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Berthold Busch / Jürgen Matthes / Samina Sultan IW-Report Nr. 5 23. Januar 2023 Zur Abhängigkeit einzelner Industriezweige von China

Die import- und exportseitige Abhängigkeit deutscher Industriebranchen von China auf der Vorleistungsebene wird hier mit einer Auswertung der internationalen Input-Output-Tabellen von FIGARO (Full International and Global Accounts for Research in Input-Output Analysis) ermittelt, die von Eurostat mit Datenstand 2020 zur Verfügung gestellt werden.

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Zur Abhängigkeit einzelner Industriezweige von China
Berthold Busch / Jürgen Matthes / Samina Sultan IW-Report Nr. 5 23. Januar 2023

Zur Abhängigkeit einzelner Industriezweige von China

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die import- und exportseitige Abhängigkeit deutscher Industriebranchen von China auf der Vorleistungsebene wird hier mit einer Auswertung der internationalen Input-Output-Tabellen von FIGARO (Full International and Global Accounts for Research in Input-Output Analysis) ermittelt, die von Eurostat mit Datenstand 2020 zur Verfügung gestellt werden.

Auf der Importseite ermöglichen die FIGARO-Daten einen besseren Blick auf die Importabhängigkeit der Industriebranchen als die übliche Außenhandelsstatistik, weil bei Letzterer auch die Importe aus China mit einfließen, die in den hiesigen Endverbrauch gehen. Die FIGARO-Daten liefern dagegen die Importe der Wirtschaftszweige. In der Gesamtschau ist Deutschlands Industrie auf dieser Datenbasis im internationalen Vergleich nicht übermäßig von China abhängig. Im Jahr 2020 kamen im Industriedurchschnitt rund 6,6 Prozent aller ausländischen Vorleistungslieferungen aus China. Bezieht man die inländischen Vorleistungen mit ein, liegt der Anteil Chinas an allen in- und ausländischen Vorleistungslieferungen bei 2,2 Prozent im Industriedurchschnitt. Dagegen ist die Industrie Japans, das sehr viel näher an China liegt, mit einem Anteil an allen ausländischen Vorleistungen von fast 20 Prozent deutlich abhängiger von chinesischen Zulieferern. Russland (16,5 Prozent), die USA (13,9 Prozent) und Tschechien (11,8 Prozent) weisen unter den hier betrachteten elf Industrieländern ebenfalls zweistellige Anteile im Industriedurchschnitt auf.

Auf der Ebene der Wirtschaftszweige zeigt sich in den betrachteten Industrieländern durchweg und damit auch im Länderdurchschnitt ein sehr heterogenes Bild. Einige wenige Empfängerbranchen weisen sehr hohe China-Importanteile an den ausländischen Vorleistungslieferungen auf. Dies gilt vor allem für die Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (WZ 26) sowie die Herstellung von Textilien, Bekleidung und Ledererzeugnissen (WZ 13 bis 15). Im Durchschnitt der betrachteten elf Industrieländer kommen in diesen beiden Branchen gut 25 Prozent an ausländischen Vorleistungen aus China. Beim Blick auf die einzelnen Industrieländer zeigt sich, dass diese beiden Wirtschaftszweige und die Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (WZ 27) häufig, aber nicht durchweg unter den drei abhängigsten Empfängerbranchen sind. Zahlreiche andere Branchen weisen dagegen im Industrieländerdurchschnitt nur höhere einstellige Vorleistungsimportquoten aus China auf.

In Deutschland wird der China-Anteil an den ausländischen Vorleistungslieferungen der Empfängerbranche WZ 27 (16,1 Prozent) noch von der WZ 26 mit 19,4 Prozent übertroffen. In den WZ 13 bis 15 sind es 13,8 Prozent. Diese Wirtschaftszweige haben eine relativ starke Abhängigkeit von China. Auch drei weitere Branchen – darunter der Maschinenbau (10,7 Prozent) – weisen zweistellige Anteile auf. Andere Industriebranchen wie die Autoindustrie (6,0 Prozent), die Chemische Industrie (4,1 Prozent) und die Pharmazeutische Industrie (2,6 Prozent) sind dagegen unterdurchschnittlich abhängig von chinesischen Lieferanten im Vergleich zum Industriedurchschnitt von 6,6 Prozent. Bezieht man inländische Vorleistungslieferungen mit ein, fällt der Anteil Chinas an allen in- und ausländischen Vorleistungslieferungen bei allen Branchen deutlich geringer aus. Selbst in der WZ 26 liegt er bei lediglich 6,6 Prozent.

Es wurde ebenfalls betrachtet, welche chinesischen Lieferbranchen für welche deutschen Empfängerbranchen die wichtigste Rolle spielen, wobei auch indirekte Vorleistungsbeziehungen einfließen. Dies spielt eine Rolle, falls in Vorleistungen einer chinesischen Lieferbranche wiederum sehr viele Vorleistungen einer anderen chinesischen Lieferbranche enthalten sind. Bei dieser Betrachtung zeigt sich tendenziell eine Intra-Branchen-Verflechtung. Aber es wird deutlich, dass chinesische Hersteller chemischer Erzeugnisse (WZ 20), von Datenverarbeitungsgeräten (WZ 26) sowie die chinesische Metallerzeugung (WZ 24) direkt und indirekt unter den Top 3 chinesischer Vorleistungslieferbranchen für viele deutsche Empfängerbranchen sind.

