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Ralph Brügelmann / Tobias Hentze IW-Nachricht 22. September 2016

Erbschaftsteuerreform: Eine komplizierte Einigung

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat sich in der Nacht auf einen Kompromiss zur Erbschaftsteuerreform geeinigt. Für die Politik ist das Ergebnis kein Ruhmesblatt, da sie die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist nicht erfüllt hat. Für die Unternehmen bedeutet die Einigung zumindest Rechtssicherheit, sofern Bundestag und Bundesrat morgen zustimmen. Und die Korrektur der bestehenden Überbewertung ist aus ökonomischer Sicht ein Schritt nach vorne.

Sollten Bundestag und Bundesrat morgen zustimmen, hat die Politik geschlagene 21 Monate gebraucht, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer umzusetzen. Ganz nebenbei hat sich die Politik auch noch über die von den Richtern gesetzte Frist hinweggesetzt. Soweit sind das keine guten Nachrichten aus dem deutschen Politikbetrieb. Positiv dagegen ist, dass die Unternehmer jetzt wieder Rechtssicherheit haben.

Ob das neue Gesetz allerdings den Vorgaben des Grundgesetzes entspricht, werden im Zweifelsfall wieder die Richter beantworten müssen. Zugute halten kann man der Politik, dass sie die wesentlichen Kritikpunkte des Urteils aufgegriffen und umgesetzt hat: Erstens müssen Erben kleinerer Betriebe in Zukunft ebenfalls den Erhalt von Arbeitsplätzen nachweisen, um von der Erbschaftsteuer verschont zu werden. Zweitens wird das Verwaltungsvermögen, zu dem nicht betriebsrelevantes Vermögen wie Kunstgegenstände oder vermietete Grundstücke gehört, nicht mehr im bisherigen Ausmaß verschont. Und drittens werden künftig Erben großer Unternehmen nicht mehr um eine Steuerzahlung herumkommen, sofern sie nicht nachweislich keine entsprechenden Mittel zur Verfügung haben.

Fast nebenbei hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang an einer aus ökonomischer Sicht wichtigen Stellschraube in die richtige Richtung gedreht: Aufgrund der Verschonungsregeln der Vergangenheit interessierte sich kaum jemand dafür, wie die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung eines Unternehmens ermittelt wurde. Denn wenn es 100 Prozent Rabatt gibt, dann ist der Preis egal. Da dieser Nachlass in Zukunft für größere Unternehmen nicht mehr per se gilt, rückt das Preisschild zurecht in den Blickpunkt. Der Gesetzgeber sorgt nun dafür, dass die vom IW Köln bereits zu Beginn der Reformdebatte bemängelte Überbewertung der Unternehmen aufgrund der Niedrigzinsphase korrigiert wird. Der Unternehmenswert wird bei Familienunternehmen, die besonderen Entnahme- und Veräußerungsbeschränkungen unterliegen, nach dem neuen Gesetz 46 Prozent unter dem bisherigen Wert liegen. So muss der Erbe eines Familienunternehmens mit einem durchschnittlichen Gewinn von 3 Millionen Euro in Zukunft rund 29 statt 54 Millionen Euro als Bemessungsgrundlage versteuern. Allerdings hat der Gesetzgeber hohe Hürden für den Erhalt des Nachlasses aufgestellt. Erst der Praxistest wird also zeigen, wie sich der lange verhandelte Kompromiss der Politik auf die Volkswirtschaft auswirkt.

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Unternehmensbewertung als Grundlage für die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen
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