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Jürgen Matthes auf handelsblatt.com Gastbeitrag 22. März 2013

Wie die Zypern-Rettung gelingen kann

Die Zeit für Zypern wird knapp: Bis Montag muss ein Rettungsplan vorliegen, schreibt IW-Ökonom Jürgen Matthes auf Handelsblatt.com. Derzeit kursieren viele Lösungsvorschläge. Doch nicht jede Idee ist geeignet, den taumelnden Krisenstaat vor dem Absturz zu bewahren.

Zyperns Parlament hat die Blaupause für die Rettung des Landes abgelehnt und sucht nun nach einem Plan B. Manche vermuten, hier würde hoch gepokert. Und in der Tat sollte die Eurogruppe sich nicht erweichen lassen. Denn der Eigenanteil von 5,8 Milliarden Euro am Hilfspaket, den die Eurogruppe einfordert, ist vor allem aus zwei Gründen gerechtfertigt:

Erstens würde ohne ihn der zypriotische Staat durch die nötige Bankenrettung überschuldet sein. Der IWF würde sich dann verabschieden und eigentlich dürften auch die Eurostaaten einem insolventen Staat keine Liquiditätshilfen gewähren.

Zypern hat zum anderen sein Geschäftsmodell auf ein deutlich überdimensioniertes Bankensystem aufgebaut und ist damit bewusst Risiken eingegangen. Wie bei jeder Versicherung ist auch bei der Hilfe der Europartner eine Selbstbeteiligung nötig.

Zwar sind die zypriotischen Banken nicht zuletzt durch den griechischen Schuldenschnitt ins Wanken geraten. Doch wohl auch deshalb will die Eurogruppe Zypern ja auch ein Hilfspaket gewähren, obwohl man begründete Zweifel an der Systemrelevanz des Landes haben kann. Wenn die Finanzstabilität der Eurozone bei einer Zypernkrise nicht als gefährdet angesehen werden muss, gäbe es eigentlich auch keine Rechtfertigung für ein Hilfspaket. Zypern kann also eigentlich sehr froh über das Entgegenkommen sein.

Die Europartner sollten auch deshalb hart bleiben, weil sie ansonsten die gesamte Rettungsstrategie gefährden, die ja darauf aufbaut, dass Hilfen nur gegen sinnvoll Auflagen vergeben werden. Wenn klar ist, dass man sich nur lange genug stur stellen muss, bis die Eurogruppe einknickt, wäre das ein fatales Signal – und eine Einladung an die anderen Krisenländern, diese Strategie auch zu verfolgen.

Es ist nun höchste Zeit, einen Plan B zu entwickeln, mit dem Zypern an die 5,8 Milliarden Euro Eigenanteil kommt. Denn die Europäische Zentralbank kann ihre Notkredite, auf die die zypriotischen Banken angewiesen sind, nur solange aufrechterhalten, wie ein Hilfspaket für die Banken realistisch erscheint. Wenn es ausbleibt, würde sie den Hahn zudrehen müssen und der Großteil des zypriotischen Bankensystems wäre insolvent.

Die Sparer würden dann wohl noch mehr Geld verlieren als bei der ursprünglich angedachten Zwangsabgabe. Diese auch auf Kleinsparer auszudehnen hat zu Recht viel Kritik auf sich gezogen, weil damit das Versprechen der Einlagengarantie bis 100.000 Euro in der EU auch über Zypern hinaus unglaubwürdig werden könnte.

Es gibt durchaus alternative Lösungen. So wird eine ganze Reihe von Möglichkeiten diskutiert: von Krediten aus Russland oder von der wohlhabenden zypriotischen Kirche über die Befreiung von Kleinsparern von der Zwangsabgabe bis hin zu einer Insolvenz der großen zypriotischen Banken.

Manche dieser Lösungen helfen aber nicht oder sie helfen nur sehr begrenzt weiter. So würden Kredite aus Russland oder der zypriotischen Kirche an den Staat den öffentlichen Schuldenstand erhöhen. Das widerspricht jedoch dem Ziel des Eigenbeitrages, die Staatsverschuldung weiter tragfähig zu halten. Der IWF würde bei einer solchen Lösung wohl von Bord gehen, was unbedingt zu verhindern ist.

Eine größere Erhöhung der Unternehmenssteuern – etwa auf 20 Prozent statt nur auf 12,5 Prozent (von den jetzigen extrem niedrigen 10 Prozent) – wäre zwar sinnvoll. Doch dürften die Einnahmen nicht ausreichen, nicht zuletzt wegen der rezessiven Wirtschaftslage.

Auch die Beteiligung von bevorrechtigten Bankgläubigern würde nach Expertenmeinung bei weitem nicht ausreichen, weil es davon schlichtweg zu wenige gibt. Außerdem würden davon ähnlich schädliche Wirkungen ausgehen, wie von dem Bruch der Einlagensicherungsgarantie für Sparer bis 100.000 Euro.

