Das Haushaltsvolumen des Jahres 2024 ist gegenüber dem Jahr 2019, dem letzten Vorkrisenjahr, um ein Drittel oder 120 Milliarden Euro gestiegen. Zinsen und Soziales sind dafür maßgeblich verantwortlich. Die Steuereinnahmen können im Vergleich dazu nicht mithalten. Dies erklärt auch die schwierigen Verhandlungen über den Haushalt 2025.
Bundeshaushalt: Zinslasten und realer Einnahmenrückgang setzen Regierung unter Druck
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Das Haushaltsvolumen des Jahres 2024 ist gegenüber dem Jahr 2019, dem letzten Vorkrisenjahr, um ein Drittel oder 120 Milliarden Euro gestiegen. Zinsen und Soziales sind dafür maßgeblich verantwortlich. Die Steuereinnahmen können im Vergleich dazu nicht mithalten. Dies erklärt auch die schwierigen Verhandlungen über den Haushalt 2025.
Im Juli soll der Bundeshaushalt für das Jahr 2025 stehen. Die Abstimmungen zwischen den Ressorts gestalten sich allerdings kompliziert, da der Ausgabenspielraum begrenzt ist. Auf der Einnahmenseite sind dafür zwei Gründe wesentlich:
Erstens steigen die Steuereinnahmen aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums nicht so kräftig wie in der Vergangenheit. Laut aktueller Steuerschätzung kann der Bund mit einem nominalen Plus von 3,6 Prozent im Jahr 2025 gegenüber 2024 rechnen. In den Jahren 2022 bis 2024 waren es im Schnitt mehr als 6 Prozent, was nicht zuletzt an der hohen Inflation lag (BMF, 2024a). Schätzungsweise 389 Milliarden Euro nimmt der Bund im kommenden Jahr ein. Vor einigen Monaten hatte der Bund für das Jahr 2025 noch mit 6 Milliarden Euro Steuereinnahmen mehr gerechnet (Deutscher Bundestag, 2023). Die von 2019 bis 2024 um insgesamt 14 Prozent gestiegenen Steuereinnahmen bedeuten einen realen Aufkommensrückgang. Die Inflation, gemessen als Deflator des Bruttoinlandsprodukts (BIP), betrug im gleichen Zeitraum rund 22 Prozent. Neben dem geringen Wirtschaftswachstum bremst auch die Inflationsausgleichsprämie, bei der der Staat auf schätzungsweise 25 Milliarden Euro Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verzichtet, die Einnahmenentwicklung (Beznoska/Hentze, 2024).
Zweitens beschränkt die Schuldenbremse die Ausgabenseite. Zwar kann sich der Bund für das Jahr 2025 nicht nur strukturell (15 Milliarden Euro), sondern auch aufgrund der konjunkturellen Entwicklung (10 Milliarden Euro) verschulden, gleichwohl beläuft sich die Nettokreditaufnahme in Summe auf lediglich 0,6 Prozent des BIP. Hinzu kommen allerdings noch Kredite für das Generationenkapitel in theoretisch unbegrenzter Höhe. Für das Jahr 2024 hatte der Bundestag beschlossen, Kredite in Höhe von 12 Milliarden Euro zu diesem Zweck aufzunehmen (BMF, 2024b). Da es sich um eine finanzielle Transaktion handelt, werden die Kredite nicht auf den Verschuldungsspielraum angerechnet. Gleichwohl müssen die resultierenden Zinsausgaben aus dem regulären Haushalt bestritten werden.
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Haushaltsvolumen seit 2019 um ein Drittel gestiegen
Gleichzeitig erklärt die hohe Dynamik auf der Ausgabenseite den aktuellen Sparzwang. Das Haushaltsvolumen ist von 2019, dem letzten Vorkrisenjahr, bis 2024 um rund ein Drittel, gleichbedeutend mit 120 Milliarden Euro, gestiegen. Es kam also zu einem realen Ausgaben-anstieg. Die Ausgaben des Jahres 2024 hätten um 35 Milliarden Euro geringer sein müssen, um auf dem realen Ausgabenniveau des Jahres 2019 zu bleiben. Unberücksichtigt bleibt bei dem Vergleich, dass im Jahr 2019 ein Haushaltsüberschuss in Höhe von 13,5 Milliarden Euro erzielt worden ist, das heißt in dieser Höhe sind keine Ausgaben angefallen.
