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Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 48 24. Juli 2023 Der Lkw bezahlt bald für alle: Mauteinnahmen und Verkehrsinvestitionen des Bundes

Zum ersten Dezember wird sich die Lkw-Maut in Deutschland durch den neuen CO2-Aufschlag in etwa verdoppeln. Die zusätzlichen Einnahmen sollen vor allem der Schiene zugutekommen.

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Mauteinnahmen und Verkehrsinvestitionen des Bundes
Thomas Puls IW-Kurzbericht Nr. 48 24. Juli 2023

Der Lkw bezahlt bald für alle: Mauteinnahmen und Verkehrsinvestitionen des Bundes

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Zum ersten Dezember wird sich die Lkw-Maut in Deutschland durch den neuen CO2-Aufschlag in etwa verdoppeln. Die zusätzlichen Einnahmen sollen vor allem der Schiene zugutekommen.

Zuletzt deckten Einnahmen aus der Lkw-Maut über 90 Prozent der Investitionen für die Bundesfernstraßen. Nach der Mauterhöhung werden künftig etwa 80 Prozent aller Verkehrswegeinvestitionen des Bundes vom Lkw bezahlt.

Im Jahr 2005 wurde die Lkw Maut in Deutschland eingeführt. Sie sollte eine Nutzerfinanzierung der Bundesverkehrswege einführen. Zudem wurden differenzierte Mautsätze als Hebel eingesetzt, um schadstoffarme Lkw zu fördern. Seither fließen dem Bund zusätzliche Einnahmen aus der Lkw-Maut zu, aber die Verwendung der Mittel für den Verkehr ist genauso lange schon Gegenstand harter politischer Debatten.

Die frühen Jahre der Lkw-Maut

In ihren frühen Jahren wirkte die Maut eigentlich wie eine neue Steuer, denn die Investitionen des Bundes in seine Fernstraßen blieben zwischen 2005 und 2011 mit etwa 5 Milliarden Euro konstant. Die Mehreinnahmen aus der Maut landeten im allgemeinen Haushalt und kamen nie wirklich bei der Infrastruktur an. Das änderte sich erst 2011 als der sogenannte Finanzierungskreislauf Straße geschaffen wurde. Dieser verlangte, dass die Mauteinnahmen im Sinne einer Nutzerfinanzierung auch für Investitionen in Autobahnen und Bundesstraßen zu verwenden seien. Seither hat der Lkw die Investitionen in die Bundesfernstraßen im Wesentlichen allein finanziert. Steuermittel kamen kaum mehr zum Einsatz. Im Jahr 2011 deckten die Einnahmen aus der Lkw-Maut fast 90 Prozent der Investitionen in die Bundesfernstraßen. Bis zum Jahr 2015 blieb diese Quote konsequent über 80 Prozent. In diesem Zeitraum blieben Maut-Einnahmen und Investitionen in Bundesfernstraßen weitgehend konstant (Abbildung). Die nominalen Investitionen lagen sogar fast exakt auf dem Niveau vom Jahr der Mauteinführung (2005). Da die Baupreise im gleichen Zeitraum um etwa 32 Prozent stiegen, sanken die realen Investitionen aber permanent. Die Infrastruktur wurde zwar weitgehend von den Nutzern finanziert, aber die staatliche Verwaltung investierte nicht im Ansatz genug, um den Substanzerhalt zu sichern. Viele der heutigen Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur haben in dieser Zeit ihren Ursprung.

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Der Investitionshochlauf wurde vom Lkw finanziert

Das fing sich mit dem Haushalt 2016 an zu ändern. Der Bund begann einen Investitionshochlauf und investierte wieder mehr Geld in seine Verkehrswege (Abbildung). Zwischen 2015 und 2019 stiegen die Investitionen in die Fernstraßen um 47 Prozent und in die Schienen um 31 Prozent. Wohl auch aus diesem Grund wurde die Lkw-Maut im Jahr 2019 erhöht und auf alle Bundesstraßen ausgeweitet. Damit lagen die Mauteinnahmen im Jahr 2019 um 72 Prozent über denen des Jahres 2015. Der Lkw finanzierte, wieder gut 96 Prozent der Gesamtinvestitionen in die Bundesfernstraßen.

Mauterhöhung durch einen CO2-Zuschlag

Im Jahr 2023 steht nun die nächste Mauterhöhung an. Gemäß einer neuen EU-Richtlinie muss der Bund bis März 2024 eine CO2-Differenzierung in den Mautsätzen einführen und bis März 2027 die Mautpflicht auf alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht ausweiten.

Die Bundesregierung hat beschlossen diese Vorgaben zunächst durch die Einführung eines CO2-Zuschlages zum 1. Dezember 2023 umzusetzen. Zum 1. Juli 2024 erfolgt dann die Ausweitung auf die kleineren Nutzfahrzeuge. Der CO2-Zuschlag wird dabei mit einem Preis von 200 Euro pro Tonne kalkuliert, was das Doppelte vom Mindestsatz ist, den die EU-Richtlinie vorgegeben hat. Auch im Vergleich mit den etwa 90 Euro, die pro Tonne im europäischen Emissionshandel aufgerufen werden, ist dieser Preis sehr hoch angesetzt. Für einen schweren Lkw bedeutet der CO2-Zuschlag daher grob eine Verdoppelung des bisherigen Mautsatzes. Die Bundesregierung erwartet sich hierdurch Mehreinnahmen von 6,7 Milliarden Euro im Jahr 2024 (BMDV,2023).

