1. Home
  2. Presse
  3. In den Medien
  4. Mindestlohn belastet den Arbeitsmarkt
Zeige Bild in Lightbox Mindestlohn belastet den Arbeitsmarkt
(© Foto: YakobchukOlena/iStock)
Christoph Schröder in der Fuldaer Zeitung Gastbeitrag 29. Dezember 2016

Mindestlohn belastet den Arbeitsmarkt

Zwei Jahre nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zieht Christoph Schröder, Experte für Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung eine ernüchternde Bilanz.

Die Arbeitslosigkeit ist mit 2,7 Millionen so niedrig wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr und das Wirtschaftswachstum hat sich, wenngleich das Tempo nicht atemberaubend sind, auch 2016 als erstaunlich robust erwiesen. Deutschland ist also zwei Jahre nach Einführung des Mindestlohns ökonomisch keineswegs kollabiert. Viel Lärm um nichts also?

Tatsächlich sind die Effekte sowohl im Positiven wie auch im Negativen bisher schwächer als vielfach erwartet oder befürchtet. So sind mit der Einführung des Mindestlohns im Januar 2015 einerseits sogar merklich mehr zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstanden als üblich, andererseits gingen aber auch deutlich mehr Minijobs verloren. Nach einer aktuellen Schätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat es negative Beschäftigungseffekte vor allem durch ausgebliebene Einstellungen gegeben: Ohne Mindestlohn hätte es 60.000 zusätzliche Stellen geben können.

Zurückgegangen ist auch die Arbeitszeit der Minijobber und zwar in Ostdeutschland um gut 5 Prozent und in Westdeutschland um knapp 3 Prozent. Besonders deutlich war er Arbeitszeitrückgang dort, wo mit Einführung des Mindestlohns sonst die Verdienstgrenze von 450 Euro überschritten worden wäre.

Ein Argument für die Einführung des Mindestlohns war es auch, dass jeder in der Lage sein sollte, von seiner Arbeit ohne weitere staatliche Unterstützung zu leben. Tatsächlich ist aber die Zahl der Aufstocker – also derjenigen Personen, die zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit Arbeitslosengeld II beziehen – kaum zurückgegangen. Nach Aussagen des IAB-Direktors Möller sind es weniger als 20.000 Personen, die speziell durch den Mindestlohn nicht mehr auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. In Relation zu der Gesamtzahl der Aufstocker von gut 1 Million also ein sehr geringer Anteil.

Dies liegt zum einen daran, dass die meisten Aufstocker lediglich teilzeitbeschäftigt sind und daher selbst ein sehr hoher Mindestlohn nicht ausreichen würde, um als Alleinstehender ohne Arbeitslosengeld II auszukommen. Das Gleiche gilt für Vollzeitbeschäftigte, die alleine eine Familie versorgen müssen. Aber selbst von den 60.000 alleinlebenden Vollzeitbeschäftigten konnte der Mindestlohn nur für jeden dritten den Bezug von Arbeitslosengeld II entbehrlich machen. Auch auf die Quote der Personen in relativer Einkommensarmut dürfte der Mindestlohn daher nur einen sehr geringen Einfluss haben.

Dennoch ist der Mindestlohn nicht ohne Wirkung geblieben. Dies zeigt sich zum einen in den gestiegenen Löhnen beispielsweise für Un- und Angelernte in Ostdeutschland, aber zum anderen auch in gestiegenen Preisen in manchen vom Mindestlohn besonders betroffenen Bereichen. So haben sich beispielsweise Taxifahrten im Jahr 2015 um 12 Prozent verteuert. Steigende Preise mindern aber die Kaufkraft und damit die Nachfrage insgesamt, so dass es auch in nicht direkt vom Mindestlohn betroffenen Bereichen zu Beschäftigungsverlusten kommen kann.

Unstrittig ist außerdem, dass durch den Mindestlohn die Lohnstruktur gestaucht wurde. Einfache Arbeit ist also auch relativ in Vergleich zu qualifizierter Arbeit teurer geworden. Dies kann dazu führen, dass einfache Arbeit im nächsten Abschwung besonders von Entlassungen gefährdet ist. Mit der Flüchtlingswelle sind zudem noch zusätzliche Personen nicht zuletzt in diesem Arbeitsmarktsegment zu integrieren. Bei weiteren Erhöhungen des Mindestlohns sollten auch diese Aspekte berücksichtigt werden.

Mehr zum Thema

Artikel lesen
In vielen Bereichen fehlen bereits jetzt Fachkräfte. Eine 4-Tage-Woche würde das Problem verschärfen.
Holger Schäfer IW-Nachricht 18. Oktober 2024

Vier-Tage-Woche: Ein Experiment ohne Erkenntnisse

Ein groß angelegtes Experiment zeigt die angeblichen Vorteile einer Vier-Tage-Woche. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich jedoch: Viele Thesen der Befürworter der Vier-Tage-Woche sind durch die Ergebnisse nicht gestützt.

IW

Artikel lesen
Holger Schäfer/ Stefanie Seele / Oliver Stettes Gutachten 18. Oktober 2024

Produktivität und Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich

Wöchentliche Arbeitszeiten von 60 oder 70 Stunden waren Ende des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit. Im Jahr 1891 wurde die Sechstagewoche für Arbeiter Gesetz. Mittlerweile gilt eine werktägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden. Sie kann jedoch in ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880