2017

Verhandlungsmanagement: Mehr Professionalität – weniger Eskalation

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

In einem Tarifkonflikt können durch gutes Verhandeln effiziente Lösungen gefunden werden, die das Arbeitskampfrisiko verringern. Dies verlangt aber eine Professionalisierung des Verhandlungsmanagements.

Ein wirksames Verhandlungsmanagement setzt voraus, dass Verhandeln als gemeinsamer Problemlösungs- und Entscheidungsprozess verstanden wird und nicht als reiner gegensätzlicher Verteilungskampf oder Argumentationswettstreit. Außerdem müssen Lösungen gesucht werden, die den Lösungsraum optimal aufspannen. Das wird erreicht, wenn bei gegebener Effizienz für die eine Seite keine effizientere Lösung für die andere Seite besteht (Pareto-Effizienz). Gerade der Kompromiss „Halbe-halbe“ ist der Feind einer in diesem Sinne effizienten Lösung. Schließlich sind die drei Ebenen, auf denen man miteinander verhandelt – Sache, Beziehung, Prozess – strikt voneinander getrennt zu halten.

In der Kernphase der Verhandlungen muss es darum gehen, eine Verhandlungszone abzugrenzen (Heranführungsphase) einen gemeinsamen Wert zu schaffen (Wertschaffungsphase) und diesen gemeinsamen Wert anschließend effizient zu verteilen. In der Heranführungsphase sind Rahmenbedingungen für einen effizienten Problemlösungsprozess zu schaffen. Dabei muss eine Beziehung aufgebaut, Vertrauen geschaffen und das notwendige Know-how bereitgestellt werden. In der Wertschaffungsphase werden Lösungen generiert und die Effizienz dieser Lösungen für beide Seiten überprüft. Das Aufteilen der geschaffenen Werte geschieht mit Hilfe von objektiven Kriterien, auf die man sich zuvor geeinigt hat.

Verhandeln ist ein multimodales Spiel: Einen Wert schaffen und diesen Wert zu verteilen erfordert stark unterschiedliche kommunikative Fähigkeiten. Natürlich geht es in einem solchen Prozess auch um Macht. Wesentliche Machtfaktoren sind im Rahmen einer Tarifverhandlung die sog. Nichtverhandlungsalternativen beider Seiten. So versucht die Gewerkschaft, durch den Streik die Nichtverhandlungsalternative des Arbeitgebers zu verschlechtern. Der Arbeitgeber muss die Frage beantworten, ob die Konflikt- oder die Einigungskosten höher sind.

Pareto-effiziente Lösungen setzen rationales Verhalten voraus. Der Mensch entscheidet sich aber häufig nicht rational. Er unterliegt kognitiven Verzerrungen und er lässt sich eher überzeugen, wenn bestimmte sachfremde Faktoren (Beziehung, Vertrauen, Sympathie) vorhanden sind. Außerdem haben Menschen unterschiedliche bevorzugte Konfliktstile (Konkurrieren, Zusammenarbeiten, Kompromisse finden, Vermeiden, Nachgeben). Durch ein gezieltes Training kann man aber auch andere Konfliktstile erlernen. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass ein Training im rationalen Verhandeln zu substanziellen Verbesserungen der Verhandlungsleistung führt. Diese Kompetenz lässt sich nicht alleine durch klassische Lernformen erreichen. Notwendig ist auch die Kombination eines Strukturrahmens mit der Reflektion eigener Erfahrungen anhand dieses Rahmens. In der Schulung von Verhandlungskompetenz spielen außerdem Verhandlungssimulationen eine wichtige Rolle. Ohne einen solchen Rahmen kann selbst jahrzehntelange Verhandlungserfahrung zu suboptimalen Ergebnissen führen.

Tarifverhandlungen weisen einige Besonderheiten auf. Es liegt eine komplexe Prinzipal-Agenten-Situation vor. Auf beiden Seiten der Tarifpartner beauftragen die organisierten Mitglieder (Agenten) eine Verhandlungsdelegation als Prinzipal damit, ein für sie günstiges Verhandlungsergebnis zu erreichen. Damit dies reibungslos funktioniert, muss der Verhandlungsführer im Rahmen eines robusten Mandats autonom agieren können. Nur so können Mehrwert-Lösungen erarbeitet werden und nur so können das nötige Vertrauen und eine fruchtbare Arbeitsbeziehung entstehen. Weitere Besonderheiten liegen darin, dass die Tarifpartner in einer Langzeit-Beziehung stehen, persönliche Betroffenheit vorliegen kann (z. B. Statusfragen bei einer Spartengewerkschaft), die Auseinandersetzung oft öffentlich wird, große Verhandlungsteams bestehen und der Streik den gemeinsamen Wert vermindert.

Um erfolgreich zu verhandeln, muss man nicht bei jedem einzelnen Punkt obsiegen. Innerhalb eines einzelnen Themas gibt es selten gute Möglichkeiten, eine Mehrwert-Lösung zu schaffen. Wird etwa eine Vergütungsforderung verhandelt, geht es um Verteilung und nicht um Wertschaffung. Man kann als Arbeitgeber(verband) allerdings durch Hinzufügen eines anderen Themas den Lösungsraum verbreitern und so die Möglichkeit für sog. „Trade-Offs“ zwischen inhaltlich sachfremden Themen erweitern.

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