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Cornelius Bähr / Melinda Fremerey / Manuel Fritsch / Thomas Obst IW-Kurzbericht Nr. 31 3. April 2022 Rohstoffabhängigkeiten der deutschen Industrie von Russland

Russland ist nicht nur ein wesentlicher Gas-Exporteur für Deutschland, sondern liefert auch wichtige Rohstoffe für die deutsche Industrie. Deutschland und der Weltmarkt sind vor allem bei Nickel, Palladium und Chrom abhängig von russischen Exporten. Dies sind Rohstoffe, die zum Teil schwierig zu substituieren sind. Daher sind neue Handelsbeziehungen zu alternativen Exportnationen für diese Rohstoffe essenziell.

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Rohstoffabhängigkeiten der deutschen Industrie von Russland
Cornelius Bähr / Melinda Fremerey / Manuel Fritsch / Thomas Obst IW-Kurzbericht Nr. 31 3. April 2022

Rohstoffabhängigkeiten der deutschen Industrie von Russland

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Russland ist nicht nur ein wesentlicher Gas-Exporteur für Deutschland, sondern liefert auch wichtige Rohstoffe für die deutsche Industrie. Deutschland und der Weltmarkt sind vor allem bei Nickel, Palladium und Chrom abhängig von russischen Exporten. Dies sind Rohstoffe, die zum Teil schwierig zu substituieren sind. Daher sind neue Handelsbeziehungen zu alternativen Exportnationen für diese Rohstoffe essenziell.

In der Diskussion um ein mögliches Gas-Embargo und die Auswirkungen anderer Sanktionen stellt sich die Frage, wie sehr Deutschland nicht nur vom russischen Gas, sondern auch von anderen russischen Rohstoffen abhängig ist. Es zeigt sich, dass Russland besonders bei Nickel, Palladium und Chrom eine wichtige Rolle als Exporteur für Deutschland und den Weltmarkt spielt.

Auf den ersten Blick erscheint ein Aussetzen der Handelsbeziehungen mit Russland für Deutschland verkraftbar. Schließlich bezog Deutschland im Jahr 2019 nur 2 Prozent seiner Importe aus Russland. Dabei entfielen insgesamt 7 Prozent auf Rohstoffe. Der Anteil von russischen Importen bei einzelnen Rohstoffen ist jedoch sehr heterogen. Die Datenbank Comtrade der Vereinten Nationen liefert hierfür umfassende Daten. Die Importgüter werden anhand von Informationen der Deutschen Rohstoffagentur (DERA, 2021) in Rohstoff-Klassen eingeteilt: Bergwerks-, Raffinade- und (ausgewählte) Handelsprodukte. Das Basisjahr für die Importberechnungen ist 2019, um eine Analyse der russischen Rohstoffimporte auf vollständige und aussagekräftige Daten – unbeeinflusst von der Pandemie – zu stützen. Für die Produktion wurden möglichst aktuelle Daten aus den Jahren 2019 und 2020 verwendet.

Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland vor allem bei Nickel von russischen Importen abhängig ist (Abbildung). 40 Prozent aller Nickelimporte stammten 2019 aus Russland. Dabei ist Russland nicht nur für Deutschland, sondern auch für den Weltmarkt ein wichtiger Nickel-Lieferant. Über 10 Prozent der weltweiten Nickel-Exporte kommen aus Russland. Somit nimmt Russland Platz drei im Ranking weltweiter Nickel-Exporteure ein. Dies heißt aber auch, es gibt alternative Export-Länder, an die sich Deutschland bei einem Lieferungsstopp aus Russland wenden könnte: Indonesien und Kanada belegen Platz eins (17,5 Prozent) und Platz zwei (11,8 Prozent) im weltweiten Ranking von Nickel-Exportnationen. Dass Exporte nur die Handelsbilanz, nicht aber zwangsläufig die Produktionswirklichkeit abbilden, zeigt auch ein Blick auf die Produktionsstätten: Indonesien produziert mit 31,3 Prozent der Weltproduktion am meisten Nickel, gefolgt von den Philippinen mit 13,8 Prozent. Allerdings führte der indonesische Exportstopp von Nickel im Jahr 

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2020 zu einem Handelsstreit zwischen der Europäischen Union (EU) und Indonesien. Die EU legte bei der World Trade Organisation Beschwerde ein. Mit einer Entscheidung der WTO ist jedoch erst Ende dieses Jahres zu rechnen (WTO, 2021). Nickel wird derzeit noch überwiegend in der Herstellung korrosionsfreier Stahllegierungen verwendet. In Zukunft gewinnt die Verwendung in Batterien für die Elektromobilität eine zunehmende Bedeutung (vbw 2021, DERA, 2021).

