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Dominik Enste IW-Kurzbericht Nr. 69 12. September 2024 Bedingungsloses Grundeinkommen: Teuer und wirkungslos selbst für Bedürftige

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) fasziniert Menschen immer wieder. Eine aktuelle, großangelegte, methodisch anspruchsvolle Studie aus den USA belegt nun – in der Eindeutigkeit durchaus überraschend – die weitgehende Wirkungslosigkeit sowohl im Hinblick auf Lebenszufriedenheit, Stress und Gesundheit als auch bezogen auf Investitionen in Aus- und Weiterbildung – trotz Fokus auf Personen aus niedrigen Einkommensschichten. Das BGE ist somit nicht für Steuerzahler, sondern auch für die Empfänger eher ein Alptraum als ein Traum.

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Teuer und wirkungslos selbst für Bedürftige
Dominik Enste IW-Kurzbericht Nr. 69 12. September 2024

Bedingungsloses Grundeinkommen: Teuer und wirkungslos selbst für Bedürftige

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) fasziniert Menschen immer wieder. Eine aktuelle, großangelegte, methodisch anspruchsvolle Studie aus den USA belegt nun – in der Eindeutigkeit durchaus überraschend – die weitgehende Wirkungslosigkeit sowohl im Hinblick auf Lebenszufriedenheit, Stress und Gesundheit als auch bezogen auf Investitionen in Aus- und Weiterbildung – trotz Fokus auf Personen aus niedrigen Einkommensschichten. Das BGE ist somit nicht für Steuerzahler, sondern auch für die Empfänger eher ein Alptraum als ein Traum.

Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens sind von den Vorzügen dieser radikalen Umgestaltung der Gesellschaft überzeugt. Auch das Bürgergeld wurde in Deutschland zum 1. Januar 2023 mit weniger Bedingungen ausgestaltet. Während die Analyse der Effekte dieser Reform noch aussteht und auch die Ergebnisse des Pilot-Projekts zum BGE in Deutschland (www.pilotprojekt-grundeinkommen.de) erst für den Januar 2025 erwartet werden, bestätigen die Ergebnisse der sehr umfangreichen, experimentellen US-Studie rund um Sam Altmann mit Kontrollgruppe, dass die Kritik an bedingungslosen Transferzahlungen mehr als berechtig ist (Enste, 2019) – und selbst Befürworter des BGE argumentieren bei ihrer Kritik an den Ergebnissen ungewollt für zielgenaue und nach Bedürftigkeit ausgestaltete soziale Transfers. Doch der Reihe nach.

Was ist ein BGE?

Die Idee ist, dass der Staat jedem, ob bedürftig, arbeitsfähig oder nicht, ein monatliches Einkommen zahlt, das alle grundlegenden Lebenshaltungskosten deckt. Dadurch werden viele bestehende Sozialleistungen ersetzt. Das Ziel ist es, jedem einen grundlegenden Lebensstandard zu garantieren. Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder anderen Quellen wird entsprechend höher besteuert, um die Ausgaben, die in Deutschland je nach Ausgestaltung bei weit über einer Billion Euro pro Jahr liegen würden, zu finanzieren (Enste/Schneider, 2016). Diese Idee stößt – wenig überraschend – vorwiegend bei jungen, einkommensschwachen Personen auf Zustimmung, vor allem, wenn es über höhere Einkommens- und Vermögensteuern finanziert wird (Busemeyer/Rinscheid et al., 2023).

