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Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 75 13. September 2022 Potenziale und Grenzen von Aufenthaltstiteln zur Arbeitsplatzsuche

Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche können nicht nur Fachkräften den Zuzug zur Stellensuche ermöglichen, sondern bilden auch Brücken für den Übergang zwischen Ausbildungsende und Berufseinstieg sowie Phasen der Arbeitslosigkeit von Erwerbsmigranten. Dabei ist für die Bewerbungsverfahren ein längerer Aufenthalt im Inland heute kaum noch notwendig.

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Potenziale und Grenzen von Aufenthaltstiteln zur Arbeitsplatzsuche
Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 75 13. September 2022

Potenziale und Grenzen von Aufenthaltstiteln zur Arbeitsplatzsuche

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche können nicht nur Fachkräften den Zuzug zur Stellensuche ermöglichen, sondern bilden auch Brücken für den Übergang zwischen Ausbildungsende und Berufseinstieg sowie Phasen der Arbeitslosigkeit von Erwerbsmigranten. Dabei ist für die Bewerbungsverfahren ein längerer Aufenthalt im Inland heute kaum noch notwendig.

Beschäftigt man sich mit migrationspolitischen Fragestellungen, muss man immer im Blick behalten, dass für EU-Ausländer besondere Regeln gelten. So können sie im Rahmen der Freizügigkeit mit den Ausweisdokumenten ihres Heimatlandes nach Deutschland einreisen, jedwede Erwerbstätigkeit oder Ausbildung aufnehmen und sich hier längerfristig niederlassen. Für die Arbeitsplatzsuche kommt dabei noch nicht einmal § 4 FreizügG zum Tragen, der regelt, dass nicht erwerbstätige Zuwanderer über ausreichende Existenzmittel verfügen müssen, was de facto auch fast nur bedeutet, dass sie vom Bezug existenzsichernder Transferleistungen ausgeschlossen sind. Sämtliche Ausführungen zum Thema Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche sind also ausschließlich für Drittstaatsangehörige relevant.

Zu den Aufenthaltstiteln zählen grundsätzlich sowohl die Aufenthaltserlaubnisse als auch die Visa (§ 4 Abs. 1 AufenthG). Letztere untergliedern sich wiederum in die bis zu 90 Tage gültigen Schengen-Visa, die vorwiegend die Funktion von Touristen-Visa haben, und die nationalen Visa, die die Einreise für einen längerfristigen Aufenthalt ermöglichen. Dabei müssen für die Vergabe der nationalen Visa die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Aufenthaltserlaubnisse erfüllt sein (§ 6 Abs 3 AufenthG). Grundsätzlich gilt, dass der Zuwanderer mit dem nationalen Visum einreist und es dann im Land bei der zuständigen Ausländerbehörde gegen die entsprechende Aufenthaltserlaubnis austauscht. Lediglich Bürger des Vereinigten Königreichs, der USA und einiger weniger weiterer Staaten können visumfrei einreisen und im Inland direkt eine Aufenthaltserlaubnis beantragen (§ 41 Abs. 1 AufenthV). 

Wollen Fachkräfte aus dem Ausland zunächst nur zu einem (Vorstellungs-) Gespräch oder Ähnlichem nach Deutschland kommen, reicht hierfür in der Regel auch ein Schengen-Visum aus, sofern sie nicht visumfrei einreisen können. Gegenüber einem nationalen Visum (zur Arbeitsplatzsuche) hat dies den Vorteil, dass die Verfahren weit schneller und einfacher sind. Allerdings ergibt sich nach erfolgter Stellenzusage das Problem, dass die Inhaber von Schengen-Visa nicht das Recht haben, bei den zuständigen Ausländerbehörden im Land Aufenthaltserlaubnisse zur Erwerbstätigkeit oder Blaue Karten zu beantragen. So müssen sie zunächst in ihre Heimatländer zurückkehren und sich dort um ein entsprechendes nationales Visum bemühen, was mit einem sehr langwierigen Verfahren verbunden sein kann. Würde dies geändert, könnte allein das die Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten deutlich erleichtern.

Allerdings haben die Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche nicht nur den Zweck, Fachkräften aus dem Ausland zu ermöglichen, zu Stellensuche und Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses nach Deutschland zu kommen. Vielmehr dienen sie nach aktuellem Stand auch dazu, Phasen zu überbrücken, in denen bereits im Inland lebende Personen keinen Zugang zu anderen Aufenthaltstiteln haben. Insbesondere ist dies der Fall, wenn Bildungszuwanderer nach Abschluss ihrer akademischen oder beruflichen Ausbildung nicht unmittelbar eine qualifikationsadäquate Beschäftigung finden, trifft aber auch bei einem Jobverlust von Erwerbsmigranten zu. Dabei ließen sich diese Brücken grundsätzlich auch mittels entsprechender Verlängerungsoptionen bei den bisherigen Aufenthaltstiteln bauen.

