Die Digitalisierung hat die deutsche Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren geprägt wie kaum ein anderer Faktor. Zahlreiche Prozesse sind effizienter geworden, digitale Produkte und neue Geschäftsmodelle sind entstanden. Doch die Fortschritte verlaufen ungleich.

Deutschland, digital gespalten — fünf Jahre Digitalisierungsindex
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Digitalisierung hat die deutsche Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren geprägt wie kaum ein anderer Faktor. Zahlreiche Prozesse sind effizienter geworden, digitale Produkte und neue Geschäftsmodelle sind entstanden. Doch die Fortschritte verlaufen ungleich.
Einige Unternehmen und Regionen haben die Chancen der Digitalisierung konsequent genutzt, während andere zurückgeblieben sind. Die Analyse der vergangenen fünf Jahre offenbart Fortschritte, aber auch eine persistente digitale Spaltung: Es gibt klare Gewinner und Verlierer der Digitalisierung in Deutschland (ausführlich: Büchel et al., 2024).
Abgeschlagen: Die ostdeutschen Bundesländer und der ländliche Raum
Der deutschlandweite Digitalisierungsindex ist von 100,0 Punkten im Jahr 2020 auf 113,6 Punkte im Jahr 2024 gestiegen – ein Plus von 13,6 Prozent. Dabei ist die Bundeslandgruppe Ost das Sorgenkind geblieben: Während alle anderen Regionen deutliche Fortschritte gemacht haben, ist der Indexwert der Ost-Gruppe (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) von 93,6 Punkten (2020) geringfügig auf 100,4 Punkte (2024) gestiegen (Abbildung) – ein Zuwachs von lediglich 7,3 Prozent. Der Süden (Baden-Württemberg, Bayern) legte im gleichen Zeitraum um 22,2 Prozent von 110,9 auf 135,5 Punkte zu. Ein Grund für die Abgeschlagenheit des Ostens ist die dort insgesamt immer noch deutlich schlechtere Verfügbarkeit von schnellem Internet als in anderen Bundeslandgruppen. In Thüringen beispielsweise können nur 52,5 Prozent aller Haushalte auf gigabitfähiges Internet zugreifen (Bundesnetzagentur). In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2023 nur 849 Verträge für eine Ausbildung in Digitalisierungsberufen geschlossen – bei einer Fachkräftelücke in Digitalisierungsberufen von 2.572 Personen. In NRW ist die Anzahl der Verträge sogar größer als die Fachkräftelücke (18.120 zu 17.753).
Auch zwischen Stadt und ländlichem Raum gibt es deutliche Unterschiede, die allerdings geringer werden: Die Städte erreichten 2024 142,5 Punkte (16,6 Prozent mehr als 2020), die ländlichen Räume 113,2 Punkte (plus 31,0 Prozent). Der Bundesland- und der Stadt-Land-Vergleich illustrieren die digitale Ungleichheit der Wirtschaft innerhalb Deutschlands. Gezielte politische Maßnahmen sind notwendig, damit strukturschwache Regionen aufholen können.
Immens: Unterschiede zwischen Unternehmensgrößen und Branchen
Kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden sind im Vergleich der Unternehmensgrößen die Verlierer der Digitalisierung: Mit 101,7 Punkten liegen sie 2024 immer noch weit hinter den großen Unternehmen (203,4 Punkte), konnten ihren Indexwert aber 14,0 Prozent steigern (große Unternehmen: lediglich plus 1,9 Prozent). Es ist zu vermuten, dass kleine Unternehmen – insbesondere in dieser krisengebeutelten Zeit – durch knappe finanzielle und personelle Ressourcen nur eingeschränkt in Digitalisierung investieren können und auch deshalb noch nicht annähernd so digital sind wie große Unternehmen.
Sorgen bereiten zudem die unterschiedlichen Digitalisierungsfortschritte unter den Branchen. Auch fünf Jahre nach Beginn der Indexberichterstattung klafft eine große Digitalisierungslücke – am deutlichsten zwischen dem Spitzenreiter, der Branche Informations- und Kommunikationstechnologie, und der Branchengruppe Baugewerbe, Ver- und Entsorgung (285,1 vs. 67,6 Punkte im Jahr 2024). Selbst wenn ein branchenübergreifend einheitliches Digitalisierungsniveau weder realistisch noch sinnvoll ist, ist es wichtig, dass es gerade bei den abgehängten Branchen bald deutliche Fortschritte gibt. Auch im Baugewerbe können durch die Digitalisierung von Prozessen Kosten eingespart und Fehler reduziert werden. Die positiven Effekte der Digitalisierung können dort noch nicht eingelöst worden sein.
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Kritisch: Innovationskraft und digitale Kompetenzen
