1. Home
  2. Presse
  3. In den Medien
  4. Corona und Krieg: So hoch sind die Verluste
Michael Grömling in Das Investment Gastbeitrag 24. November 2022

Corona und Krieg: So hoch sind die Verluste

Seit fast drei Jahren befindet sich die Wirtschaft im Krisenmodus. Ohne Pandemie und Krieg wäre die Wertschöpfung in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 um insgesamt 420 Milliarden Euro höher ausgefallen. Hohe Staatsausgaben wirkten diesen Verlusten zwar entgegen, beim privaten Konsum waren durch Lockdowns und inflationsbedingte Kaufkraftverluste jedoch Einbußen von rund 400 Milliarden Euro zu verzeichnen. Ein Gastbeitrag von IW-Konjunkturexperte Michael Grömling.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich aus dem unheilvollen Zusammenwirken von anhaltender Pandemie und dem Krieg in der Ukraine im nunmehr dritten Krisenjahr. Die globalen Produktionsnetzwerke leiden noch immer unter den pandemiebedingten Verspannungen. Die kriegsbedingten Versorgungsprobleme mit Energie und Rohstoffen sorgen für bislang ungekannte Kostenschocks. Zudem leidet die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in ihrer vollen Breite. Nach den Konsumeinschränkungen infolge der bisherigen Infektionswellen zehren nunmehr hohe Inflationsraten an der Kaufkraft der Haushalte. Angesichts anhaltend unsicherer Wirtschaftsperspektiven halten sich Unternehmen mit ihren Investitionen weiter zurück. Die Weltwirtschaft verliert wieder an Schwung und dies setzt dem deutschen Exportgeschäft zu.

Wie Pandemie und Krieg die Weltwirtschaft verändern

Infolge der unmittelbaren Pandemielasten und ihrer Folgewirkungen sowie durch den Krieg in der Ukraine haben sich mittlerweile hohe wirtschaftliche Kosten in Deutschland aufgebaut. Um diese Einbußen quantifizieren zu können, bieten sich zumindest zwei Perspektiven an: Zum einen kann ein Vergleich mit der Wirtschaftsleistung vor der Pandemie (etwa dem vierten Quartal 2019 oder dem Jahresdurchschnitt 2019) gewählt werden. Das Wirtschaftsleben hätte sich allerdings ohne die Pandemie und die Kriegslasten weiterentwickelt und wäre wahrscheinlich nicht auf dem Niveau von 2019 stagniert.

Um diese potenzielle Dynamik zu berücksichtigen, kann der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung ein kontrafaktischer Konjunkturverlauf gegenübergestellt werden (Grömling, 2022). Dabei wird von einem ökonomischen Umfeld ausgegangen, in dem es die Pandemie und den Krieg in der Ukraine sowie ihre jeweiligen ökonomischen Effekte nicht gegeben hätte. Aufbauend auf der IW-Prognose vom Dezember 2019 wird der damals erwartete Konjunkturverlauf für das Jahr 2020 unterstellt und diese Prognose wird dann für die beiden Jahre 2021 und 2022 mit einem Verlaufstempo fortgeschrieben, das sich an der trendmäßigen Konjunkturdynamik in der Vergangenheit orientiert.

Ein solche Gegenüberstellung von faktischem und kontrafaktischem Konjunkturverlauf liefert eine grobe Orientierung für die bislang aufgelaufenen Wirtschaftsverluste infolge der Pandemie und neuerdings durch den Krieg. Um den Charakter einer groben Orientierungsrechnung zu unterstreichen, werden gerundete Werte ausgewiesen. Demnach ergibt sich bislang in Deutschland ein Gesamtverlust an preisbereinigtem BIP in Höhe von 420 Milliarden Euro. Damit nähert sich das Ausmaß der gegenwärtigen Wertschöpfungsverluste jenen 500 Milliarden Euro infolge der globalen Finanzmarktkrise (Grömling et al., 2022). Die Abbildung veranschaulicht, wie sich die bisherigen Einbußen infolge von Pandemie und Krieg auf die Jahre und Quartale verteilen:

Auf das erste Corona-Jahr 2020 entfallen rund 175 Milliarden Euro, wobei allein 100 Milliarden aus dem starken Wirtschaftseinbruch im zweiten Quartal resultieren. Infolge der starken Erholung im dritten Quartal 2020 konnten die Wertschöpfungsausfälle zwar wieder in erheblichem Ausmaß reduziert werden, weitere Fortschritte wurden wegen der zweiten Infektionswelle jedoch nicht mehr erreicht. Für den gesamten Zeitraum muss berücksichtigt werden, dass der stark expandierende Staatskonsum den Einbußen bei der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und bei der damit verbundenen Wertschöpfung merklich entgegenwirkte.

Die erneuten wirtschaftlichen Einschränkungen infolge der Pandemie im Winter 2020/2021 führten vor allem im ersten Quartal 2021 zu deutlich ansteigenden Wirtschaftsausfällen. Hinzu kamen im Jahresverlauf die vorwiegend industriellen Produktionsprobleme infolge der weltweit gestörten Liefernetzwerke. Dies hatte eine fortschreitende Verminderung der Pandemiekosten ausgebremst, sodass für 2021 Einbußen gegenüber einer kontrafaktischen Konjunktur in Höhe von 125 Milliarden Euro geschätzt werden.

Nach den erneuten pandemiebedingten Einschränkungen im vierten Quartal 2021 kam es zunächst im ersten Quartal 2022 zu einer sichtlichen wirtschaftlichen Belebung, die jedoch mit der russischen Invasion in der Ukraine endete. Im Jahresverlauf 2022 schlugen sich weiterhin die pandemiebedingten Störungen der globalen Lieferketten negativ nieder. Dazu kommen die Kaufkraftverluste infolge der Kosten- und Preisschocks, sodass sich in den ersten drei Quartalen 2022 die tatsächliche Wirtschaftsentwicklung nur wenig dem hypothetischen Verlauf ohne Pandemie und Krieg annäherte. Auf Basis der kontrafaktischen Setzung und der IW-Prognose für das vierte Quartal 2022 werden aber wieder deutlich ansteigende Produktionsausfälle zu verzeichnen sein. Insgesamt belaufen sich die Kosten von Pandemie und Krieg im Jahr 2022 auf 120 Milliarden Euro.

Zum Gastbeitrag auf dasinvestment.com

Mehr zum Thema

Artikel lesen
Computerprogrammierer arbeitet an neuem Softwareprogramm.
Stefanie Seele IW-Kurzbericht Nr. 39 24. Juni 2024

Trotz schwacher Konjunktur: Betriebe möchten teils mehr Personal einstellen

Jeder achte Betrieb plant, die Beschäftigung auszubauen, obwohl ein gleichbleibendes oder sogar sinkendes Produktionsniveau erwartet wird. Das offenbart die IW-Konjunkturumfrage im Frühjahr 2024.

IW

Artikel lesen
Michael Grömling / Stefanie Seele IW-Report Nr. 27 21. Mai 2024

Determinanten der Personalplanung in Deutschland

Der deutsche Arbeitsmarkt ist seit dem Jahr 2005 auf Wachstumskurs. Eine Ausnahme bildet die Corona-Delle zwischen 2020 und 2022. Schon im Jahr 2023 erreichte der deutsche Arbeitsmarkt die neue Rekordmarke von fast 46 Millionen Erwerbstätigen.

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880