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Enno Kohlisch / Oliver Koppel / Yann Pierre IW-Kurzbericht Nr. 5 1. Februar 2022 Patentaktivität der deutschen Ressortforschungseinrichtungen: im Trend rückläufig

Die Ressortforschungseinrichtungen sind angehalten, neben ihren ministeriellen Beratungsaufgaben auch Forschung zu betreiben und diese verstärkt in Patente umzusetzen. Doch nach einem Anstieg von 2005 bis 2014 sind ihre Patentanmeldungen zuletzt wieder rückläufig.

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Patentaktivität der deutschen Ressortforschungseinrichtungen: im Trend rückläufig
Enno Kohlisch / Oliver Koppel / Yann Pierre IW-Kurzbericht Nr. 5 1. Februar 2022

Patentaktivität der deutschen Ressortforschungseinrichtungen: im Trend rückläufig

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Ressortforschungseinrichtungen sind angehalten, neben ihren ministeriellen Beratungsaufgaben auch Forschung zu betreiben und diese verstärkt in Patente umzusetzen. Doch nach einem Anstieg von 2005 bis 2014 sind ihre Patentanmeldungen zuletzt wieder rückläufig.

Evaluation durch den Wissenschaftsrat

Im Jahr 2004 hatte der Wissenschaftsrat begonnen, die deutschen Ressortforschungseinrichtungen (RFE) zu evaluieren und Empfehlungen für deren Rolle und zukünftige Entwicklung zu geben. In seinem Evaluationsbericht attestierte der Wissenschaftsrat den RFE, dass diese größtenteils gute bis sehr gute Beratungs- und Forschungsarbeit leisten, jedoch in einigen Bereichen Schwächen erkennbar seien. Letztere wurden insbesondere in der Vernetzung sowie der Erzielung anwendungsorientierter Forschungsergebnisse in Form von Patentanmeldungen moniert. Als eine Empfehlung „sollte die Zahl der […] Patente und Lizenzvereinbarungen erhöht werden“ (Wissenschaftsrat, 2007, 14). Auch sei die „Voraussetzung für einen vernetzten Wissenstransfer [.], dass die Leitung der Einrichtungen Publikations- und auch Patentierungstätigkeiten des wissenschaftlichen Personals aktiv fördert.“ (ebd., 130f.). Vor diesem Hintergrund analysiert der vorliegende Kurzbericht die Entwicklung der Patentaktivität und der patentbezogenen Vernetzung der deutschen Ressortforschungseinrichtungen seit dem Jahr 2000.

Datengrundlage und Methodik

Die Auswertung erfolgte mittels der IW-Patentdatenbank, welche sämtliche Patentanmeldungen seit dem Jahr 1994 beinhaltet, die eine Schutzwirkung für Deutschland oder darüber hinaus anstreben oder angestrebt haben – zum Beispiel über eine Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), Europäischen Patentamt (EPA) oder der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Zur Vermeidung von Doppelzählungen, wie sie zum Beispiel bei internationalen Folgeanmeldungen möglich wären, wurde eine Bereinigung auf Ebene von Patentfamilien vorgenommen. Im Anmeldermodul der IW-Patentdatenbank sind die Daten und Synonyme aller rund 200.000 seit dem Jahr 1994 patentaktiven Erst- und aktuellen Anmelder aus Deutschland vollständig und passgenau verarbeitet. Da es sich bei Patenten und Patentanmeldungen um transferierbare intellektuelle Eigentumsrechte handelt, ist deren aktueller Inhaber nicht zwingend identisch mit dem Erstanmelder, welcher die Innovation hervorgebracht hat. Durch die Auswertung von Erstanmeldern wird sichergestellt, dass solche Innovationen gemessen werden, die ihren Ursprung in den Ressortforschungseinrichtungen haben. Da Patentanmeldungen einer Offenlegungsfrist unterliegen, bildet 2018 das zum Auswertungszeitpunkt aktuelle Jahr.

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Patentaktivität: Nach Anstieg wieder rückläufig

Grundlage der vorliegenden Analyse sind alle Patentanmeldungen aus dem Zeitraum von 2000 bis 2018, an denen eine der 46 deutschen Ressortforschungseinrichtungen (Arbeitsgemeinschaft der Ressortforschungseinrichtungen, o.J.) als Erstanmelder beteiligt war. Hat eine RFE bei einer bestimmten Patentanmeldung als alleiniger Anmelder fungiert, so wurde ihr diese Patentanmeldung zur Gänze zugerechnet, im Falle einer oder mehrerer Ko-Anmelder entsprechend anteilig.

Von den insgesamt 46 deutschen Ressortforschungseinrichtungen waren 12 im Zeitraum der Jahre 2000 und 2018 patentaktiv, haben also mindestens eine Patentanmeldung hervorgebracht. Rund 88 Prozent dieser Patentanmeldungen entfallen auf die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) sowie die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).

