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Wido Geis IW-Kurzbericht Nr. 65 4. September 2017 Familien in Deutschland: Veränderte Verhältnisse

Immer mehr Kinder wachsen nicht bei beiden Elternteilen auf. 26,1 Prozent der zwischen 1996 und 1998 Geborenen wurden in den ersten 15 Lebensjahren zumindest zeitweise von einem Elternteil allein erzogen. Weitere 10,8 Prozent haben eine Zeit lang in Stieffamilien und 1,7 Prozent komplett getrennt von ihren leiblichen Eltern gelebt.

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Veränderte Verhältnisse
Wido Geis IW-Kurzbericht Nr. 65 4. September 2017

Familien in Deutschland: Veränderte Verhältnisse

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Immer mehr Kinder wachsen nicht bei beiden Elternteilen auf. 26,1 Prozent der zwischen 1996 und 1998 Geborenen wurden in den ersten 15 Lebensjahren zumindest zeitweise von einem Elternteil allein erzogen. Weitere 10,8 Prozent haben eine Zeit lang in Stieffamilien und 1,7 Prozent komplett getrennt von ihren leiblichen Eltern gelebt.

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Die Familienkonstellationen, in denen Kinder in Deutschland aufwachsen, haben sich in den letzten Jahren zunehmend verändert. Lebten den Ergebnissen des Mikrozensus zufolge im Jahr 1996 noch 83,9 Prozent der Minderjährigen bei einem verheirateten Elternpaar, sank dieser Anteil bis 2015 um über 10 Prozentpunkte auf nur noch 72,8 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der bei Alleinerziehenden lebenden Kinder zwischen 1996 und 2015 von 11,9 auf 17,9 Prozent. Auch der Anteil der Kinder bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nahm von 4,2 auf 9,3 Prozent zu (Statistisches Bundesamt, 2016).

Dabei ist der Anteil der Kinder bei Alleinerziehenden und nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften in Ostdeutschland deutlich höher als im Westen, wie der in der Abbildung dargestellte Ländervergleich zeigt. Auch ist Alleinerziehung in den großen Städten mit 500.000 Einwohnern mit einem Anteil von 23,4 Prozent im Jahr 2015 deutlich häufiger als in kleinen Orten mit unter 5.000 Einwohnern mit 13,3 Prozent und ein Aufwachsen bei einem verheirateten Paar mit 65,4 gegenüber 77,1 Prozent deutlich seltener. Gleichzeitig leben Zuwandererkinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit mit einem Anteil von 78,0 Prozent deutlich häufiger bei einem verheirateten Elternpaar als deutsche Kinder mit 72,4 Prozent und Alleinerziehung ist bei ihnen mit 16,7 gegenüber 18,0 Prozent seltener.

Allerdings ist anzumerken, dass es sich bei einem verheirateten Elternpaar nicht unbedingt um beide leiblichen Eltern handeln muss. Auch eine verheiratete Stieffamilie ist möglich. Inwiefern dies der Fall ist, lässt sich auf Basis der amtlichen Statistik nicht ermitteln, da die entsprechenden Angaben fehlen. Daher wurden für den vorliegenden Kurzbericht die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (Wagner et al., 2007) ausgewertet, das 17-Jährige retrospektiv befragt, wie viele Jahre sie während ihrer ersten 15 Lebensjahre bei beiden Elternteilen, bei einem alleinerziehenden Elternteil, bei Stieffamilien und außerhalb der Kernfamilie, also bei Verwandten, in Pflegefamilien oder Heimen verbracht haben. Bei der Erstellung des Berichts lagen Daten bis zum Jahr 2015 bzw. bis zum Geburtsjahrgang 1998 bei den 17-Jährigen vor. Um eine ausreichende Beobachtungszahl zu erreichen, wurden die jüngsten drei Jahrgänge 1996 bis 1998 zusammen betrachtet, sodass Werte für 1.567 Personen vorliegen.

Aufwachsen bei beiden Elternteilen

Mit 70,4 Prozent haben über zwei Drittel der in diesen Jahren geborenen jungen Menschen ihre ersten 15 Lebensjahre vollständig bei Mutter und Vater verbracht. Nur 5,3 Prozent haben nie bei beiden Elternteilen gelebt. Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen Einheimischen- und Migrantenfamilien. So haben 80,0 Prozent der Kinder von Ausländerinnen, aber nur 68,9 Prozent der Kinder von Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit die ersten 15 Lebensjahre bei beiden Elternteilen verbracht. In Ost- und Westdeutschland sind hingegen mit Anteilen von 68,3 Prozent (Ost) und 70,6 Prozent (West) trotz der oben dargestellten Unterschiede bei den Familienformen den Angaben im Sozio-oekonomischen Panel zufolge nahezu gleich viele Kinder komplett bei beiden Elternteilen aufgewachsen.