Dies war zunächst auch der Ansatz der deutschen Migrationspolitik. So sah § 16 Abs. 4 AufenthG a.F. bis zur Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Jahr 2020 vor, dass die Aufenthaltstitel für Studierende aus dem Ausland über den erfolgreichen Abschluss hinaus zunächst um 12 Monate und seit dem Jahr 2012 um 18 Monate zur Arbeitsplatzsuche verlängert werden konnten. Abweichend von den Regeln für die Zeit während des Studiums war während dieser Suchphase auch bereits seit dem Jahr 2012 jede Erwerbstätigkeit möglich. Erst mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde diese Verlängerungsoption zu einer Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche umgestaltet, die nun als § 20 Abs. 3 AufenthG systematisch der Erwerbs- und nicht mehr der Bildungszuwanderung zugeordnet ist. Inhaltlich hat sich mit diesem Schritt allerdings nichts geändert. 

In gleicher Weise wurden auch die in den 2010er-Jahren geschaffenen Möglichkeiten, die Aufenthaltstitel zur beruflichen Ausbildung und zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zur Arbeitsplatzsuche um 12 Monate zu verlängern, zu Aufenthaltserlaubnissen zur Arbeitsplatzsuche nach § 20 Abs. 3 AufenthG umgewandelt. Hinzugekommen ist mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis für die Absolventen von Forschungstätigkeiten, die eine maximale Dauer von neun Monaten hat und ebenso wie die drei umgewandelten Alternativen zu jeder Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 20 Abs. 3 AufenthG).

Eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für Personen aus dem Ausland wurde erstmals im Jahr 2012 für akademisch qualifizierte Fachkräfte mit einer maximalen Dauer von sechs Monaten geschaffen. Zunächst war eine Voraussetzung für ihre Erteilung, dass die betreffende Person noch keinen Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck hatte (§ 18c AufenthG Abs. 3 a.F.), sodass sie tatsächlich allein der Einreise zur Stellensuche diente. Bereits im Jahr 2013 wurde dies jedoch geändert und eine Vergabe an Inhaber von Aufenthaltstiteln zur Erwerbstätigkeit ermöglicht. Damit bildet sie seitdem auch eine Brücke für Erwerbsmigranten, die ihre bisherige Stelle verlieren und nicht unmittelbar eine neue (qualifikationsadäquate) Beschäftigung finden, und nimmt somit zwei sehr unterschiedliche Funktionen ein.

Eine Erwerbstätigkeit war und ist im Rahmen dieser Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche grundsätzlich nicht zulässig. Lediglich ein Probearbeiten im Umfang von bis zu 10 Stunden wurde mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz erlaubt (§ 20 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 20 Abs 1 AufenthG). Damit ist dieser Zugangsweg für Berufseinsteiger aus dem Ausland, die sich für die in anderen Ländern oftmals sehr teure hochschulische Ausbildung gegebenenfalls sogar verschuldet haben, kaum sinnvoll nutzbar. Auch steht er ihnen zumeist gar nicht offen, da bei der Beantragung des Visums ein gesicherter Lebensunterhalt in Deutschland nachgewiesen werden muss (§ 5 Abs. 1 AufenthG) und sie nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. 

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist im Jahr 2020 noch eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für beruflich qualifizierte Fachkräfte hinzugekommen. Anders bei der Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche für akademisch qualifizierte Fachkräfte muss hier ein Nachweis über ausreichende Sprachkenntnisse für die angestrebte Tätigkeit erbracht werden (§ 20 Abs. 1 AufenthG), ansonsten entsprechen sich die Regelungen. Allerdings ist die notwendige Feststellung der Gleichwertigkeit des Bildungsabschlusses im beruflichen Bereich sehr viel komplexer und zeitaufwändiger als im hochschulischen, sodass sich auch hier ein zusätzliches Hemmnis ergeben kann.

