In den Jahren zwischen 2012 und 2016 wurden insgesamt 551.000 Personen eingebürgert. Über ein Fünftel davon waren Türken. Dabei leben die meisten dieser Personen bereits sehr lange in Deutschland. Obschon eine Einbürgerung rechtlich bereits nach acht Jahren möglich ist, lag die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 2016 bei 17 Jahren.
Einbürgerungen: Über eine halbe Million neue Deutsche in fünf Jahren
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
In den Jahren zwischen 2012 und 2016 wurden insgesamt 551.000 Personen eingebürgert. Über ein Fünftel davon waren Türken. Dabei leben die meisten dieser Personen bereits sehr lange in Deutschland. Obschon eine Einbürgerung rechtlich bereits nach acht Jahren möglich ist, lag die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 2016 bei 17 Jahren.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Den Zahlen des Ausländerzentralregisters zufolge sind in den 10 Jahren von 2007 bis 2016 insgesamt 4,28 Millionen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit mehr aus dem Ausland nach Deutschland zugewandert, als das Land verlassen haben (Statistisches Bundesamt, 2017a). Dabei beginnt mit Einreise und Wahl eines ersten Wohnorts in der Regel zunächst ein langer Prozess des Ankommens in Deutschland. An seinem Ende steht zumeist die Frage, ob die zugewanderten Personen ganz Deutsche werden und die Staatsbürgerschaft annehmen wollen, was vor allem im Hinblick auf die Teilhabe an politischen Entscheidungen im Land von Bedeutung ist.
Zwischen 2007 und 2016 wurden insgesamt 1,06 Millionen Ausländer eingebürgert, 551.000 davon in den fünf Jahren zwischen 2012 und 2016. Dabei lag der Wert im Jahr 2012 mit 112.000 sogar noch leicht höher als 2016 mit 110.000 (Statistisches Bundesamt, 2017b). Die größte Gruppe unter den zwischen 2012 und 2016 Eingebürgerten stellten mit einem Anteil von 21,7 Prozent Personen mit (vormals) türkischer Staatsbürgerschaft (Abbildung). Dies ist nicht verwunderlich, da 2012 noch nahezu jeder vierte Ausländer in Deutschland Türke war. Auf die Einwanderer aus EU-Ländern entfallen zusammen 23,5 Prozent der Einbürgerungen zwischen 2012 und 2016. Ihr Anteil ist allerdings über die Zeit deutlich angestiegen ist und lag 2016 bereits bei 29,0 Prozent.
Um diese Zahlen richtig einordnen zu können, ist ein Blick auf das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht notwendig. Bis zum Jahr 2000 folgte dies ausschließlich dem Abstammungsprinzip. Das besagt, dass ein Kind deutscher Eltern unabhängig vom Geburtsort immer und ein Kind ausländischer Eltern nie von Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern mussten also grundsätzlich eingebürgert werden, um Deutsche zu werden. Eine Sonderstellung nahmen und nehmen Personen mit deutschen Wurzeln aus den ehemaligen kommunistischen Ländern Osteuropas ein, die unter bestimmten Bedingungen als Spätaussiedler nach Deutschland kommen und unmittelbar bei Einreise die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Zeitweise wurden diese Personen formal eingebürgert, seit dem Jahr 2000 erhalten sie die Staatsangehörigkeit jedoch über einen anderen Rechtsakt. Während der Zuzug von Spätaussiedlern und ihren Familien für das Wanderungsgeschehen in den Jahren nach der Wende prägend war, kamen in den Jahren von 2007 bis 2016 insgesamt nur noch 36.000 Personen (Bundesverwaltungsamt, 2017). Die Zahl dürfte in den nächsten Jahren weiter zurückgehen, da Personen, die erst nach 1992 geboren worden sind, den Status als Spätaussiedler grundsätzlich nicht mehr erhalten können.
Mit der Reform des Staatangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 ist zum Abstammungsprinzip eine Geburtsortkomponente hinzugekommen. Seitdem haben auch in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern von Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil mindestens seit acht Jahren in Land lebt und sich unbefristet im Land aufhalten darf, also etwa eine Niederlassungserlaubnis hat oder als EU-Bürger freizügigkeitsberechtigt ist. Allerdings galt bis Dezember 2014 für diese Kinder die sogenannte Optionspflicht, die besagte, dass sie sich im Erwachsenenalter zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden mussten. Seitdem können sie, sofern sie in Deutschland aufgewachsen sind und leben, auch beide Staatsangehörigkeiten behalten.
