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(© Foto: yoh4nn/iStock)
Barbara Engels in der return Interview 14. September 2016

Mittelstand: "Digitalisierung ist ein klassisches Henne-Ei-Problem"

Anfang Oktober erscheint eine Metastudie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), welche dem deutschen Mittelstand ein wenig zufriedenstellendes Zeugnis ausstellt: Unternehmen müssten beim Thema Digitalisierung noch viel aufholen, verrät Barbara Engels vorab. Im return-Interview spricht die IW-Wissenschaftlerin für Digitalisierung über politische und wirtschaftliche Hemmnisse sowie die Vorreiterrolle von Start-ups.

Immer wieder heißt es: Wer den Trend der Digitalisierung verpasst, bleibt auf der Strecke. Wie gut ist der deutsche Mittelstand gewappnet?

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat im Rahmen einer Metastudie, die Anfang Oktober erscheinen wird, 46 Studien aus den vergangenen drei Jahren analysiert, die sich alle mit dem Status Quo der Digitalisierung im deutschen Mittelstand beschäftigen. Das Ergebnis ist erschreckend, aber leider nicht überraschend: Viele Unternehmen des deutschen Mittelstands haben leider noch nicht begriffen, dass sie an der Digitalisierung nicht vorbeikommen. Oft denken sie sich: Warum soll ich meine Produkte und Prozesse vernetzen, wenn mein Kunde sowieso per Fax bestellt? Das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem, welches den Mittelstand künftig Milliarden an potenziellen Umsätzen kosten kann.

Vor allem Traditionsunternehmen tun sich mit dem Wandel oft noch schwer. Was sind die größten Hemmnisse?

Gemäß unserer Studie sind hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit, ein hoher Investitionsbedarf und mangelndes Know-how die größten Hindernisse auf dem Weg zum digitalisierten Unternehmen. Je mehr und je intensiver Prozesse, Maschinen und Menschen miteinander verbunden sind, desto eher können sie angegriffen werden. Viele Mittelständler verfügen nicht über das notwendige Wissen und die Ressourcen, um zu identifizieren, wo Sicherheitsprobleme liegen und wie sie sich schützen können. Generell erfordert Digitalisierung besondere Kompetenzen in der Belegschaft, die massiv aus- und weitergebildet werden muss. Das erfordert hohe Investitionen, deren Ertrag derzeit schwer prognostizierbar ist.

Start-ups hingegen gelten in Sachen Digitalisierung als vorbildlich. Was kann der deutsche Mittelstand von den jungen Gründern lernen?

Start-ups sind per definitionem neuen Ideen und Technologien eher aufgeschlossen als der etablierte Mittelstand. Der Mittelstand kann von dieser Aufgeschlossenheit lernen, indem er mehr mit Start-ups kooperiert. Das berühmte „Out-of-the-box“-Denken der Start-ups, zusammen mit einer guten Prise Risikofreudigkeit, kann mittelständische Unternehmen aus der Reserve locken.

Um den digitalen Wandel zu meistern, braucht es nicht nur die Bereitschaft der Unternehmer. Auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Wie steht es um Deutschland als Digitalisierungsstandort im internationalen Vergleich?

Die Unternehmen leiden immer noch unter zu viel Rechtsunsicherheit. Deutschland könnte enorm davon profitieren, Teil des europäischen „Digitalen Binnenmarktes“ zu sein – wenn dieser nicht noch von so unterschiedlichen Regelungen geprägt wäre. Die EU-Datenschutzgrundverordnung, die 2018 zumindest teilweise die unterschiedlichen nationalen Gesetzgebungen harmonisieren wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir müssen noch viel weiter gehen.

Wo sehen Sie politischen Nachholbedarf?

Der Klassiker: Breitbandausbau. Glasfaser muss flächendeckend, also vor allem auch im ländlichen Raum, verlegt werden. Alles andere sind Pseudo-Lösungen, die langfristig keinen Bestand haben und den Anforderungen der Industrie 4.0 nicht gerecht werden. Ein anderes Manko ist die digitale Verwaltung: Wir müssen es Unternehmen noch viel einfacher machen, digital mit Behörden zu kommunizieren.

Zum Interview auf return-online.de

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