Im europaweiten Arbeitskostenvergleich der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung schafft es Deutschland nur ins westeuropäische Mittelfeld, bemängeln die Forscher. Dabei übersehen sie allerdings zwei wichtige Faktoren.

Lohnstückkosten: Kein Nachholbedarf
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung hat neue Zahlen zu internationalen Arbeits- und Lohnstückkosten vorgelegt. Der Befund: Zwar habe sich die Entwicklung der Arbeitskosten „normalisiert“, allerdings sei die schwache Dynamik der 2000er-Jahre noch nicht ausgeglichen. Deutschland dümpele weiter im westeuropäischen Mittelfeld, der Anstieg sei unter dem EU-Durchschnitt.
Längst auf Spitzenposition
Dabei übersieht das IMK allerdings zwei bedeutende Faktoren. Zum einen ist die Bundesrepublik EU-weit bei den industriellen Arbeitskosten bereits seit Langem in einer Spitzenposition. Vor allem in den osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien sowie auf dem Baltikum haben die Arbeits- und Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren angezogen – mit diesen Wachstumsraten darf und kann sich Deutschland nicht vergleichen.
Noch schlechtere Ergebnisse im weltweiten Vergleich
Zum anderen genügt es nicht, nur auf europäischer Ebene zu vergleichen: Deutsche Unternehmen sind weltweit vernetzt. Aktuelle IW-Zahlen zeigen, dass die industriellen Arbeitskosten allein im Vergleich zum Euroraum 24 Prozent höher als im Durchschnitt sind. Werden wichtige außereuropäische Länder wie Japan und die USA miteinbezogen, schneidet Deutschland noch schlechter ab als zu Beginn des Jahrtausends: So zahlen deutsche Unternehmen rund 41 Euro je Arbeitsstunde. In den USA sind es 33,5 Euro, in Japan 24,4 Euro. „Von Nachholbedarf kann also keine Rede sein“, sagt IW-Experte Christoph Schröder. „Wir sind schon jetzt deutlich teurer als das Ausland.“
Christoph Schröder: Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich
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