Die weltpolitischen Unsicherheiten setzen der deutschen Wirtschaft besonders zu, schreibt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling zur aktuellen Konjunkturampel des Instituts der deutschen Wirtschaft in den VDI-Nachrichten.
Konjunkturampel: Im globalen Sog
Die wirtschaftlichen Perspektiven für die deutsche Wirtschaft bleiben schwach. Die Inflation setzt weiter dem Konsum zu. Die IW-Konjunkturampel signalisiert das historisch niedrige Konsumvertrauen. Die Investitionen werden vom allgemein schwachen Wirtschaftsumfeld, den höheren Zinsen und den geopolitischen Verunsicherungen belastet.
Bei den realen Ausrüstungsinvestitionen wird für dieses Jahr zwar ein Zuwachs von gut mehr als 3 % erwartet. Dies markiert aber nur eine Normalisierung nach der schlechten Entwicklung in den vergangenen drei Jahren. Die Investitionen in Maschinen, Fahrzeuge und Geschäftsausstattungen liegen damit immer noch um 1,5 % unter ihrem Niveau von 2019. Der deutsche Außenhandel bekommt das schwache globale Umfeld deutlich zu spüren: Das Exportvolumen wird wohl um 1 % niedriger als im Vorjahr ausfallen.
„Deutschland verharrt seit vier Jahren in der Schockstarre.“
Diese Lasten wiegen schwer auf der Industrie und der Bauwirtschaft. Trotz eines Lichtblicks bei den Aufträgen, bleibt die Industrieproduktion hinter ihrem Potenzial zurück. Auch die Einkaufsmanager verharren im Pessimismus. Die leicht expandierenden Dienstleister können nicht verhindern, dass die gesamtwirtschaftliche Leistung im Jahr 2023 um ein halbes Prozent sinkt und damit zum Jahresende 2023 gerade einmal auf dem Niveau von Ende 2019 liegt. Da auch das damalige Jahr vom Stillstand geprägt war, ist Deutschland nunmehr seit vier Jahren in der Schockstarre.
Einerseits sind die Folgen des Angebotsschocks durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine geringer geworden. Die Versorgungsrisiken bei Energie und Rohstoffen sowie die damit verbundenen Preisanstiege sind geringer geworden. Andererseits bleibt die geopolitische Lage angespannt.
So ist ein Ende der russischen Invasion in der Ukraine nicht in Sicht. Angesichts Chinas weltpolitischer Haltung und der undurchsichtigen Position einer Reihe von Schwellenländern erscheinen die freien Zugänge zu Rohstoffen und Energie gefährdet, ebenso das Funktionieren globaler Lieferketten und wichtiger Absatzmärkte.
Die Weltwirtschaft gerät in den Sog dieser geopolitischen Unwägbarkeiten und deren ökonomischen Kollateralschäden. Der Welthandel wird in diesem Jahr nur um 1 % ansteigen. Das ist im historischen Vergleich sehr schwach.
Die Weltproduktion wird 2023 allenfalls um 2,5 % zulegen – das ist rund 1 Prozentpunkt weniger als im Durchschnitt der letzten Dekaden. In einem solch schwachen globalen Umfeld tut sich die deutsche Wirtschaft generell schwer. Aufgrund ihrer hohen Exportquote leidet sie überdurchschnittlich unter geoökonomischen Schocks und einer sich abschwächenden Weltwirtschaft. Vor allem der im internationalen Vergleich hohe Anteil an Investitionsgüterproduktion macht sie anfällig für globale Investitionsschwächen. Die schon wegen des Bevölkerungswachstums und der Anpassungen an den Klimawandel dringend notwendige Investitionstätigkeit krankt rund um den Globus unter den politischen Zuständen. Zudem bekommt die deutsche Wirtschaft mit ihrem im internationalen Vergleich hohen Industrieanteil die Versorgungsrisiken und Kostenschocks stärker zu spüren als andere Volkswirtschaften.
Das gilt besonders für die energieintensiven Industrien, die eine wichtige Basis für die stark arbeitsteilig aufgestellten Industrieprozesse, aber auch für die globale Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern sind.
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IW
Ohne Schwung
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