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Sandra Parthie IW-Nachricht 1. Juli 2020

EU-Ratspräsidentschaft: Brüssel braucht einen Kraftakt

Ab heute übernimmt Deutschland für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz und leitet in dieser Funktion nicht nur Treffen des Europäischen Rats, sondern auch etliche Arbeitsgruppen und Ausschüsse, moderiert und vermittelt bei Konflikten. Die Erwartungen sind hoch, die Hoffnungen auf wegweisende deutsche Impulse groß.

Schon lange vor Corona war klar, dass 2020 in Brüssel eine Herausforderung werden würde. Das Jahr ist längst Zieldatum für politische und wirtschaftliche Projekte. Eine Auswahl: Bis 2020 sollte sich der CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduzieren, Investitionen in Forschung und Entwicklung sollten auf drei Prozent angehoben werden, 75 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sollten eine Arbeit haben, die Industrialisierungsquote sollte auf 20 Prozent steigen. Die Reihe der geplanten Ambitionen ließe sich beliebig fortführen.

Teilweise war die EU schon auf einem guten Weg: Zumindest an der CO2-Front sah es ganz gut aus, die Beschäftigung stieg im vergangenen Jahr auf 73 Prozent. Am Industrialisierungsziel schieden sich dagegen von Beginn an die Geister, ob denn eine solche Zielmarke angesichts der unterschiedlichen nationalen Wirtschaftsstrukturen überhaupt sinnvoll sei. Das Investitionsziel in Forschung und Entwicklung wiederum ist noch lange nicht erreicht. 

Schwierige Ausgangslage

Alle diese Indikatoren sind jedoch seit März weitestgehend hinfällig. Corona hat zwar zeitweise für eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen geführt – nachhaltig und langfristig war das aber nicht. Die anderen Zielvorgaben dagegen können nun kaum noch zu sinnvollen Vergleichen taugen. Die Ausgangslage für die deutsche Ratspräsidentschaft könnte kaum schwieriger sein. 

Hinzu kommt: Die Bundesrepublik ist und bleibt die größte Volkswirtschaft der EU und steht ohnehin mehr in der Verantwortung als andere Länder. Entsprechend umfangreich sehen nun die anstehenden Ziele aus: 

  • Eine Einigung auf den Mehrjährigen Finanzrahmen für 2021-2027 muss in den nächsten Wochen gelingen, um Lücken in der Finanzierung von EU-geförderten Programmen zu vermeiden. Darüber hinaus dient dieses Budget nun auch als Basis für die geplante Kreditaufnahme zur Finanzierung des wirtschaftlichen Neustarts nach Corona. Es muss dringend eine rasche Einigung her, mit klaren Kriterien und Vorgaben bei Einnahmen, Ausgaben und Rückzahlungen. 
  • Das Recovery-Paket muss eine Balance bilden. Es muss einerseits rasche Soforthilfe gewährleisten, um die Wirtschaft kurzfristig zu unterstützen. Andererseits braucht es aber auch Investitionen, um die angestrebte nachhaltige und digitale Transformation der europäischen Wirtschaft zu ermöglichen. 
  • Die Wettbewerbsfähigkeit der EU ist nicht nur im Corona-Umfeld essentiell, sondern auch vor dem Hintergrund amerikanischer und chinesischer Entwicklungen. Eine Überarbeitung der geltenden Regelungen zur staatlichen Beihilfe ist nötig, ebenso wie eine neue Standortbestimmung der EU-Interessen bei den Regeln der Handelspolitik und im Umgang mit internationalen Handelspartnern. 

Es ist fraglich, ob Deutschland diesen Erwartungen gerecht werden kann. Vorgänger Kroatien hatte ähnlich große Ambitionen – dann kam Corona.

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