Die Folgen der Bedingungslosigkeit

Abgelehnt wird diese Idee hingegen sowohl von Vertretern der Wirtschaft und von Ökonomen als auch von Sozialverbänden und Sozialpolitikern. Ökonomen fürchten eine Erosion der Arbeitsmoral, -zeit und -leistung und internationale Wanderungsbewegungen in das BGE. Sozialpolitiker fürchten hingegen, dass ein pauschales Einkommen zu Lasten von Bedürftigen geht und die Ungleichheit steigt (Cremer, 2019). Dass die zusätzlichen Belastungen für Steuerzahler und Erwerbstätige zu weniger Arbeitszeit und Wohlstand führen könnten, zeigen verschiedene theoretische Analysen (u. a. Fratzscher, 2017), mit gravierenden Folgen für den Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel. Schwerer wiegt noch die Aufkündigung des Solidarprinzips, das die Soziale Marktwirtschaft seit 75 Jahren prägt und erfolgreich gemacht hat: Nur wer bedürftig ist, erhält Hilfe von anderen. Wer arbeiten kann, erhält entsprechend einen Lohn. Wenn das Erwerbseinkommen zur Ernährung der Familie nicht ausreicht, springt der Staat/Steuerzahler ergänzend ein (Enste, 2019). Leistungen ohne Gegenleistung oder Nachweis der Bedürftigkeit vermindern hingegen die Steuermoral.

Nicht mal Empfänger profitieren vom BGE

In den USA wurden die Ergebnisse einer großen, methodisch anspruchsvollen Studie vorgestellt, in der 1.000 Personen mit niedrigem Einkommen drei Jahre lang monatlich 1.000 USD als BGE erhalten haben. Das BGE entsprach dadurch durchschnittlich rund 40 Prozent des eigenen Einkommens. Eine Kontrollgruppe erhielt 50 Euro pro Monat. Informationen wurden in beiden Gruppen durch Befragungen, Auswertung von Verwaltungsdaten und per App erhoben. Die Kosten der Studie werden auf rund 60 Mio. USD beziffert – unter anderem finanziert von OpenAI-Gründer Sam Altmann – einem Befürworter eines BGE. Die Studie ist aufgrund des hochwertigen Forschungsdesigns, das die Analyse der kausalen Effekte eines BGE auf einkommensschwache Empfänger ermöglicht, eine der besten weltweit (Bartik et al., 2024; Miller et al., 2024; Vivalt et al.,2024).

Mehr Konsum, weniger Arbeiten

Die Autoren kommen auf Basis ihrer bisher rund 300 Seiten umfassenden drei Veröffentlichungen zu sehr eindeutigen Aussagen: Die BGE-Empfänger haben im Durchschnitt im Vergleich zur Kontrollgruppe:

  • höhere Konsumausgaben statt Investitionen in Weiterbildung;
  • höhere Verschuldung, sodass Kreditlimits und Zahlungsrückstände nicht verringert wurden;
  • unveränderte Zahl von Insolvenzen und Konkursen;
  • eine Verringerung des individuellen Einkommens um rund 5 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe;
  • eine Verringerung der Arbeitszeit um rund 1,3 bis 1,4 Stunden pro Woche;
  • zusätzliche Verringerung der Arbeitszeit anderer Haushaltsmitglieder um rund eine Stunde pro Woche und damit des Gesamteinkommens um rund 2.500 USD;
  • Freizeit wurde nicht für Sport, Kinderbetreuung etc. verwendet, sondern für Konsumzwecke;
  • Rückgang der Arbeitsmarktbeteiligung der Teilnehmer um 2,0 Prozentpunkte;
  • insgesamt keine Auswirkungen auf die Qualität der Beschäftigung, und die Autoren schließen selbst kleinste Verbesserungen aus;
  • keine signifikanten Auswirkungen auf Investitionen in Humankapital (Weiterbildung);
  • seltener Bewerbungen, längere Arbeitslosigkeit (ca. 1/7 länger).