Differenziert man nach dem Bildungshintergrund der Eltern zeigen sich leichte Unterschiede. 72,2 Prozent der Kinder von beruflich qualifizierten Mütter haben die ersten 15 Lebensjahre bei beiden Elternteilen gelebt, wohingegen die Anteile bei 69,7 Prozent für Kinder von Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss und 67,5 Prozent für Kinder von Akademikerinnen liegen. Betrachtet man nur die Kinder deutscher Mütter ändert sich das Bild deutlich. Dann findet sich mit 59,5 Prozent der geringste Anteil bei Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss, gefolgt von Mütter mit Hochschulabschluss mit 66,0 Prozent und Müttern mit beruflichem Abschluss mit 71,9 Prozent.

Phasen der Alleinerziehung

Eine Phase der Alleinerziehung hat in den ersten 15 Lebensjahren mit 26,1 Prozent rund ein Viertel der zwischen 1996 und 1998 Geborenen erlebt. 3,1 Prozent haben in dieser Zeit ausschließlich bei Mutter oder Vater gelebt. Im Durchschnitt dauerte die Alleinerziehung bei jungen Menschen, die einer oder mehrere solcher Phasen bis zum 16. Geburtstag erlebt haben, insgesamt 7,3 Jahre. Dabei ist der Anteil junger Menschen mit Alleinerziehungsphasen bei Müttern mit ausländischer Staatsangehörigkeit mit 19,3 Prozent deutlich geringer als bei deutschen Müttern mit 27,1 Prozent.

Differenziert man erneut nach Bildungsniveau der Mütter, sind die Anteile der Kinder die eine Alleinerziehungsphase durchlebt haben, bei beruflich qualifizierten Müttern mit 24,8 Prozent am niedrigsten, gefolgt von Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss mit 26,3 Prozent und Mütter mit Hochschulabschluss mit 27,6 Prozent. Betrachtet man nur Kinder von deutschen Müttern liegt der Anteil bei Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss mit 34,8 Prozent bei über einem Drittel, beträgt bei Müttern mit Hochschulabschluss 28,5 Prozent und bei Mütter mit beruflichem Abschluss 24,9 Prozent. Dabei unterscheidet sich allerdings die durchschnittliche Dauer der Alleinerziehung deutlich. Diese liegt bei allen Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss bei 7,7 Jahren und bei Müttern mit beruflichem Abschluss bei 7,3 Jahren, bei Müttern mit Hochschulabschluss jedoch nur bei 6,1 Jahren.

Phasen in Stieffamilien

Mit 10,8 Prozent hat rund jeder Zehnte der zwischen 1996 und 1998 Geborenen einen Teil der ersten 15 Lebensjahre in einer Stieffamilie, also mit Mutter und neuem Partner der Mutter oder Vater und neuer Partnerin des Vaters verbracht. In Durchschnitt dauerte die Lebensphase in der Stieffamilie bis zum 16. Geburtstag 7,0 Jahre. Bei Müttern mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist der Anteil der jungen Menschen mit Phasen in Stieffamilien mit 2,8 Prozent sehr niedrig, während er bei den Deutschen bei 12,3 Prozent liegt.

Differenziert man nach Bildungsniveau der Mütter, sind die Anteile der Kinder die zumindest teilweise in Stieffamilien gelebt haben, bei Müttern mit Hochschulabschluss mit 18,2 Prozent bzw. 19,3 Prozent bei deutschen Müttern am höchsten. Bei Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss liegen sie insgesamt bei 9,4 Prozent und bei 14,5 Prozent, wenn nur die Kinder deutscher Mütter berücksichtigt werden. Bei Müttern mit beruflichem Abschluss liegen sie bei 9,5 bzw. 10,1 Prozent. Die durchschnittliche Dauer des Lebens in Stieffamilien liegt bei Müttern mit Hochschulabschluss und ohne berufsqualifizierenden Abschluss mit 7,5 Jahren und 7,8 Jahren auf ähnlichem Niveau und bei Mütter mit beruflichem Abschluss mit 6,6 Jahren etwas niedriger.

Phasen außerhalb der Kernfamilie

1,7 Prozent der zwischen 1996 und 1998 Geborenen haben einen Teil ihrer ersten 15 Lebensjahre außerhalb der Kernfamilie bei weiteren Verwandten, Pflegefamilien oder in Heimen verbracht. Im Schnitt dauerte die Phase außerhalb der Kernfamilie dabei 6,0 Jahre. Allerdings betrifft dies fast nur Kinder aus bildungsferneren Elternhäusern. Bei Müttern ohne berufsqualifizierenden Abschluss liegt der entsprechende Anteil bei 4,8 Prozent bzw. 5,4 Prozent bei deutschen Müttern, während er bei Müttern mit beruflichem Abschluss 1,2 Prozent beiträgt und bei Müttern mit Hochschulabschluss nahe Null ist.

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Wido Geis: Viele junge Menschen erleben Alleinerziehung und Stiefeltern

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