Klimafreundliche Wege aus der Corona-Krise finden – das ist die Aufgabe der Politik, die kurzfristig Mittel zur Bewältigung der Corona-Auswirkungen bereitstellen muss und gleichzeitig nicht das Ziel der Bekämpfung des Klimawandels aus den Augen verlieren darf. Entlastungen beim Strompreis können sowohl dazu beitragen, Unternehmen wieder auf die Sprünge zu helfen als auch Perspektiven für klimafreundliche Investitionen zu eröffnen.
Strompreis senken: Gut für Wirtschaft und Klima
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Klimafreundliche Wege aus der Corona-Krise finden – das ist die Aufgabe der Politik, die kurzfristig Mittel zur Bewältigung der Corona-Auswirkungen bereitstellen muss und gleichzeitig nicht das Ziel der Bekämpfung des Klimawandels aus den Augen verlieren darf. Entlastungen beim Strompreis können sowohl dazu beitragen, Unternehmen wieder auf die Sprünge zu helfen als auch Perspektiven für klimafreundliche Investitionen zu eröffnen.
Durch die Corona-Pandemie ruht vielerorts die Produktion, in vielen Firmen wird Kurzarbeit geleistet und Gastronomiebetriebe bleiben geschlossen. Das macht sich auch beim Stromverbrauch bemerkbar, der in den letzten Wochen deutlich unter dem Verbrauch im entsprechenden Vorjahreszeitraum liegt. Die Stromrechnung fällt demnach zwar zunächst geringer aus. Doch sobald der Betrieb wieder aufgenommen wird, zahlen deutsche Unternehmen, die nicht von Ermäßigungen bei Stromsteuer, EEG-Umlage und Netzentgelten profitieren, die höchsten Strompreise in Europa. Gleiches gilt für die privaten Haushalte, für die Strom so teuer ist wie in keinem anderen europäischen Land.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung vergrößert sich jährlich. Nach 40 Prozent im Jahr 2019 steigt der Erneuerbaren-Anteil in diesem Jahr bislang weiter an. Die CO2-Emissionen der Stromerzeugung sinken dementsprechend; Strom wird ein zunehmend klimafreundlicher Energieträger. Erneuerbarer Strom kann nicht nur direkt zum Antrieb batterieelektrischer Fahrzeuge eingesetzt werden, sondern auch indirekt durch Umwandlung in gasförmige oder flüssige Energieträger genutzt und in Form von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen in der Industrieproduktion sowie im Flug-, Schiff- und Schwerlastverkehr eingesetzt werden und auch dort einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das scheitert bislang jedoch in der Regel an den höheren Kosten im Vergleich zu konventionellen Energieträgern. Nur die politisch verankerte Perspektive dauerhaft niedrigerer Strompreise kann hier die notwendigen privaten Investitionen anregen, die den Einsatz von Strom und strombasierten Energieträgern ermöglicht und in die Umsetzung bringt.
Strom wird zwar klimafreundlicher, aber – vor allem getrieben durch Steuern und Umlagen – auch immer teurer (Abbildung). Dadurch bleibt es unattraktiv, konventionelle Energieträger durch strombasierte Alternativen zu ersetzen. Mit dauerhaft niedrigeren Strompreisen ließe sich das ändern. Kurzfristig kann ein niedriger Strompreis für Entlastung der Unternehmen sorgen, wenn sie ihre Produktion im Zuge der Lockerung der Corona-Maßnahmen wieder aufnehmen oder ausbauen.
Besonders stromintensive Unternehmen bezahlen nur einen kleinen Teil der EEG-Umlage, die bei nicht ermäßigten Stromkunden mit 6,756 Cent pro Kilowattstunde zu Buche schlägt. Beim Selbstverbrauch aus eigenen Stromerzeugungsanlagen fällt nur eine geringere oder gar keine EEG-Umlage an. Bei der Stromsteuer (Regelsatz 2,05 Cent) werden energieintensive Produktionsverfahren und Unternehmen des produzierenden Gewerbes ermäßigt oder ganz von ihr befreit. Auch bei Netzentgelten gelten Ermäßigungen, wenn eine besonders hohe Zahl an Nutzungsstunden erreicht wird. Zusätzlich bestehen bei den Netzentgelten finanzielle Anreize, den eigenen Verbrauch in Zeiten hoher Netzauslastung zu drosseln und eigene Bezugsspitzen zu vermeiden. Ohne diese Ermäßigungen wären die hohen Stromkosten ein gravierender Standortnachteil, so dass die meisten stromintensiven Unternehmen andere Produktionsstandorte in Betracht zögen.
