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(© Foto: SolStock/iStock)
Susanna Kochskämper auf n-tv.de Gastbeitrag 11. Mai 2017

Der falsche Fokus bei der Altersarmut

Wenn von Armut in Deutschland die Rede ist, geht es oft um Rentner. Dabei hat sich deren Lage in den vergangenen Jahrzehnten verbessert. Die wirklichen Problemgruppen sind ganz andere. Ein Gastbeitrag von Susanna Kochskämper, Wissenschaftlerin im Kompetenzfeld Soziale Sicherungssysteme des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Die zunehmende Altersarmut ist ein beliebtes Wahlkampfthema. Tatsächlich ist die Zahl der Menschen im Ruhestandsalter, die staatliche Grundsicherung beziehen, gestiegen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich ihre Zahl um knapp 200.000 erhöht. Dass Gesellschaft und Politik diese Betroffenen nicht aus dem Blick verlieren sollten, steht außer Frage. Aus diesem Befund heraus ein allgemein hohes Armutsrisiko für heutige Ruheständler abzuleiten, ist jedoch vorschnell. Denn der Anteil der Bezieher von Grundsicherung im Alter ist mit 3,1 Prozent immer noch vergleichsweise gering. Bei den unter 65-Jährigen erhalten fast zehn Prozent staatliche Grundsicherung.

Ebenfalls vorschnell ist es, aus diesem Befund abzuleiten, die Situation älterer Menschen in Deutschland sei insgesamt schlechter geworden. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Insgesamt hat sich die Einkommensposition der älteren Menschen in Deutschland in den vergangenen drei Jahrzehnten stark verbessert. Der Anteil der Personen im Ruhestandsalter, die zu den einkommensschwächsten Haushalten gehören, hat sich deutlich reduziert. Gehörten 1994 noch knapp 28 Prozent der über 65-Jährigen zum ärmsten Einkommensfünftel der Bevölkerung, waren es 2014 nur noch knapp 19 Prozent. Der Anteil der Ruheständler, deren Einkommen über dem Bevölkerungsdurchschnitt liegt, hat sich dagegen erhöht.

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Keine flächendeckende Verbreitung von Armut

Zudem hat die Gruppe der Älteren im Vergleich zu den Jüngeren im Durchschnitt höhere Einkommenszuwächse verzeichnet. Das bedarfsgewichtete Realeinkommen, bei dem das gesamte Haushaltseinkommen und die Zahl der Haushaltsmitglieder berücksichtigt werden, hat seit Beginn der 1990er Jahre bei den 55- bis 64-Jährigen, bei den 65- bis 74-Jährigen und bei den über 75-Jährigen am stärksten zugelegt. Alle drei Gruppen verzeichneten zwischen 1991 und 2014 im Durchschnitt Einkommenszuwächse von rund 25 Prozent. Keine andere Altersgruppe konnte mit dieser Entwicklung annähernd mithalten. Die Einkommenszuwächse der jüngeren Gruppen lagen bei unter zehn Prozent, bei den 25- bis 34-Jährigen sogar bei unter fünf Prozent.

Obwohl das Rentenniveau in der Vergangenheit gesunken ist - von gut 55 Prozent im Jahr 1970 auf knapp 48 Prozent im Jahr 2015 - kam es bisher nicht zu einer flächendeckenden Verbreitung von Armut im Alter. Die generelle wirtschaftliche Lebenssituation älterer Menschen hängt auch davon ab, ob sie neben der Rente über weiteres Einkommen verfügen - und davon, mit wem sie zusammenleben. Gerade in diesem Punkt hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verändert: Entgegen dem gesamtgesellschaftlichen Trend leben im Ruhestandsalter immer weniger Personen allein. Insbesondere bei den über 75-Jährigen hat sich der Anteil derer, die mit einem Partner zusammenwohnen, in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich erhöht. Da sich Partner gegenseitig unterstützen können und ein gemeinsamer Haushalt in der Regel günstiger ist, verbessert sich die wirtschaftliche Situation älterer Menschen.

Gießkannenprinzip ist keine Armutsprävention

Eine Politik, die nach dem Gießkannenprinzip alle heutigen Ruheständler beglücken möchte, mag daher zwar aus einem Wählerstimmenkalkül heraus sinnvoll sein. Geht es jedoch um echte Armutsprävention, liegt der Fokus auf der falschen Klientel. Neben der Gruppe der wirklich bedürftigen Ruheständler zeigen sich bereits heute problematische Entwicklungen in bestimmten jüngeren Altersgruppen. So ist die Armutsgefährdungsquote der unter 35-Jährigen in Ostdeutschland im vorhergehenden Jahrzehnt deutlich gestiegen. Alleinerziehende gehören ebenfalls nach wie vor zu der Gruppe, die am häufigsten von Armut betroffen ist. Der Schluss, dass sich diese Armutsgefährdung in jüngeren Lebensjahren in ein entsprechendes Armutsrisiko im Alter überträgt, ist zumindest naheliegend.

Das eigentliche Problem der Altersvorsorge liegt daher nicht in der Gegenwart, sondern in der Zukunft. Wenn Altersarmut zum Schlagwort im Wahlkampf verkommt und Alarmismus die öffentlichen Debatten beherrscht, besteht die Gefahr, dass der Fokus falsch gesetzt wird.

Zum Gastbeitrag auf n-tv.de

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