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Stabilitäts- und Wachstumspakt IW-Nachricht 13. September 2016

Regeln ernst nehmen

Wenn EU-Kommissionspräsident Juncker morgen seine jährliche Ansprache zur Lage der Union hält, wird er sich wahrscheinlich erneut für mehr Flexibilität bei den europäischen Fiskalregeln einsetzen – und so Forderungen südeuropäischer Staaten nachgeben. Doch damit würde Juncker das Image der EU weiter beschädigen.

Die südeuropäischen Staaten erhöhen weiter den Druck: Am vergangenen Wochenende trafen sich die Vertreter von sechs mediterranen EU-Staaten – darunter Frankreich, Italien und Griechenland – in Athen und forderten einmal mehr, die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes aufzuweichen. Sie positionieren sich damit klar gegen die Mehrheit der EU-Mitglieder in Nord- und Mitteleuropa.

Vor allem der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi verlangt mehr Spielraum in der Steuerpolitik. Vor der anstehenden Volksabstimmung über eine Verfassungsreform, mit der die Macht des Senats beschränkt werden soll, um künftig Reformen zu erleichtern, scheint Renzi noch schnell teure Wahlgeschenke verteilen zu wollen. Dabei hat Italien bereits seit 2015 von der flexibleren Auslegung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Umfang von 0,5 Prozent des BIP profitiert. Noch mehr Spielraum darf es nicht geben.

Doch Jean Claude Juncker könnte geneigt sein, den Forderungen nachzugeben – trotz erheblichen Widerstands in der Kommission selbst. Juncker würde damit zum wiederholten Male die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes aufweichen. Das ohnehin angeschlagene Image der EU in Nord- und Osteuropa würde weiter Schaden nehmen und die Union wieder einmal vor eine Zerreißprobe stellen. Zuletzt hat Juncker seinen Einfluss im Juli geltend gemacht, indem er sich gegen den Widerstand vieler EU-Staaten dafür einsetzte, dass die fiskalischen Verstöße von Spanien und Portugal nicht sanktioniert wurden.

Gerade wenn Politiker Wahlgeschenke verteilen wollen, erweisen sich verlässliche Fiskalregeln in der EU als unverzichtbar. Doch nicht nur aus politischen Gründen sind die Regeln des Paktes sinnvoll: Bei einem so hoch verschuldeten Land wie Italien – der Schuldenstand lag 2015 bei 2.172 Milliarden Euro oder 133 Prozent des BIP – reicht es nicht, wenn das öffentliche Defizit unter der Drei-Prozent-Marke liegt. Vielmehr muss Italien sehr bald einen ausgeglichenen Staatshaushalt bei normaler Konjunkturlage erreichen, wie es die Fiskalregeln vorsehen. Sonst hat das Land in der nächsten Krise keinen Spielraum, um ausreichende Konjunkturprogramme zu beschließen und so die Wirtschaft zu stabilisieren.

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