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"Die Zerstörung der CDU" nennt Youtuber Rezo sein Video. (© Foto: Gettyimages)
Maximilian Stockhausen IW-Nachricht 24. Mai 2019

Youtuber Rezo im Faktencheck

Die Armen werden immer ärmer, während sich die Reichen die Taschen vollstopfen: Youtuber Rezo hat ein Video veröffentlicht, das ihm seit Tagen die politische Aufmerksamkeit sichert. Was an seinen wirtschaftspolitischen Aussagen wahr ist – und was nicht.

„Seitdem die CDU an der Macht ist, ging die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Die ärmsten 50 Prozent haben immer weniger Geld und die reichsten zehn Prozent immer mehr Geld.“

Mit dieser Aussage zeichnet Youtuber Rezo nicht nur ein zu einfaches Bild, sondern er bezieht sich auf die falsche Einkommensart: Er stützt sich hier auf das Markteinkommen. Dabei sagt das verfügbare Einkommen viel mehr über das Verhältnis zwischen Arm und Reich aus. Wie viel habe ich nach Abzug der Steuern? Wie viel nachdem ich Transferzahlungen erhalten habe? Sowohl die oberen zehn Prozent als auch die unteren 50 Prozent haben mehr Geld als zu Beginn der 1990er Jahre. Nicht nur die Reichen haben also profitiert. Einen richtigen Punkt macht der Youtuber dennoch: Das Einkommen der Reichen hat sich schneller erhöht als das der Ärmeren. Einer der Gründe dafür: Immer mehr Menschen leben allein.

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Entwicklung der mittleren realen bedarfsgewichteten Nettohaushaltseinkommen für untere 50% und obere 10% (in Preisen von 2010)

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Quelle: SOEP v34, eigene Berechnungen
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„Die Armut in Deutschland stieg in den letzten Jahren konstant an.“

Nur wenige Menschen sind in Deutschland so arm, dass sie ihre Wohnung nicht heizen können oder obdachlos sind. Fast alle Bürger können aus eigener Kraft oder mit der Hilfe der Familie die drängendsten Bedürfnisse befriedigen. Gelingt dies nicht, sichert der Staat ab. Deutschland schaut deshalb wie viele andere Wohlfahrtsstaaten auch weniger auf die absolute Armut, sondern vor allem auf relative Armut. Demnach leben diejenigen in Armut, die weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Nettoeinkommens beziehen. Mittleres Einkommen heißt, dass eine Hälfte der Bevölkerung mehr verdient und die andere weniger. Wer allein lebt, ist eher von Armut bedroht, weil er alles allein finanzieren muss. Die Armutsgefährdungsquote betrug in Deutschland 2016 etwa 16 Prozent, das entspricht gut 13 Millionen Menschen – ein leichter Anstieg gegenüber früheren Jahren. Einer der Gründe dafür ist der Trend zum Alleinleben. So leben mehr Mütter allein mit ihren Kindern, Paare haben zunehmend getrennte Wohnungen. Die Armutsgefährdungsquote wird dadurch größer, selbst wenn das Gesamteinkommen aller Haushalte konstant bleibt.
 
„Die meisten Reichen werden nicht reich, weil sie hart arbeiten, sondern durch Erben oder Schenkungen. Vor ein paar Jahrzehnten hat man sich sein Vermögen noch selbst erarbeitet.“

Hier formuliert Rezo zu pauschal und unzutreffend. Er tut vielen Menschen unrecht, die durch verantwortliches unternehmerisches Handeln oder persönliche Anstrengungen zu ihrem Wohlstand gelangt sind. Sicherlich sind Erbschaften und Schenkungen bei der Vermögensbildung ein wichtiges Element und nicht alle haben das Glück, einmal viel zu erben. Eine Untersuchung mithilfe von Befragungsdaten der Deutschen Bundesbank zur Vermögenssituation der Deutschen hat jedoch jüngst gezeigt, dass die Nettovermögen der Deutschen – also die Vermögen wie Wertpapiere und Immobilien abzüglich Schulden und Hypotheken – zu etwa zwei Dritteln auf Eigenleistung und zu etwa einem Drittel auf Erbschaft zurückgehen. Das gilt auch für die Reichen

„Die reichsten 45 Haushalte in Deutschland haben so viel Vermögen wie die ärmsten 50 Prozent, also über 40 Millionen Menschen.“

Kein Zweifel, Vermögen sind ungleich verteilt. Aber auch das lässt sich erklären: Geschichtliche Einflüsse, die Höhe der Eigentumsquote, die Ausgestaltung des Mietwohnungsmarktes und das soziale Sicherungssystem beeinflussen Vermögensbildung und Vermögensverteilung. Eine Studie auf Basis des SOEP für das Jahr 2012 zeigt, dass sich das mittlere Vermögen von 18.000 Euro auf 107.392 Euro erhöht, wenn die Rentenansprüche berücksichtigt werden – die Vermögenskonzentration nimmt dadurch stark ab. Die soziale Absicherung durch den Staat beeinflusst also die private Vermögensbildung. In den skandinavischen Ländern, die häufig als Vorbilder für Egalität und soziale Absicherung genannt werden, beobachten Wissenschaftler eine ähnlich hohe Vermögensungleichheit.

„Die ärmeren Leute tragen mehr Steuerlast, als sie noch vor 20 Jahren trugen, und die reicheren Leute tragen weniger Steuerlast als noch vor 20 Jahren.“

Rezo kehrt zwei zentrale Punkte unter den Tisch: Je mehr jemand verdient, desto mehr Steuern und Abgaben verlangt der Staat. Bereits ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von knapp 55.000 Euro zahlt ein Alleinstehender den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Mit Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag liegt die Belastung jedes zusätzlich verdienten Euros in dieser Gehaltsklasse bei fast 50 Prozent. Im Vergleich zu dieser direkten Steuer sind die Umverteilungswirkungen der indirekten Steuern deutlich milder. Die Mehrwertsteuer zum Beispiel belastet den Konsum aller in gleichem Maße. Obwohl die Wohlhabenden einen kleineren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben, konsumieren sie natürlich immer noch mehr als Geringverdiener und tragen deshalb einen größeren Teil der Last: Die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher zahlen 20 Prozent der indirekten Steuern. Zum Vergleich: Ihr Anteil an der Einkommensteuer beträgt 48 Prozent.

„Chancengleichheit: Aufstiegschancen durch Bildung sind in Deutschland viel geringer als in den meisten anderen Industrieländern.“ 

Dieser Befund ist durchaus richtig, wie Untersuchungen der OECD regelmäßig belegen. Aber auch hier konnten in den vergangenen Jahren Verbesserungen verzeichnet werden. Insbesondere bei der Berufsausbildung sticht Deutschland dank seines dualen Systems regelmäßig positiv heraus. Gleichzeitig steigt die Zahl der Hochschulabsolventen, worunter auch viele Bildungsaufsteiger sind. Die Aufstiegsmöglichkeiten in Bezug auf ein höheres Einkommen gegenüber den Eltern sind oftmals positiver als gedacht.

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Quellen: Corak (2006. 2017); eigene Darstellung

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