Die unternehmensinterne Kategorie Forschungs- und Innovationsaktivitäten sowie die externe Kategorie Innovationslandschaft sind Frühwarnindikatoren für die langfristige Innovationsfähigkeit. Sie erreichen 2024 Werte nur knapp über dem Ausgangswert 2020. Alarmierend ist, dass der Anteil digitaler Start-ups und von Forschungs- und Innovationskooperationen sogar gesunken ist. Das bedroht die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Fehlende digitale Kompetenzen bleiben über die fünf Berichtsjahre hinweg eine kritische Hürde für die Digitalisierung. Sowohl die unternehmensinterne Kategorie Qualifizierung als auch die unternehmensexterne Kategorie Humankapital erreichen 2024 Werte knapp unter beziehungsweise über dem Ausgangswert 2024. Die Fachkräftelücke in Digitalisierungsberufen ist groß und die IT-Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen stagnieren. Ohne besser qualifizierte Arbeitskräfte wird die Digitalisierungsdynamik langfristig gebremst. Mehr IT-Absolventen und Auszubildende in Digitalisierungsberufen machen Hoffnung, dass sich die Situation perspektivisch verbessert.
Unter dem Ausgangsniveau bleiben auch die administrativ-rechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei determinieren sie, inwiefern Unternehmen Digitalisierung umsetzen können. Insbesondere die bislang mehr analoge als digitale Verwaltung ist ein Flaschenhals.
Stabil positiv: Prozesse und technische Infrastruktur
Ein Highlight ist die Entwicklung der Kategorie Prozesse, die über den gesamten Zeitraum hinweg kontinuierlich gewachsen ist und mit 136,5 Punkten im Jahr 2024 ihren höchsten Stand erreicht. Diese Kategorie zeigt, dass Unternehmen in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie und Zeiten geopolitischer Konflikte – trotz Kostendruck und Unsicherheiten – auf die Digitalisierung ihrer internen Prozesse setzen. Das ist ein gutes Zeichen für die ökonomische Resilienz Deutschlands.
Auch die Kategorie Technische Infrastruktur verbessert sich konstant über die Jahre – vor allem wegen des Ausbaus von Breitbandnetzen für Haushalte und Gewerbe. Dieser ist zentral für die digitale Transformation, da ohne schnelle, zuverlässige Netzverbindungen kaum Fortschritte in anderen Bereichen möglich sind. Wichtig ist, dass ländliche Regionen besser angeschlossen werden und Deutschland insgesamt gerade im Bereich Glasfaser zum Rest Europas aufschließt.
Zentrale Handlungsfelder
Die Digitalisierung in Deutschland hat in den vergangenen fünf Jahren insgesamt Fortschritte, aber auch klare Schwächen in kritischen Kategorien gezeigt. Deutschland ist digital gespalten – regional sowie abhängig von Branche und Unternehmensgröße. Diese Spaltung gilt es aufzuheben. Denn Digitalisierung ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und für das Gelingen der grünen Transformation. Zentrale Handlungsfelder sind:
- Fachkräfte ausbilden und gewinnen: Ohne qualifiziertes Personal kann die Digitalisierung nicht gelingen. Es braucht gezielte Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme und internationale Fachkräftezuwanderung.
- Rahmenbedingungen verbessern: Flächendeckender Breitbandausbau und ein nutzerfreundliches E-Government sind essenziell für ein digitales Deutschland.
- Innovation fördern: Die Politik muss die Innovationskraft stärken, indem es Start-ups fördert und die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Forschung erleichtert. Komplexe Förderanträge erschweren den Zugang zu Forschungspartnerschaften besonders für kleine und mittlere Unternehmen. Ein schlankeres Verfahren würde diese Hürde ebenso senken wie ein Ausbau der steuerlichen Forschungszulage.
- Digitalisierung verständlich und greifbar machen: Es gibt immer noch viele Unternehmen in Deutschland, für die Digitalisierung „Neuland“ ist. Ihnen gilt es zu zeigen – beispielsweise durch Best Practices und im Rahmen von ideellen und finanziellen Förderungen – dass Digitalisierung auch ihnen finanzielle Vorteile bringen kann, auch wenn sie zunächst Kosten mit sich bringt. Sie ist eine Investition in die Zukunft.
Seit 2020 misst der Digitalisierungsindex, den das Institut der deutschen Wirtschaft im Auftrag des BMWK erstellt, jährlich die Entwicklung der digitalen Transformation der deutschen Wirtschaft in zehn Kategorien. Die unternehmensinternen Kategorien Prozesse, Produkte, Geschäftsmodelle, Qualifizierung und Forschungs- und Innovationsaktivitäten zeigen, wie Unternehmen ihre internen Abläufe und Angebote digitalisieren. Die unternehmensexternen Kategorien Technische Infrastruktur, Administrativ-rechtliche Rahmenbedingungen, Gesellschaft, Humankapital und Forschungslandschaft bilden die Rahmenbedingungen der Digitalisierung.

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Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

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