Auf der Exportseite wird – anders als in der Außenhandelsstatistik – vor allem darauf fokussiert, was die deutschen Industriebranchen an die Wirtschaftszweige in China (und nicht den Endverbrauch Chinas) liefern, um auch hier den Vorleistungsfokus zu gewährleisten. Dabei zeigt sich für die deutsche Industrie, dass Chinas Relevanz relativ zum gesamten Ausland deutlich größer ist bei den Vorleistungslieferungen an die Wirtschaftszweige (also an die Produktionsebene Chinas) als bei den Lieferungen an den Endverbrauch, was Chinas Rolle als „Fabrik der Welt“ deutlich macht. So beträgt der Anteil der deutschen Vorleistungslieferungen an die Wirtschaftszweige in China relativ zum gesamten Ausland im Jahr 2020 16,1 Prozent im Industriedurchschnitt. Bezogen auf die Lieferungen allein an den Endverbrauch liegt der chinesische Anteil dagegen nur bei 9,5 Prozent.

Es zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen deutschen Industriebranchen. So geht im WZ 26 über ein Drittel aller Vorleistungslieferungen an ausländische Wirtschaftszweige nach China. Die WZ 27 bis 30 kommen auf Anteile von etwas über einem Fünftel und schneiden damit im Vergleich zum Industriedurchschnitt von gut 16 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich ab. Dies sind hohe Anteile, die eine relativ starke exportseitige Abhängigkeit von Chinas Produktionssektor signalisieren. Doch ist zu bedenken, dass die FIGARO-Daten konzeptionell und methodisch bedingt für alle Industriebranchen wesentlich höhere China-Anteile ausweisen als die Außenhandelsstatistik. Zudem relativiert sich Chinas Bedeutung, wenn man die Vorleistungslieferungen der deutschen Industrie ins Inland einbezieht. Sein Anteil an den Vorleistungslieferungen an alle in- und ausländischen Wirtschaftszweige liegt dann bei gut 7 Prozent im Industriedurchschnitt.

Eine andere Datenquelle ermöglicht es, den Anteil der Arbeitsplätze zu ermitteln, der in den deutschen Industriebranchen vom Export nach China abhängt. Die Auswertung der TIVA-Datenbank der OECD zeigt, dass im Jahr 2018 im Industriedurchschnitt gut 5 Prozent der Arbeitsplätze oder über 400 Tausend Stellen direkt und indirekt am Export von Waren und Dienstleistungen nach China hingen. In den typischen deutschen Exportbranchen liegt der Anteil zwischen gut 5 und knapp 10 Prozent.

Beim Blick auf die beiden Seiten des Außenhandels fällt auf, dass China auf der Vorleistungsebene für die deutsche Industrie exportseitig mit gut 16 Prozent eine stärkere Rolle spielt als importseitig mit knapp 7 Prozent. Das ist im deutschen Warenhandel auf Basis von Außenhandelsdaten von Eurostat anders, wo Chinas Anteile bei der Einfuhr und der Ausfuhr mit um die 8 Prozent ähnlich hoch sind. Der Unterschied dürfte mit darauf zurückzuführen sein, dass auf der Importseite beim Warenhandel der Endverbrauch eine wichtige Rolle spielt, während das auf der Exportseite weniger der Fall ist. Außerdem dürfte die deutsche Industrie bei den Vorleistungsimporten stärker auf europäische Lieferanten fokussieren, weil hier der Freihandel im Binnenmarkt zieht und zudem im Zuge von Just-in-time-Optimierungen geografische Nähe wichtig ist. Dagegen setzt sie exportseitig bei den Vorleistungslieferungen relativ stark auf Chinas Produktionssektor als „Fabrik der Welt“. Vorleistungsexporte dürften zudem den deutschen Direktinvestitionen in China folgen.

Insgesamt ist China als Lieferant und Abnehmer von Vorleistungen im Industriedurchschnitt zwar bedeutsam, aber nicht in einem überragenden Ausmaß. Allerdings gibt es einige Branchen mit relativ starken Abhängigkeiten auf der Vorleistungsebene, in der verwendeten Datenabgrenzung ist dies vor allem die Elektroindustrie. Hier geht es zeitnah um mehr Diversifizierung, also eine stärkere Streuung der Lieferanten und Abnehmer auf andere Länder, um die Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Dies ist in erster Linie Aufgabe der Unternehmen. Die Firmen brauchen aber Flankierung durch die Politik, sei es durch Freihandelsabkommen mit anderen Partnerländern oder durch Delegationsreisen sowie mehr Investitions- und Exportkreditgarantien.

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