Privatisierungserlöse sind ohnehin schon im Hilfspaket eingeplant und lassen sich in aller Regel nicht schnell erzielen. Und die Verpfändung von zukünftigen Einnahmen aus Erdgasfeldern erscheint rechtlich kaum verlässlich gestaltbar.

Einen idealen Plan B gibt es nicht, aber immerhin eine Reihe von Vorschlägen, die in die richtige Richtung gehen, die allerdings auch unterschiedliche Nachteile haben:

Kleinsparer mit Bankguthaben unter 100.000 Euro könnten komplett von der Zwangsabgabe befreit und nur Großanleger für ihre Einlagen, die über diesen Betrag hinausgehen, mit einem höheren Prozentsatz beteiligt werden. Experten gehen davon aus, dass dabei eine Quote von rund 15 Prozent ausreichen sollte, genaue Daten liegen hier aber nicht vor.

Die Zwangsabgabe sollte dabei in Bankanteile umgewandelt werden, die mit einer längeren Haltefrist versehen werden. Damit könnte man zugleich die Eigenkapitalbasis der Banken stärken. Nachteil dieser Lösung ist – wie auch der bisherigen Zwangsabgabe, dass es zu einem starken Bank-Run kommen könnte, der das Bankensystem Zyperns auf ungeordnete Weise in die Knie zwingen würde und die Situation eskalieren ließe.

Daher gibt es auch den Vorschlag, die schwankenden Großbanken gleich in eine geordnete Insolvenz gehen zu lassen. Damit käme man der Auflage, den zypriotischen Bankensektor bis 2018 um rund die Hälfte schrumpfen zu lassen, schnell sehr viel näher. Dem stemmt sich die Regierung aber offenbar entgegen. Wohl auch, weil die Verluste für Großanleger in diesem Fall sehr viel größer wären und das zypriotische Geschäftsmodell quasi über Nacht dahin wäre.

Gravierender noch ist, dass die mit dieser Lösung verbundenen Verluste der Anleger bis 100.000 Euro aufgrund der Einlagengarantie vor allem vom zypriotischen Staat aufzufangen wären - abgesehen von dem nationalen Einlagensicherungsfonds der Banken, der bei weitem nicht ausreichen dürfte. Wenn der Staat diese Garantie aufrechterhielte, würde das wegen der immensen Höhe dieser Einlagen im Vergleich zur Wirtschaftsleistung Zyperns wohl zur Überschuldung führen – was ja mit dem Hilfspaket gerade verhindert werden soll. Ein Schuldenschnitt wäre nötig, würde aber verhindern, dass die EZB weiterhin zypriotische Staatsanleihen als Sicherheiten für die Refinanzierungskredite an die zypriotischen Banken akzeptieren kann. Das würde das Bankensystem über Nacht in die ungeordnete Insolvenz gleiten lassen.

Um die Belastung der Großanleger durch eine Zwangsumwandlung eines Teils ihrer Einlagen (in lang zu haltende Bankaktien) zu mindern, könnte auch auf die Privatvermögen wohlhabender Zyprioten zurückgegriffen werden. Nach Angaben von Eurostat war das konsolidierte Nettogeldvermögen im Vergleich zur Wirtschaftsleistung im Jahr 2010 in Zypern mit rund 130 Prozent der Wirtschaftsleistung sogar etwas höher als in Deutschland. Eine 10-prozentige einmalige Vermögensabgabe, die ebenfalls in Bankanteile umgewandelt wird, würde damit schätzungsweise immerhin gut 2,3 Milliarden Euro einbringen. Diese Abgabe schnell umzusetzen, ist aber technisch nicht ganz einfach.

Die wohl charmanteste Lösung – vorgebracht von Mitu Gulati und Lee C. Buchheit – wäre die Schaffung von Einlagenzertifikaten in Kombination mit einer Streckung der Rückzahlungsfristen der zypriotischen Staatsanleihen um fünf Jahre. Bei den Einlagenzertifikaten würden sämtliche Einlagen über 100.000 Euro in zinstragende Berechtigungsscheine mit einer (wählbaren) Mindestlaufzeit von fünf oder zehn Jahren umgewandelt werden. Das Ziel dabei: die Abwanderung dieser Gelder und damit die drohende Insolvenz der betroffenen Banken zu verhindern.

Diese Einlagenzertifikate könnten sogar frei handelbar sein, so dass Anleger ihr Exposure vermindern können, wenn sie einen Käufer finden. Die Streckung der Rückzahlungsfristen der Staatsanleihen hat das Ziel, den Hilfskreditbedarf des ESM zu mindern. Zur technischen Umsetzung machen Gulati und Buchheit, die Experten für Staatsbankrotte sind, konkrete Vorschläge.

Zudem könnte die EZB - anders als bei einem Schuldenschnitt - die zypriotischen Staatsanleihen weiter als Sicherheiten akzeptieren.

Zum Gastbeitrag auf Handelsblatt.com

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