25,3 Prozent seiner Palladium-Importe bezieht Deutschland aus Russland. Russland ist bei Palladium in unverarbeiteter Pulverform somit Deutschlands wichtigster Handelspartner (mit einem Importwert von über 760 Millionen Euro in 2019). Die Palladium-Produktion in Russland beläuft sich auf 42 Prozent der weltweiten Produktion von Palladium. Daher ist es nicht erstaunlich, dass russische Exporte insgesamt fast 20 Prozent der Gesamtexporte von Palladium weltweit ausmachen und das Land somit als Exportweltmeister bei Palladium gilt. Knapp dahinter liegen das Vereinigte Königreich, die USA und Südafrika mit jeweils 18 Prozent, 14 Prozent und 13 Prozent. Zu den größten Produzenten gehören Südafrika, Kanada und Simbabwe. Die große Abhängigkeit Deutschlands und des Weltmarktes von russischem Palladium könnte auf eine weitere Problemsituation neben der viel diskutierten Abhängigkeit von Gas-Importen aus Russland hinweisen. Palladium wird vor allem beim Bau von Autokatalysatoren, in der chemischen Industrie und in der Elektrotechnik verwendet und ist somit ein essenzieller Inputfaktor bei führenden deutschen Industrien. Eine Substitution von Palladium mit Platin ist möglich, jedoch auch kostspielig (vbw 2021, DERA 2021). 

Bei Chrom kommen die russischen Importe auf über 20 Prozent aller deutschen Importe. Zwar machen russische Exporte nur etwa 6 Prozent der weltweiten Chrom-Exporte aus, jedoch liegt Russland damit immerhin auf Platz vier der Chrom-Exportnationen. Hier ist Südafrika ein potenzieller Ersatz-Kandidat für russisches Chrom. Das Land ist etwa für die Hälfte der weltweiten Chrom-Exporte verantwortlich. Auch Kasachstan (19 Prozent) und Indien (8 Prozent) sind weltweit wichtige Exporteure von Chrom. Das Metall kommt in der Produktion von Edelstählen zum Einsatz und wird in der Herstellung von Chemikalien und Pigmenten verwendet (vbw 2021, DERA, 2021).

Auch bei anderen Rohstoffen zeigt sich eine gewisse Abhängigkeit von Russland: Russische Importe von Kadmium machen fast 14 Prozent aller deutschen Kadmiumimporte aus. Aktuelle Zahlen für 2021 lassen darauf schließen, dass sich dieser Anteil mehr als halbiert hat, wobei neben der unterschiedlichen Datenquelle eine unterschiedliche Komposition der Rohstoff-Klassifikation beim Vergleich der beiden Zahlen beachtet werden muss. Außerdem ist noch die Bedeutung Russlands bei den Rohstoffen Aluminium und Phosphate nennenswert. Zwar kommen auf Basis der Aluminium-Klassifikation der DERA (2021) nicht einmal 10 Prozent der deutschen Aluminium-Importe aus Russland, für den Weltmarkt kommt Russland jedoch als drittwichtigster Exporteur von Aluminium eine wesentliche Rolle zu. Ähnlich sieht es bei Phosphaten aus. Deutschland importiert nur 5 Prozent der Phosphate aus Russland, auf dem Weltmarkt belegt Russland aber Rang vier unter den Phosphat-Exporteuren mit 10 Prozent am Phosphat-Welthandel.

Der Blick auf die Handelsstatistiken macht deutlich, dass nicht nur Deutschland, sondern auch der Weltmarkt im Hinblick auf Rohstoffe von Russland abhängig ist. Russland ist ein Rohstoffgigant. Daher ist es wichtig, dass Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA mit anderen rohstoffreichen und möglichst stabilen Demokratien wie USA, Kanada und Südafrika weiter vorangetrieben und ausdefiniert werden. Es zeigt sich analog zu der Lieferkettenproblematik, dass eine weitere Diversifizierung essenziell für eine stabile Versorgungssicherheit ist. Zu prüfen ist auch, welche nationalen und europaweiten Kapazitäten für einen Abbau und die Weiterverarbeitung essenzieller Rohstoffe möglich sind. Die dritte Möglichkeit umfasst das Recycling als Quelle von Sekundärrohstoffen und unterstreicht die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft in Deutschland und Europa. 

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