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Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 94 23. Dezember 2021 Alleinerziehende dürfen auf Steuerentlastung hoffen

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP findet sich die Ankündigung, Alleinerziehende mit einer Steuergutschrift zu entlasten. Damit lösen die Parteien ihr Versprechen aus dem Bundestagswahlkampf ein. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde bereits der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag dauerhaft um 2.100 Euro erhöht. So könnte die Steuergutschrift je nach Höhe dazu führen, dass Alleinerziehende indirekt dafür kompensiert werden, dass ihnen das Ehegattensplitting nicht offensteht.

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Alleinerziehende dürfen auf Steuerentlastung hoffen
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 94 23. Dezember 2021

Alleinerziehende dürfen auf Steuerentlastung hoffen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP findet sich die Ankündigung, Alleinerziehende mit einer Steuergutschrift zu entlasten. Damit lösen die Parteien ihr Versprechen aus dem Bundestagswahlkampf ein. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde bereits der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag dauerhaft um 2.100 Euro erhöht. So könnte die Steuergutschrift je nach Höhe dazu führen, dass Alleinerziehende indirekt dafür kompensiert werden, dass ihnen das Ehegattensplitting nicht offensteht.

Im Bundestagswahlkampf forderten alle Parteien eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sowie eine stärkere Förderung von Haushalten mit Kindern. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist die Einführung einer Kindergrundsicherung dementsprechend auch enthalten, von der Entlastung der Mittelschicht ist dagegen nichts übriggeblieben. Eine Ausnahme ist für Alleinerziehende vorgesehen, die mittels einer Steuergutschrift bessergestellt werden sollen (SPD/Grüne/FDP, 100, 2021). Dies hatten Grüne und FDP in ihren Wahlprogrammen versprochen (Beznoska/Hentze, 2021).

Eine Steuergutschrift wäre ein weiterer Schritt, die steuerliche Behandlung von Alleinerziehenden zu verbessern. Im Jahr 2015 wurde der Entlastungsbetrag – ein zusätzlicher Freibetrag für Alleinerziehende – bei einem Kind zunächst von 1.308 Euro auf 1.908 Euro angehoben. Für jedes weitere Kind werden seitdem zusätzlich 240 Euro gewährt. In der Corona-Krise wurde der Freibetrag zunächst für die Jahre 2020 und 2021 von 1.908 Euro auf 4.008 Euro mehr als verdoppelt. Je nach Einkommen führt die Erhöhung zu einem Nettoeffekt von rund 300 bis 900 Euro pro Jahr, sofern der Freibetrag vollständig genutzt werden kann. Der erhöhte Freibetrag soll die vergleichsweise große Belastung von Alleinerziehenden ausgleichen (Blömer/Peichl, 2020). Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde diese Regelung dauerhaft verankert (BMF, 2020), nachdem der Finanzausschuss die Entfristung als Ergänzung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung empfohlen hatte (Deutscher Bundestag, 2020b). Die Mindereinnahmen des Staates aufgrund des erhöhten Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags belaufen sich auf knapp 500 Millionen Euro pro Jahr (Deutscher Bundestag, 2020a).

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Hintergrund ist, dass die Logik des deutschen Steuerrechts dazu führt, dass Alleinerziehende bei identischem Haushaltsbruttoeinkommen mehr Einkommensteuer zahlen als verheiratete Paare mit der gleichen Anzahl an Kindern. Denn ein verheiratetes Paar kann zweimal den Grundfreibetrag ansetzen. Darüber hinaus kann das Ehegattensplitting je nach Aufteilung der Erwerbseinkommen im Haushalt den Effekt verstärken. Steuersystematisch ist dies nicht zu beanstanden, da die Leistungsfähigkeit bei gleichem Haushaltsbruttoeinkommen mit einer Person mehr im Haushalt zunächst per Definition geringer ist. Folglich muss auch die Steuerlast geringer ausfallen. Aus der Vorgabe, das Existenzminimum pro Person steuerfrei zu stellen, folgt, dass Haushalte mit mehr Personen bei gleichem Bruttoeinkommen ein höheres Nettoeinkommen erhalten müssen.

Gleichwohl erkennt die Steuerpolitik an, dass Alleinerziehende und ihre Kinder mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besondere Herausforderungen zu meistern haben. Dies wird durch den zusätzlichen Freibetrag berücksichtigt, der seine Anfänge vor mehr als 60 Jahren nahm. Mit Einführung des Ehegattensplittings im Jahr 1958 wurde auch ein besonderer Freibetrag für nicht verheiratete Eltern gewährt, der auch Alleinerziehenden als Kompensation dafür dienen soll, dass ihnen das Splitting verwehrt bleibt (Sauckel, 2015; Beznoska et al., 2019). Nach verschiedenen Änderungen wurde der Freibetrag im Jahr 2004 nach §24b Einkommensteuergesetz zum Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag umfirmiert, der die höheren Lebenshaltungskosten von Alleinerziehenden widerspiegeln sollte (Deutscher Bundestag, 2003). Diese Vorstellung herrscht auch im Grundsicherungsrecht, da auch hier Vorteile des gemeinsamen Wirtschaftens im Paarhaushalt berücksichtigt werden und deshalb der Bedarfssatz für die zweite Person im Haushalt niedriger angesetzt wird. Im Steuerrecht komme es laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 2009) nicht auf die tatsächliche Mehrbelastung an, der Entlastungsbetrag hätte auch als soziale Förderung seine Berechtigung. Bei der Höhe des Freibetrags habe der Gesetzgeber demnach freie Hand. Auch der Bundesfinanzhof (BFH, 2015) verweist darauf, dass es bei Alleinerziehenden keine Synergieeffekte wie bei einer gemeinsamen Erziehung durch beide Elternteile gebe. Der Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag steht dem Elternteil zu, der das Kindergeld erhält. Bei einem Wechselmodell müssen sich die Eltern einigen, wem der Freibetrag gewährt werden soll.

Eine zusätzliche Steuergutschrift greift diese Argumente auf und würde die fehlende Splittingmöglichkeit Alleinerziehender gegenüber einem Alleinverdiener-Ehepaar stärker als bisher kompensieren. Aus verteilungspolitischen Gesichtspunkten ist eine Steuergutschrift zielführend, da sie unabhängig von der Einkommenshöhe bemessen wird und gleichzeitig einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit darstellt. Steuersystematisch wäre dies zu rechtfertigen, weil es sich um eine soziale Förderung handelt, so dass das Leistungsfähigkeitsprinzips nicht maßgeblich ist. Als Orientierungspunkt für die maximale Höhe könnte der Unterschied zwischen Alleinverdiener-Familien und Alleinerziehenden mit einem eher geringen Bruttomonatsgehalt von 2.000 Euro dienen. Nach heutiger Rechtslage ist in dem Fall der Splittingeffekt um rund 900 Euro im Jahr höher als der Effekt des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags (Abbildung). Eine jährliche Steuergutschrift in dieser Höhe würde für geringe Einkommen Alleinerziehende und Familien bei gleicher Kinderanzahl gleichstellen. Mit steigendem Einkommen würde der Splittingeffekt stärker wirken als die Steuergutschrift. Der Fiskus müsste bei einer Steuergutschrift in der Größenordnung auf Einnahmen von schätzungsweise 1 Milliarde Euro pro Jahr verzichten.

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