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Theresa Eyerund und Marie Möller IW-Kurzbericht Nr. 15 8. April 2016 Steueroasen: Mit Kontrolle und Kavallerie gegen Briefkastenfirmen?

Ein internationaler Rechercheverbund hat dubiose Finanzgeschäfte bekannter Persönlichkeiten enthüllt. Die „Panama Papers“ werden auch Deutschland lange beschäftigen. Von mehr Kontrolle bis hin zur Entsendung der Kavallerie reichen die Vorschläge, mit denen gegen Steueroasen vorgegangen werden soll. Leere martialische Drohungen sind nicht glaubwürdig und juristische Lösungen alleine reichen nicht. Vielmehr sollten die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten ihrer Vorbildfunktion gerecht werden – schon aus purem Eigeninteresse.

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Mit Kontrolle und Kavallerie gegen Briefkastenfirmen?
Theresa Eyerund und Marie Möller IW-Kurzbericht Nr. 15 8. April 2016

Steueroasen: Mit Kontrolle und Kavallerie gegen Briefkastenfirmen?

Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Ein internationaler Rechercheverbund hat dubiose Finanzgeschäfte bekannter Persönlichkeiten enthüllt. Die „Panama Papers“ werden auch Deutschland lange beschäftigen. Von mehr Kontrolle bis hin zur Entsendung der Kavallerie reichen die Vorschläge, mit denen gegen Steueroasen vorgegangen werden soll. Leere martialische Drohungen sind nicht glaubwürdig und juristische Lösungen alleine reichen nicht. Vielmehr sollten die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten ihrer Vorbildfunktion gerecht werden – schon aus purem Eigeninteresse.

Illegal versus illegitim

Neben ranghohen Politikern und bekannten Sportlern tauchen auch Diktatoren und Kriminelle in den geleakten Dokumenten auf. Diese Tatsache heizt das ohnehin emotional besetzte Thema zusätzlich auf, sodass Illegales und Illegitimes häufig vermischt wird. Per se ist es nicht illegal, eine Briefkastenfirma zu gründen. Zum Beispiel um Übernahmen zu organisieren oder als Kunstsammler anonym zu bleiben. Ein weiteres Beispiel findet man in Ländern, in denen nicht-demokratische Regime herrschen und Privatpersonen ständig durch unsichere Eigentumsverhältnisse, Enteignung oder Erpressung bedroht sind. In solchen Fällen kann der Kapitalabzug nicht nur moralisch nachvollziehbar sein, sondern sogar den Systemwettbewerb verstärken, in dem er Druck auf korrupte und nicht rechtsstaatlich organisierte Regierungen ausübt, ihre Governance Strukturen anzupassen. Illegal wird es dann, wenn diese Firmen benutzt werden, um Einnahmen aus Korruption, Waffen- oder Drogenschmuggel zu waschen oder um Steuern zu hinterziehen.

Liegen tatsächlich Beweggründe vor, die aus deontologischer Perspektive akzeptabel sind, also aus gutem Willen heraus geschehen, gibt es trotzdem keinen Grund, das Kapital gerade in Steueroasen zu transferieren. Denn Briefkastenfirmen können nicht nur auf den Jungferninseln oder in Panama gegründet werden. Auch andere Staaten mit gesicherten Governance Strukturen können Zufluchtsort für Kapital sein, das dort dann aber auch entsprechend versteuert wird. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass in Panama und Co. Briefkastenfirmen nicht aus edlen Motiven gegründet wurden. Länder, in denen ein stabiles System und Rechtsstaatlichkeit herrschen und Eigentumsrechte durchgesetzt werden können, kritisieren zu Recht diejenigen, die sich durch Briefkastenfirmen in Steueroasen nicht an öffentlichen Gütern beteiligen. Die politische Debatte dreht sich daher bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung der Panama-Akten darum, wie die Regeln angepasst werden müssen, damit diese Art von Geschäften möglichst bald nicht mehr nur illegitim ist, sondern qua Gesetz illegal.

Lösungsansätze auf drei Ebenen

Dass kriminelle Machenschaften wie Steuerhinterziehung gesetzlich geahndet werden müssen, steht außer Frage. Eine pauschale Abschaffung von Briefkastenfirmen, wie sie SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert, kann aber nicht der richtige Weg sein. Davon wären auch diejenigen betroffen, die weder illegal noch illegitim handeln. Außerdem geht diese Forderung davon aus, dass alle Staaten sich gut und im Sinne ihrer Bürger verhalten. Das ist aber nicht der Fall. Kluge Lösungen müssen deshalb auf drei Ebenen ansetzen:

  • Staatliche Ebene: Die Ordnungsethik basiert auf der Ansicht, dass die Rahmenordnung so gestaltet sein muss, dass jeder, der sich an die geltenden Regeln hält auch moralisch richtig handelt (Homann/Bloome-Drees, 1992). Der Einzelne wird entlastet und muss sich „nur“ an die Regeln halten und nicht selber sein Gewissen befragen. Da moralisches Verhalten eines Einzelnen am Markt nicht honoriert wird, ist es legitim, innerhalb der Rahmenordnung seinen Nutzen zu maximieren, um als Ehrlicher nicht der Dumme zu sein. Die formalen Gesetze, die Verfassung oder Standards müssen also so gestaltet sein, dass moralisches Verhalten gefördert wird. Wird ein Verstoß sanktioniert, haben die Akteure einen Anreiz, sich moralisch zu verhalten. Die Rahmenordnung ist also der systematische Ort der Moral.
  • Unternehmensebene: In der Realität besteht allerdings das Problem, „dass es eine vollkommene Rahmenordnung aus pragmatischen und systematischen Gründen nie geben kann“ (Enste, 2015, S. 38). Wird ein Steuerschlupfloch geschlossen, entsteht an anderer Stelle ein neues – insbesondere bei international unterschiedlichen Gesetzen. Es wird immer eine Lücke zwischen Legalität und Legitimität – zwischen dem gesetzlich Möglichen und dem gesellschaftlich Gewollten – geben. Deshalb müssen Unternehmen ihre Unternehmenskultur so ausgestalten, dass die Mitarbeiter nicht in Versuchung geführt werden, Schlupflöcher für Kunden auszunutzen, auch wenn diese genau solche Produkte nachfragen. Moral erzeugt für Unternehmen somit Kosten, wenn lukrative Geschäfte aufgrund ethischer Bedenken nicht durchgeführt werden. Diese sind aber letztendlich Investitionen in das Vertrauenskapital, dessen Rendite in stabilen Handlungserwartungen und sinkenden Transaktionskosten besteht. Ein Reputationsverlust in Folge eines Skandals kann langfristig negative Konsequenzen für die Unternehmen haben. Zum einen kann die Gesellschaft den Unternehmen die „license to operate“ entziehen, was im Härtefall Bankrott oder Verstaatlichung zur Folge hätte. Zum anderen kann die Politik die betroffene Branche (über)regulieren, was in vielen Fällen zu steigenden Kosten, zum Beispiel durch bürokratische Berichtspflichten, führen kann. Unternehmen haben auch aus ökonomischen Gründen ein Interesse an ethischem Verhalten. Die gestiegene Anzahl an Whistleblowern und sozialen Medien steigert die Gefahr, entdeckt zu werden. Dadurch sinken die Anreize, sich unethisch zu verhalten. In Verbindung mit der gestiegenen Missbilligung von Steuerhinterziehung in der Gesellschaft über die vergangenen Jahrzehnte (European Values Study, 2015) sind öffentliche Skandale programmiert.
  • Individualebene: Auf individueller Ebene stechen im Fall der „Panama Papers“ vor allem sogenannte Eliten und Personen des öffentlichen Lebens heraus. Diese haben eine besondere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem demokratischen System. Schließlich profitieren sie ja in besonderem Maße von einem funktionierenden Staats- und Gesellschaftssystem, das ihr Eigentum schützt sowie Rechtssicherheit bietet. Die Akzeptanz einer ungleichen Verteilung im Kapitalismus basiert auch darauf, dass die Profiteure zumindest den vereinbarten Anteil an der Steuerlast tragen. Insofern kommt den Eliten eine besondere Ordnungsverantwortung zu, da sie das System in besonderem Maße gegenüber der Gesellschaft repräsentieren. Die Zufriedenheit mit der Demokratie beziehungsweise dem politischen System hängt eng mit dem Ansehen der führenden Persönlichkeiten im Land zusammen (siehe Abbildung). Wird publik, dass sich Teile der Elite dem System entziehen, indem sie zum Beispiel Steuern hinterziehen, kann auch das Vertrauen in das System sinken und im schlimmsten Fall die Bereitschaft abnehmen, zu dessen Aufrechterhaltung beizutragen. Eine mögliche Folge: Vormals ehrliche Personen entziehen sich ebenfalls dem System durch Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit bis hin zu kriminellem Verhalten wie Korruption.

Alle müssen zum öffentlichen Gut beitragen

Sieht man die erfolgreiche marktwirtschaftliche Ordnung und das Gesellschaftssystem als öffentliches Gut, sollten Unternehmen, Eliten und auch jeder andere Bürger dazu beitragen. Für Unternehmen bedeutet das, Mitverantwortung zu übernehmen und nur das zu tun, was auch legitim ist. Um zu vermeiden, dass das zu Wettbewerbsnachteilen führt und um Vorbildfunktionen zu übernehmen, können sie selbst Kooperationen bilden, in denen bestimmte Standards eingehalten werden. Banken etwa könnten Unterstützung von Steuergestaltung oder Geschäfte mit unbekanntem Kapitalursprung ablehnen, auch wenn das erlaubt ist. Beispiele für freiwillige Verbünde, die ethische Standards durchsetzen, sind der UN-Global Compact oder das Textilbündnis. Auch auf politischer Ebene besteht Handlungsbedarf, um gesellschaftliche Erwartungen in konkrete Regeln umzuformulieren. Dazu sollte der Staat Druck auf die Steueroasen ausüben, sich internationalen Standards anzuschließen. So fördert Transparenz einen fairen Wettbewerb. Im Falle von Steueroasen entziehen sich die Staaten transparenten Praktiken und internationalen Forderungen. Der anonyme Whistleblower und der internationale Rechercheverbund haben diese Transparenz jetzt durch investigativen Journalismus hergestellt. Ein guter Zeitpunkt, auch auf politischer Ebene uneinsichtige Staaten zur Kooperation aufzufordern – ganz ohne Kavallerie, aber durch intensive Kommunikation und klare Regeln.

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Theresa Eyerund / Marie Möller: Steueroasen – Mit Kontrolle und Kavallerie gegen Briefkastenfirmen?

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