Nimmt man die aktuellen Zahlen zur Vergabe der Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche in den Blick, muss man sich vergegenwärtigen, dass sich Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der Coronapandemie in einem Ausnahmezustand befunden hat. So waren die Möglichkeiten, nach Deutschland zu kommen, durch unterbrochene Reiseverbindungen und hohe Quarantäneauflagen teilweise stark eingeschränkt, und in vielen Branchen wurden vor dem Hintergrund der Lockdowns und unterbrochenen Lieferketten nur wenig Fachkräfte gesucht. Dennoch wurden im Jahr 2021 insgesamt 7.778 Aufenthaltserlaubnisse zur Arbeitsplatzsuche erstmalig erteilt, wovon mit 6.988 allerdings fast neun Zehntel auf die Anschlusstitel für Absolventen eines Hochschulstudiums in Deutschland entfielen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). 

Nimmt man alle Aufenthaltserlaubnisse mit reiner Anschlussfunktion zusammen, also auch die für die Absolventen von beruflichen Ausbildungen, von Maßnahmen zur Anerkennung der beruflichen Qualifikation und Forschungsaufenthalten, kommt man auf eine Gesamtzahl von 7.233 und einen Anteil von 93,0 Prozent. Die verbleibenden 545 Aufenthaltstitel setzen sich aus 35 Aufenthaltserlaubnisse zur Arbeitsplatzsuche für beruflich qualifizierte Fachkräfte (§ 20 Abs. 1 AufenthG) und 510 für akademisch qualifizierte Fachkräfte (§ 20 Abs. 2 AufenthG) zusammen. Von diesen wurden wiederum 459 oder 84,2 Prozent an Personen vergeben, die zuvor bereits einen anderen Aufenthaltsstatus hatten, was typischerweise der Fall ist, wenn Erwerbsmigranten ihre Stelle verlieren. Verbleiben lediglich 86 Aufenthaltstitel, die an zur Arbeitsplatzsuche eingereiste Personen erteilt worden sein dürften, von denen 83 auf akademisch und drei auf beruflich qualifizierte Fachkräfte entfielen (Graf, 2022; eigene Berechnungen).

Allerdings weist Graf (2022) darauf hin, dass einem Teil der Fachkräfte, die mit dem entsprechenden Visum zur Arbeitsplatzsuche einreisen, von den zuständigen Ausländerbehörden keine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche ausgestellt wird. Dies kann darauf zurückgehen, dass diese in der Zwischenzeit bereits eine Stellenzusage erhalten haben und direkt in eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit oder Blaue Karte übergehen oder auch dass sie relativ zeitnah wieder ausreisen. Die Gesamtzahl der zur Arbeitsplatzsuche erteilten Visa lag im Jahr 2021 bei 923, wobei dieser Wert nicht mit der Zahl der in diesem Kontext ins Land gekommenen Fachkräfte gleichzusetzen ist, da sowohl Mehrfacherteilungen an dieselben Personen als auch Erteilungen ohne spätere Einreise möglich sind (Graf, 2022).

An sich benötigen Fachkräfte aus Drittstaaten in der heutigen Zeit auch kaum noch spezielle Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland. So erfolgen die Stellenausschreibungen in aller Regel im Internet und die Bewerbungsunterlagen werden auf digitalem Weg eingereicht. Selbst die Auswahlgespräche führen immer mehr Arbeitgeber im Bedarfsfall vollständig online, sodass sich die Fachkräfte während des Such- und Bewerbungsprozesses letztlich überall in der Welt aufhalten können. Ist im Rahmen des Verfahrens eine Vorsprache in Deutschland notwendig, lässt sich ein entsprechender kürzerer Aufenthalt meist auch sehr viel einfacher über ein Schengen-Visum realisieren.

Möchte man Personen mit sehr guten Integrationsperspektiven die Zuwanderung nach Deutschland auch ohne qualifikationsadäquates Stellenangebot ermöglichen, was vor dem Hintergrund des demografischen Wandels dringend geboten erscheint, sind die Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche nicht das Mittel der Wahl. Geeigneter hierfür sind insbesondere mit Blick auf die Ansprache der in Frage kommenden Zielgruppe Aufenthaltstitel, die zu jeder Erwerbstätigkeit berechtigen und bis zum Erlangen einer dauerhaften Niederlassungserlaubnis Gültigkeit haben. Sinnvoll ist dabei eine Auswahl der Bewerber über ein Punktesystem. Dabei können die Regeln so gestaltet werden, dass die Aufenthaltstitel wieder entzogen werden, wenn es ihren Inhabern nicht gelingt, in angemessener Weise am deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sodass letztlich ein sehr ähnlicher Stand wie mit einer Folge aus einem reformierten Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche mit Erwerbsmöglichkeit und einem regulären Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit erreicht wird. Jedoch lässt sich bei nur einem Aufenthaltstitel viel leichter deutlich machen, dass ein dauerhafter Aufenthalt der Fachkräfte in Deutschland gewünscht ist.
 

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