Kein Einfluss auf Gesundheit und Schlaf

Nur sehr kurzzeitig konnten Effekte beobachtet werden, wie weniger Stress, größere Ernährungssicherheit, mehr Besuche von Krankenhäusern, Notaufnahmen, (Zahn-)Ärzten und Mehrausgaben für Medizin (20 Euro pro Monat), die in den USA nicht durch eine gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden. Die langfristigen Effekte waren jedoch ernüchternd:

  • keine Verbesserung der Gesundheit oder Lebenszufriedenheit, gemessen durch Fragebögen oder App;
  • keine Verbesserung der Gesundheit, gemessen mit Blutuntersuchungen (!);
  • weder körperliche noch psychische Gesundheit hat sich – über einen Kurzzeiteffekt nur im ersten Jahr hinaus – verbessert;
  • kein besserer Zugang zu Gesundheitsleistungen;
  • keine erhöhten sportlichen Aktivitäten;
  • nicht einmal die Schlafqualität hat sich verbessert, wie die Autoren sichtlich konsterniert feststellen; denn schließlich wurde die Studie ja von einem Befürworter mitfinanziert.

Befürworter argumentieren unfreiwillig für ein bedingtes Grundeinkommen

Befürworter des BGE versuchen trotz der Eindeutigkeit der Ergebnisse dennoch, entweder in Einzelfällen positive Effekte abzulesen und zu betonen, wie wichtig es sei, dass die Empfänger durch mehr Geld die Freiheit hatten, sich gegen Arbeit und für mehr Konsum und Freizeit zu entscheiden (Santes, 2024). Oder aber die Methode wird kritisiert (Standing, 2024), weil angeblich kein echtes BGE-Experiment durchgeführt wurde. Leider ist beides abwegig. Erstens wird der Freiheitsgewinn für mehr Konsum der Empfänger in der Realität durch den Verlust der Freiheit derer bezahlt, die mit Steuern diese Freiheit finanzieren (Enste, 2019). Zweitens entspricht die Methode mit einer Kontrollgruppe höchsten wissenschaftlichen Standards und ermittelt so die kausalen Wirkungen der BGE-Zahlung. Übrigens: Das deutsche Experiment (mit allerdings nur 120 Personen) (www.pilotprojekt-grundeinkommen.de) ist ganz ähnlich konzipiert.

Santes (2024) scheint zudem die Methode der Kontrollgruppe misszuverstehen, denn er betont, dass die Beschäftigung der BGE-Empfänger während der Projektlaufzeit (2020-2023) doch zugenommen habe. Aber das ist trivial, da nach der Corona-Pandemie die Beschäftigung generell angestiegen ist. Zentral ist aber der Unterschied zwischen Kontrollgruppe und Versuchsgruppe – und dieser zeigt einen signifikant geringeren Anstieg. Standing (2024) verweist auf Studien, die keine Arbeitseffekte gezeigt hätten und beschreibt, ähnlich wie Santes (2024), dass es für bestimmte Gruppen durchaus Verbesserungen gegeben habe: zum Beispiel Alleinerziehende, die nach Aussagen in qualitativen Interviews sich besser fühlten. Aber kein Ökonom würde widersprechen, dass gezielte Hilfen für bestimmte bedürftige Gruppen zielführend sind. Aber das widerspricht der Idee des „Geld für alle“ (Enste, 2019).

Fazit

Die Ergebnisse der Autoren (Bartik et al., 2024; Miller et al., 2024; Vivalt et al., 2024) sind ein weiterer Sargnagel für Konzepte für die Umgestaltung sozialer Sicherungssysteme in Richtung eines BGE. Wenn für die USA daraus etwas gelernt werden kann, dann dass zielgenaue soziale Transfers auf Bedürftige (wie Alleinerziehende, Geringverdiener oder bildungsferne Schichten) positive Effekte viel effektiver und effizienter erzielen. Die in den qualitativen Studien skizzierten Verbesserungen zum Beispiel für Drogensüchtige oder Alkoholiker sprechen für spezielle Hilfen und nicht für ein BGE für alle. Insofern bleibt eigentlich nur der Schluss: Beerdigen wir endlich diese Idee und lösen die Probleme durch kleine, evidenzbasierte, evolutorische Verbesserungen des bestehenden Systems, zum Beispiel in Richtung eines bedingten Grundeinkommens, welches viele Sozialleistungen zusammenfasst und so Bürokratie reduzieren lässt. Das ist mühsamer, aber effektiver.

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