Eine Auswertung der verschiedenen Bereiche des Haushalts zeigt, dass die Zinswende rund ein Fünftel des Ausgabenanstiegs erklären kann. Gegenüber dem Jahr 2019 zahlt der Bund im Jahr 2024 mit 37 Milliarden Euro rund 25 Milliarden Euro mehr Zinsen. Auf das im Jahr 2024 eingeführte Generationenkapital entfallen mit 12 Milliarden Euro weitere 10 Prozent des Zuwachses. Im Bereich Forschung und Bildung beträgt das Plus von 2019 bis 2024 rund 10 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Verteidigung liegen im Jahr 2024 um 8 Milliarden Euro höher als im Jahr 2019. Das Sondervermögen Bundeswehr bleibt bei der Betrachtung außen vor, da es unabhängig vom Kernhaushalt des Bundes ist. Für Wirtschaftsförderung gibt der Bund im Jahr 2024 rund 9 Milliarden Euro mehr aus als 2019, für Infrastruktur (im Wesentlichen Eisenbahn) rund 7 Milliarden Euro. Die Ausgaben für politische Führung sind seit 2019 um die Hälfte von 5,4 auf 8,1 Milliarden Euro gestiegen. Damit können die Bereiche Forschung und Bildung, Verteidigung, Wirtschaftsförderung, Infrastruktur und Politische Führung rund 30 Prozent des Anstiegs erklären.
Sozialausgaben dominieren den Haushalt
Am stärksten zum Anstieg des Haushaltsvolumens beigetragen hat der Bereich Soziale Sicherung. Insgesamt 35 Prozent der Mehrausgaben im Jahr 2024 gegenüber dem Jahr 2019 ist auf soziale Mehrausgaben einschließlich Versorgungsausgaben zurückzuführen. Dies entspricht einem Plus von rund 41 Milliarden Euro, wovon rund 20 Milliarden Euro auf den Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung, 7 Milliarden Euro auf die Arbeitsmarktpolitik (dazu zählt auch das Bürgergeld einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung), 3 Milliarden Euro auf die Familienpolitik (u. a. Elterngeld sowie Kindergeld und Kinderzuschlag), knapp 3 Milliarden Euro auf die Grundsicherung im Alter sowie knapp 2 Milliarden Euro auf das Wohngeld entfallen. Die Versorgungsausgaben liegen im Zeitvergleich um mehr als 1 Milliarde Euro höher. Der restliche Anstieg verteilt sich auf verschiedene weitere Bereiche.
Bei einer Einordnung ist zu berücksichtigen, dass der Bereich Soziale Sicherung im Haushalt insgesamt am stärksten ins Gewicht fällt. Rund 46 Prozent der Ausgaben im Jahr 2024 entfallen auf diesen. Dies erklärt den absolut gesehen starken Ausgabenanstieg, obwohl im relativen Vergleich zwischen den Ausgabenkategorien die Ausgabendynamik im Sozialbereich unterdurchschnittlich ist. In anderen Bereichen mit kleineren Volumen, zum Beispiel politische Führung, Wirtschaftsförderung oder insbesondere Zinsausgaben, fällt der relative Anstieg deutlich größer aus – der absolute Anstieg dagegen kleiner.
Wo die Bundesregierung im Haushalt 2025 sparen sollte, bleibt eine Frage der politischen Schwerpunktsetzung. Einige Ableitungen sind jedoch jenseits politischer Prioritäten zu treffen:
- Die Einnahmeseite ist gekennzeichnet von einem realen Rückgang verbunden mit einem eng begrenzten Verschuldungsspielraum (Beznoska et al., 2024).
- Auf der Ausgabenseite haben sich die Zinsausgaben verdreifacht. Statt weniger als 4 Euro von 100 Euro Steuereinnahmen wie im Jahr 2019 muss der Bund aktuell 10 Euro von 100 Euro Steuereinnahmen für Zinsen aufwenden. So bleibt weniger Spielraum für eine inhaltliche Schwerpunktsetzung.
- Das Gros der Mehrausgaben seit dem Jahr 2019 ist auf den Sozialbereich zurückzuführen. Bei den öffentlichen Investitionen hinkt Deutschland im internationalen Vergleich weiter hinterher (Hentze, 2023).
- Mögliche steuerliche Änderungen, beispielsweise der Ausgleich der kalten Progression zum 1. Januar 2025 oder Anreize für mehr Investitionen, müssten noch entsprechend finanziert werden und würden daher den Spardruck verschärfen.
- Davon losgelöst hat die Bundesregierung technische Möglichkeiten, die Ausgaben zu gestalten. Möglich wäre es zum Beispiel, die Disagien für neue Kredite periodengerecht zu verbuchen, anstatt die Kosten einmalig dem Jahr der Ausgabe der Anleihe zuzuordnen (Hentze/Leiß, 2023). Investitionen könnten zudem stärker in Form von Eigenkapital zum Beispiel an die Deutsche Bahn vergeben werden. Als finanzielle Transaktion würde dies den Verschuldungsspielraum nicht tangieren. Zudem könnte die Bundesregierung erneut einen Teil der erforderlichen Einsparungen im Jahr 2025 auf den Haushaltsvollzug vertagen, indem eine Globale Minderausgabe eingestellt wird. Für das Jahr 2024 hat die Ampel-Koalition Globale Minderausgaben von mehr als 10 Milliarden Euro eingeplant (BMF, 2024b). Der im historischen Vergleich bemerkenswert hohe Betrag ist gleichwohl ein Beleg dafür, wie schwer sich die Koalition mit konkreten Einsparungen tut.
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