Die Mehreinnahmen gehen in die Schiene

Zusammen mit der Mauterhöhung plant die Bundesregierung den geschlossenen Finanzierungskreislauf Straße aufzubrechen. Künftig soll nur noch die Hälfte der Mauteinnahmen für Investitionen in die Bundesfernstraßen verwendet werden, was ziemlich genau den Einnahmen vor der anstehenden Erhöhungsrunde entspricht. Die Mehreinnahmen sollen hingegen vor allem für Investitionen in die Schiene eingesetzt werden. Gemäß der Einnahme- und Investitionsplanung des Bundes (BMDV, 2023; ProMobilität, 2023) wird die Lkw-Maut ab dem Jahr 2025 etwa 80 Prozent aller Verkehrswegeinvestitionen des Bundes decken. Nur etwa vier Milliarden Euro pro Jahr sollen dann noch aus dem Steuertopf in die Verkehrsinfrastruktur fließen. Die Spediteure werden also die mit Abstand größten Finanziers der Fernverkehrswege.

Kaum CO2-Einsparungen zu erwarten

Die Lkw-Maut wurde seit ihrer Einführung erfolgreich dazu genutzt, um den Einsatz schadstoffarmer Lkw zu fördern. Das führte dazu, dass im Jahr 2021 fast 87 Prozent der mautpflichtigen Fahrleistungen auf Lkw der Abgasklasse Euro VI entfielen (BALM, 2023). In Bezug auf die Schadstoffe war die Mautspreizung also sehr erfolgreich, aber in Bezug auf eine Reduktion der CO2-Emissionen sind die Erwartungen eher gering. Die vermutlich sehr geringe Lenkungswirkung erklärt sich dabei aus dem Mangel an Alternativen für die Spediteure. Zwar werden emissionsfreie Lkw bis Dezember 2025 vollständig von der Maut befreit, was einen Kostenvorteil von über 30 Cent pro gefahrenen Kilometer ausmachen kann, aber es mangelt derzeit schlicht an einem entsprechenden Fahrzeugangebot. Emissionsfreie Nutzfahrzeuge sind bislang nur in homöopathischen Mengen verfügbar. Deutschlandweit waren im Jahr 2022 keine 2.500 Nutzfahrzeuge zugelassen, die diese Befreiung in Anspruch nehmen könnten. In der gesamten EU27 waren es etwa 4.000 Stück (EU-Kommission, 2023). Dem standen allein in Deutschland etwa 460.000 Lkw größer 3,5 Tonnen Gesamtgewicht und 223.000 Sattelzugmaschinen gegenüber. Mangels Alternativen bleibt den Spediteuren in den kommenden Jahren nur die Möglichkeit die Kosten an die Kunden weiterzugeben oder eben die Zusatzinvestitionen in die Bahn aus eigener Tasche zu zahlen. In Anbetracht der Wettbewerbslage wird beides eine wirtschaftliche Herausforderung für diese zumeist sehr kleinen Unternehmen. Dieses Problem ließe sich zumindest in Teilen angehen, wenn die Zusatzmittel in Ladeinfrastruktur für Lkw geleitet oder die Anrechnung von Biokraftstoffen ermöglicht würden. Beides ist bislang nicht möglich, wäre aber wertvoll, um Alternativen zur Zahlung zu öffnen. Gerade eine Anrechnung von Biokraftstoffen könnte dabei geeignet sein eine schnelle CO2-Reduktion zu erreichen. Das zeigt das Beispiel Schwedens, wo die gesamten CO2-Emissionen des Lkw-Verkehrs durch die Förderung von HVO100 Biodiesel seit 2011 annähernd halbiert wurden.

Weitere Probleme mit dem Mautgesetz

Erschwerend kommt für die Unternehmen hinzu, dass es bislang keinen Ansatz gibt eine Doppelbelastung aus CO2-Zuschlag auf die Maut und dem CO2-Zuschlag auf Diesel zu vermeiden. Eine solche Regelung war im Koalitionsvertrag eigentlich versprochen worden. Mit dem Koalitionsvertrag dürfte auch das ungewöhnliche Einführungsdatum zum ersten Dezember zusammenhängen, welches mitten in das Wirtschaftsjahr fällt und somit für zusätzlichen Umstellungsaufwand sorgt. Im Koalitionsvertrag war aber die Einführung im Jahr 2023 festgelegt, nur war der Gesetzgebungsprozess zu langsam, um eine Einführung zur Jahresmitte zu erreichen.

Zudem wäre ein gleitenderer Übergang in die CO2-Differenzierung vorzuziehen gewesen. Ein Einführungspreis von 100 Euro pro Tonne wäre europarechtlich möglich gewesen und hätte den jetzt anstehenden Kostenschock für das Transportgewerbe spürbar gedämpft. Mit dem Aufkommen von Alternativen am Fahrzeugmarkt hätte der Preis dann auf das gewünscht Niveau erhöht werden können. Dies hätte auch eine Lenkungswirkung gefördert.

So wie es jetzt vorliegt, macht das neue Mautgesetz den Eindruck, dass der Bund nur dringend einen Ko-Finanzier für die Bahn gesucht und gefunden hat.

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