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(© Foto: GettyImages)
Klaus-Heiner Röhl IW-Nachricht 1. Oktober 2023

Sechs Gründe, warum die Deutsche Einheit nicht gescheitert ist

33 Jahre deutsche Einheit: Auch nach mehr als drei Jahrzehnten sind die Unterschiede zwischen Ost und West enorm. Trotzdem ist die deutsch-deutsche Hochzeit ein Erfolg – auch wenn das gerade in ländlichen Regionen oft nicht spürbar ist.

Die neuen und die alten Bundesländer, noch immer trennt sie viel: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf erreichte in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuletzt nur 72 Prozent des West-Durchschnitts, mit Berlin waren es immerhin 79 Prozent. Dem Osten fehlen Großunternehmen, Konzernzentralen und junge innovative Start-ups. 

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt aber auch, dass schon viel passiert ist – und immer noch viel passiert, der Osten nähert sich weiter an. 2010 waren erst zwei Drittel des West-BIPs erreicht. Auch in anderen Bereichen geht es voran, wie der IW-Einheitsindex zeigt: Neben dem BIP untersucht er Indikatoren wie die Produktivität, den Kapitalstock, die Forschungsleistung und die Arbeitslosigkeit. Aktuell steht der Wert bei knapp unter 80, der Westen ist auf 100 normiert. 

Die deutsche Einheit ist also mitnichten gescheitert, aus folgenden sechs Gründen: 

  1. Lange Zeit gab es ein großes Ost-West-Gefälle bei der Arbeitslosigkeit, viele Regionen im Osten verzeichneten eine Quote jenseits der zehn Prozent. Heute hat Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle: Die Arbeitslosigkeit der ostdeutschen Flächenländer liegt bei fünf bis sieben Prozent, nur Bayern und Baden-Württemberg stehen besser da. 
  2. Die kräftige Mindestlohnanhebung im Oktober 2023 dürfte das Lohngefälle zwischen Ost und West weiter verringert   haben – und hat dabei nicht zu mehr Arbeitslosigkeit im Osten geführt. 2021 lag der ostdeutsche Durchschnittsverdienst ohne Berlin mit 3.635 Euro bei 78 Prozent des West-Durchschnitts.
  3. Wenn sich Industrie neu ansiedelt, dann vor allem in Ostdeutschland. Inmitten der bundesweiten Rezession hat das Tesla-Werk in Grünheide im ersten Halbjahr 2023 für ein kleines brandenburgisches Wirtschaftswunder mit einem Wachstum von sechs Prozent gesorgt. Auch die neuen Chipwerke in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Batteriefabriken an diversen Standorten dürften die ostdeutsche Wirtschaft weiter stärken, während in Westdeutschland vielerorts eine Deindustrialisierung droht.
  4. Die Investitionen in Universitäten und Forschungsinstitute in ostdeutschen Städten beginnen Früchte zu tragen und könnten bald auf das Stadtumland ausstrahlen. Darauf haben die ostdeutschen Bundesländer lange hingearbeitet: So investiert Sachsen beispielsweise mit gut drei Prozent des BIPs doppelt so viel Geld in Forschung und Entwicklung wie Schleswig-Holstein, das wirtschaftsschwächste Westland.
  5. Technologieorientierte  Ansiedlungen und Gründungen, die in den ostdeutschen Regionen derzeit zunehmen, weisen eine überdurchschnittliche Wertschöpfung auf.
  6. Berlin ist in seine Hauptstadtrolle auch wirtschaftlich hineingewachsen und das führende Zentrum für innovative Start-ups in Deutschland. Die positiven Effekte der Metropole strahlen zunehmend auf das Umland aus.

Diese Erfolge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durchaus noch Handlungsbedarf gibt. Die Flächenländer im Osten sind deutlich ländlicher geprägt als der dichtbesiedelte Westen. Um Innovationen als Wachstumstreiber voranzubringen, konzentrieren sich öffentlich geförderte Investitionen oft auf die Städte, das gilt für neue Chipfabriken in Magdeburg und Dresden genauso wie für Fraunhofer-Institute oder schnelles Internet. Wer auf dem Land wohnt, könnte sich so eher abgehängt fühlen – und übersehen, dass es im Osten durchaus vorangeht. Hier ist die Politik gefragt: Sie sollte mit einer breiter angelegten Regionalpolitik gegensteuern, wie sie es beispielsweise mit den Mitteln für die Kohleregionen im Strukturwandel bereits versucht. Dazu gehört auch, den Breitbandausbau zu beschleunigen.

Ein Belastungsfaktor bleibt die ungünstige ostdeutsche Demografie. Wichtig ist daher eine größere Offenheit für ausländischen Experten und Fachkräfte, die aber aufgrund der Stärke der AfD in aktuellen Umfragen eher gefährdet erscheint. 
 

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