Eine nennenswerte Senkung des Strompreises kann im Wesentlichen an den drei Stellschrauben Stromsteuer, EEG-Umlage und Netzentgelten ansetzen:
Die Stromsteuer erzielt ein Aufkommen von etwa 7 Milliarden Euro im Jahr und fließt dem Bundeshaushalt zu. Sie fällt auf den Stromverbrauch an und richtet sich nicht nach den CO2-Emissionen der Stromerzeugung. Diese werden bereits durch den europäischen Emissionshandel erfasst. Eine Stundung oder Senkung der Steuer würde in erster Linie Unternehmen, die nicht wie das produzierende Gewerbe bereits von Ermäßigungen profitieren, und Privathaushalte entlasten. Eine Senkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestlevel von 0,05 Cent würde einen durchschnittlichen 1-Personen-Haushalt um etwa 40 Euro im Jahr entlasten, eine vierköpfige Familie sogar um 96 Euro.
Die EEG-Umlage bewegt ein Volumen von etwa 25 Milliarden Euro im Jahr. Würde die Umlage gesenkt, müssten Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Finanzierung der Einspeisevergütungen, die den Anlagenbetreibern über 20 Jahre gewährt werden, zur Verfügung gestellt werden. Dabei könnte es allerdings zu Konflikten mit dem europäischen Beihilferecht kommen. Eine schrittweise Absenkung der EEG-Umlage und eine entsprechende Finanzierung aus dem Bundeshaushalt ist ohnehin im Rahmen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung geplant. Wird zusätzlich zur Stromsteuer auch die EEG-Umlage um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt, fällt die Stromrechnung einer vierköpfigen Familie mit 4800 Kilowattstunden Jahresverbrauch um insgesamt 144 Euro geringer aus.
Die Netzentgelte schließlich fallen dezentral an und unterscheiden sich regional. Im Gesetzentwurf zum Kohleausstiegsgesetz ist bereits ein Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zur Entlastung der stromintensiven Unternehmen geplant. Dieser würde allerdings die bereits bestehenden Anreizprobleme in der Netzentgeltsystematik weiter verschärfen. Sinnvoller erscheint es deshalb vielmehr, Netzausbaukosten aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, die sich andernfalls in höheren Netzentgelten bemerkbar machen würden.
In allen Varianten gilt, dass dem Bundeshaushalt Mittel entzogen werden, die an anderer Stelle oder zu einem anderen Zeitpunkt eingespart werden müssen. Von einer Entlastung bei den Stromkosten profitieren einkommensschwache Haushalte überdurchschnittlich, da ihr Stromverbrauch im Durchschnitt nicht wesentlich geringer ausfällt als der von Haushalten mit höheren Einkommen.
Sowohl eine haushaltsfinanzierte Senkung der EEG-Umlage als auch der Netzentgelte ließe sich damit begründen, dass die Kosten der Transformation des Stromerzeugungssystems als gesamtgesellschaftliche Aufgabe durch alle Steuerzahler nach ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit getragen werden sollten und nicht ausschließlich von den Stromverbrauchern in Abhängigkeit von ihrem Verbrauch, zumal erneuerbar erzeugter Strom in gleicher Weise belastet wird wie konventionell erzeugter.Aufgrund der Ermäßigungs- und Ausnahmetatbestände würden weniger die stromintensiven Unternehmen als vielmehr die breite Masse von Unternehmen mit nennenswerten Stromkosten und Privathaushalte entlastet. Damit kann kurzfristig Spielraum auf dem Weg aus der Corona-Krise entstehen und mittelfristig die Nutzung von klimafreundlichem Strom attraktiver werden.
Letzteres ist jedoch an weitere Voraussetzungen gebunden: Der Anteil des erneuerbar erzeugten Stroms muss weiter steigen, damit die Nutzung von Strom zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen beiträgt. Zuletzt ist jedoch der Ausbau von Windkraftanlagen nahezu zum Erliegen gekommen. Hier gilt es Hemmnisse in Genehmigungsverfahren und der Flächenausweisung abzubauen und langwierige Prozesse zu beschleunigen. Gleiches gilt für den Netzausbau, Stromspeicher und mehr Flexibilität auf der Stromnachfrageseite, ohne die konventionelle grundlastfähige Kraftwerke zur Sicherstellung der Stromversorgung unverzichtbar bleiben. Mit einer Entlastung bei den Stromkosten kann die Bundesregierung unmittelbar krisengeplagten Unternehmen und Privatleuten helfen und ihre finanziellen Spielräume vergrößern. Sind die Ermäßigungen nicht nur vorübergehender Natur, können sie auch einen positiven Klimaschutzeffekt entfalten und Investitionen in Technologien, Produktionsverfahren und Antriebe auf Strombasis anregen und deren Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Deshalb sollte die Bundesregierung die ohnehin geplanten Maßnahmen zur Senkung der EEG-Umlage vorziehen und die Stromsteuer auf die niedrigen EU-Mindeststeuersätze absenken.
Thilo Schaefer: Strompreis senken – Gut für Wirtschaft und Klima
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