Möchte ein Ausländer sich in Deutschland einbürgern lassen, muss er eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen: So muss er über Deutschkenntnisse auf dem B1-Niveau verfügen, einen Einbürgerungstest erfolgreich absolviert haben, straffrei sein und seinen Lebensunterhalt ohne Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe bestreiten können oder „deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten“ haben (§10 Abs. 1 StaG). Was Letzteres konkret bedeutet, ist nicht klar geregelt, hat zu einer Reihe an Gerichtsverfahren geführt und dürfte von Kommune zu Kommune unterschiedlich gehandhabt werden.
Zudem müssen Personen, die sich einbürgern lassen, ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben, soweit es sich nicht um eine EU-Staatsbürgerschaft handelt und dies möglich ist (§12 StaG), was etwa bei Tunesiern nicht der Fall ist. Im Jahr 2016 behielten unter diesen Voraussetzungen 57,8 Prozent der eingebürgerten Ausländer ihre bisherige Staatsangehörigkeit bei (Statistisches Bundesamt, 2017b). Bei den EU-Ausländern waren es 99,2 Prozent, wohingegen der Anteil bei den Türken nur bei 16,4 Prozent lag.
Des Weiteren ist eine Einbürgerung grundsätzlich erst nach einem Aufenthalt von acht Jahren in Deutschland möglich. Allerdings kann diese Frist für Ausländer, die erfolgreich einen Integrationskurs besucht haben, auf sieben Jahren und für Ausländer, die Sprachkenntnisse auf dem B2-Niveau und besondere Integrationsleistungen aufweisen, auf sechs Jahre verkürzt werden (§ 10 Abs. 3 StaG). Letzteres kann etwa ein langfristiges ehrenamtliches Engagement sein. Klar geregelt ist allerdings nicht, was eine besondere Integrationsleistung ist und was nicht. Zudem ist die auf sieben Jahre verkürzte Frist in ihrer jetzigen Form nicht stimmig, da hochqualifizierte Zuwanderer nach § 4 Abs. 2 IntV gar keine Berechtigung zur Teilnahme am Integrationskurs haben. Im Jahr 2016 entfielen 75,5 Prozent der Einbürgerungen auf reguläre Einbürgerungen nach acht Jahren Aufenthalt, 1,6 Prozent auf die verkürzte Frist nach sieben und 2,6 Prozent nach sechs Jahren. Die restlichen 20,3 Prozent entfielen auf Sonderregelungen vor allem für die Miteinbürgerung von Familienangehörigen und die Einbürgerung von Personen mit deutschen Ehepartnern (Statistisches Bundesamt, 2017b).
Die meisten Ausländer leben allerdings schon wesentlich länger als den für die Einbürgerung geforderten Mindestzeitraum in Deutschland. So lag die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Eingebürgerten im Jahr 2016 bei 17,0 Jahre. Bei den EU-Bürgern waren es sogar 21,5 Jahre und bei den Türken 20,8 Jahre. Deutlich niedriger sind die Werte hingegen bei Afrikanern mit 12,5 Jahren und Asiaten (ohne Türken und Russen) mit 12,7 Jahren(Statistisches Bundesamt, 2017b). Dennoch zeigen diese Zahlen deutlich, dass es für die meisten Zuwanderer ein sehr langer Weg bis zur Einbürgerung ist. Ändert sich dies nicht, dürften viele der in den letzten Jahren ins Land gekommenen Personen erst Ende der 2020er Jahre über eine Einbürgerung nachdenken, sofern sie dann noch in Deutschland leben.
Abgesehen von den bereits angesprochenen Unstimmigkeiten und Klärungsbedarfen besteht derzeit kein akuter Handlungsbedarf beim Thema Staatsangehörigkeit. Für weitergehende Änderungen wäre auch ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs darüber erforderlich, inwieweit sich eine Zugehörigkeit zum deutschen Volk durch ein Leben in Deutschland und inwieweit durch deutsche Vorfahren ergibt. Das Staatsangehörigkeitsrecht sollte nämlich grundsätzlich das Selbstverständnis einer Nation widerspiegeln.
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