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(© Foto: Ingrid Holzki - Fotolia)
Hagen Lesch auf Radio Bremen Interview 23. Februar 2015

"Das sind keine üblichen Tarifverhandlungen"

In der Arbeitskampf-Rechtsprechung spielen die Interessen der Bahnkunden keine Rolle, sagte IW-Tarifexperte Hagen Lesch im Interview mit Radio Bremen. Wirtschaftliche Schäden würden dem Streikrecht untergeordnet.

Ist das noch normale Tarifverhandlung oder schon Balla-Balla?

Nein, das sind sicher keine üblichen Tarifverhandlungen – normal ist etwas anderes. Normalerweise laufen Tarifverhandlungen in der Tat etwas friedlicher ab. Allerdings muss man dazu sagen, dass die GDL ähnliche Tarifrunden schon hinter sich hat – sowohl 2007/08 bei der Deutschen Bahn als auch zwischen 2011 und 2012 bei den Privatbahnen des Personenschienen-Nahverkehrs – hat es ähnlich langwierige Tarifauseinandersetzungen gegeben.

Im Arbeitsrecht ist bei einem Streik der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festgelegt. Wie sehen Sie denn das mit der Verhältnismäßigkeit, wenn es nach so vielen Verhandlungen überhaupt keinen Zentimeter Bewegung gibt?

Gut, der Streik ist ja im Arbeitskampfrecht ein Mittel, um dem Abschluss eines Tarifvertrages näher zu kommen. Also wenn nichts mehr passiert auf dem Verhandlungswege, dann darf die Gewerkschaft das Scheitern erklären und dann als ultima ratio, als letztes Mittel, den Streik ausrufen. Nur in dieser Tarifrunde ist es ja so, wie Sie das schon gesagt haben, dass man mehrere Streikwellen hatte und auch diese Streikwellen nicht dazu geführt haben, dass man dem Abschluss näher kommt. Das Problem ist, dass man sich immer noch nicht weiter bewegt hat. Man redet ja immer noch mehr um formale Dinge und nicht um die reinen inhaltlichen Dinge, also um Lohn und Arbeitszeitfragen. Und das liegt einfach daran, dass wir hier eine Situation haben, in der zwei Gewerkschaften unabhängig von der Bahn verhandeln für dieselben Personengruppen und schlicht und ergreifend nicht bereit sind, miteinander zu kooperieren. Das macht die Schwierigkeiten, weil keiner in der Lage ist, die drei Interessen auszutarieren, wenn nicht alle drei auch an einem Tisch sitzen.

Wenn wir beide jetzt zum Bahnhof losziehen würden und Bahnkunden nach der Verhältnismäßigkeit fragen, können wir uns die Antwort natürlich vorstellen. Spielen deren Interessen überhaupt keine Rolle?

Nein, das ist ein Problem, das gerade bei Streiks in sensiblen Bereichen wie dem Verkehrssektor, in der Arbeitskampf-Rechtsprechung eigentlich kaum Berücksichtigung finden. Wir hatten das auch beim letzten großen Streik in November – da hatte die GDL ja 109 Stunden angekündigt – und der wurde auch vom Gericht als zulässig erachtet. Man darf durchaus auch mehrere Tage streiken als Bahngewerkschaft. Der Schaden der auch für die Industrie entsteht, durch den unterbrochenen Güterverkehr, als auch der Schaden der vielen Bahnkunden, der wird untergeordnet der Freiheit streiken zu dürfen.

Das heißt, es gibt kein Grundrecht auf Bahnfahren – und das ist auch gut so?

Das ist ja schon eine wichtige Infrastrukturleistung der Deutschen Bahn und wenn Sie den Flugverkehr nehmen, dann ist es ja ähnlich bei der Vereinigung Cockpit. Ich finde schon, da müsste eine gewisse Grundversorgung da sein. Deshalb gibt es ja auch Vorschläge von Juristen, dass man in der Daseinsvorsorge eine Arbeitskampfrechtsordnung verabschiedet, die genau das vorsieht, dass eine Minimalversorgung vorhanden ist, dass auch längere Ankündigungsfristen da sind und dass eben auch eine Schlichtung zwingend vorgeschaltet wird, wie sie jetzt auch die Bahn vorgeschlagen hat.

Zum Interview bei radiobremen.de

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