Die Grafik stellt die jahresdurchschnittliche Anzahl an Patentanmeldungen für die Gesamtheit aller 46 Ressortforschungseinrichtungen dar. Es lässt sich erkennen, dass deren Patentaktivität im Zeitraum 2000-2004 mit jahresdurchschnittlich 17 Anmeldungen auf einem eher niedrigen Niveau lag, gemessen an jährlich rund 40.000 bis 50.000 Patentanmeldungen aus Deutschland insgesamt. Parallel zur Evaluation durch den Wissenschaftsrat hat sich die Patentaktivität der RFE jedoch im Folgezeitraum 2005-2009 auf 37 erhöht und damit mehr als verdoppelt. Im Folgezeitraum 2010-2014 konnte das Niveau noch auf dem Doppelten des Ausgangswerts gehalten werden. Im Zeitraum 2015-2018 sank die Patentaktivität jedoch in die Nähe des Ausgangsniveaus zurück und es wurden jahresdurchschnittlich rund 21 Patente angemeldet. Es scheint, als habe die Patentaktivität der Ressortforschungseinrichtungen durch die Evaluation eine stimulierende Wirkung erhalten. Das zwischenzeitlich höhere Niveau konnte aber nicht gehalten werden.

Patentvernetzung: Stagnation trotz zahlreicher Unternehmenskooperationen

Um die Vernetzung im Bereich der Patentaktivität messen zu können, wurden so genannte Patentkooperationen untersucht. Als Patentkooperationen wurden dabei im Rahmen einer Fallzählung all jene Patentanmeldungen der deutschen Ressortforschungseinrichtungen gewertet, an denen mindestens ein weiterer Anmelder beteiligt war. In einem einzigen Fall – einer Forschungskooperation zwischen PTB und BAM – waren mehrere RFE gemeinsam an einer Patentanmeldung beteiligt.

Über den gesamten Zeitraum seit dem Jahr 2000 waren bei 86,9 Prozent aller Patentkooperationen der RFE jeweils genau ein Ko-Anmelder zu verzeichnen, bei weiteren 10,7 Prozent zwei und bei 2,4 Prozent drei. Diese Kooperationspartner rekrutierten sich keineswegs nur aus der Wissenschaft oder Non-Profit-Institutionen. In deutlich mehr als der Hälfte aller Kooperationsanmeldungen fungierte vielmehr mindestens ein Industrieunternehmen als Partner der Ressortforschungseinrichtung. Dieser Befund kann als Überraschung angesehen werden, denn gemäß ihrer Profilierung und ihres Auftrags stellen Akteure aus dem Wissenschaftssystem wie Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen die designierten Vernetzungspartner der Ressortforschungseinrichtungen dar. Offenbar jedoch können einige RFE gerade auch für die Wirtschaft interessante und leistungsfähige Forschungspartner darstellen.

Für den Zeitraum der Jahre 2000-2004 waren 18,3 Prozent aller Patentanmeldungen der RFE Kooperationsanmeldungen. Parallel zu der deutlichen Steigerung ihrer in Absolutwerten gemessenen Patentaktivität ist der Anteil an Kooperationsanmeldungen stark gesunken (2005-2009: 15,8 Prozent; 2010-2014: 10,6 Prozent), hat sich jedoch im Zeitraum 2015-2018 mit einem Wert von mit 17,4 Prozent wieder dem Ausgangsniveau angenähert – parallel zum Rückgang der in Absolutwerten gemessenen Patentaktivität. Der Aufwuchs der Patentaktivität wurde folglich durch unvernetzte Anmeldungen der Ressortforschungseinrichtungen getragen und weniger von Kooperationsanmeldungen. Mit dem Rückgang ihrer Patentaktivität sind die REF wieder zu etablierten Kooperationsmustern zurückgekehrt, und sollten weiter das Ziel einer besseren Vernetzung in puncto Patentkooperationen in den Fokus nehmen.

Die Umsetzung von Forschungsergebnissen in Form von Patentanmeldungen ist neben der Beratung von Bund und Ministerien oder der Arbeit im Bereich Standardisierung und Normung nur eine von mehreren Aufgaben, mit denen die deutschen Ressortforschungseinrichtungen betraut sind. Und für eine Ressortforschungseinrichtung mit geistes-, gesellschafts- oder kulturwissenschaftlich geprägtem Grundauftrag dürften Patentanmeldungen auch kein besonders geeignetes Instrument zur Leistungsmessung sein. Trotzdem sollte die Patenaktivität der deutschen RFE nachhaltig gesteigert werden. Hierbei könnte sich aktiver mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft vernetzt werden.

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