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Christina Heldman IW-Kurzbericht Nr. 2 30. Januar 2016 Kooperation: Teamplay ist kulturabhängig

Kulturelle Unterschiede können die Integration von Zuwanderern behindern. Was das Zusammenleben erschwert und wie sich die Differenzen überwinden lassen, zeigt die experimentelle Wirtschaftsforschung.

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Teamplay ist kulturabhängig
Christina Heldman IW-Kurzbericht Nr. 2 30. Januar 2016

Kooperation: Teamplay ist kulturabhängig

Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Kulturelle Unterschiede können die Integration von Zuwanderern behindern. Was das Zusammenleben erschwert und wie sich die Differenzen überwinden lassen, zeigt die experimentelle Wirtschaftsforschung.

In vielen Unternehmen arbeiten die Mitarbeiter in Teams zusammen, denn Teamarbeit gilt als innovations- und erfolgsfördernd. Teams funktionieren immer dann besonders gut, wenn alle Beteiligten kooperieren. Lässt sich der Beitrag jedes einzelnen zum Teamergebnis jedoch nicht gesondert messen, haben die Mitglieder einen Anreiz, das eigene Engagement zurückzuschrauben und sich auf der Leistung der anderen auszuruhen. Dieses sogenannte Trittbrettfahrerverhalten gibt es nicht nur am Arbeitsplatz, sondern in zahlreichen alltäglichen Situationen, wie z.B. beim Umweltschutz. Haben die Mitglieder einer Gruppe etwa wegen ihrer kulturellen Hintergründe unterschiedliche Vorstellungen vom passenden Verhalten in solchen Situationen, ist der Teamerfolg gefährdet.

Um derartige Situationen genauer zu ergründen, haben Ökonomen ein Experiment erdacht. Probanden werden dafür in Gruppen eingeteilt und haben die Möglichkeit, sich anzustrengen und den Gruppenerfolg zu steigern. Wie in der Realität beteiligen sich die meisten Menschen auch im Experiment und ruhen sich nicht ausschließlich auf der Leistung der Mitspieler aus. Besonders hoch ist die Kooperationsbereitschaft, wenn die Gruppenmitglieder andere Mitspieler bestrafen können, die sich kaum oder gar nicht beteiligen.

Die Wirtschaftswissenschaftler Benedikt Herrmann, Christian Thöni und Simon Gächter (2008 und 2010) haben ein solches Experiment erstmals großflächig mit 1.120 Studenten in 15 Ländern durchgeführt. Zur Systematisierung wurden diese Länder basierend auf dem Sozialwissenschaftler Ronald Inglehart und Geert Hofstede in sechs Kulturkreise eingeteilt: englischsprachige Länder, das protestantische Europa inklusive Deutschland, orthodoxe Länder, konfuzianische Länder, Südeuropa und arabischsprachige Länder. Die Auswertung zeigte starke Unterschiede im Kooperationsverhalten: In Südeuropa und den arabischsprachigen Ländern war es unterdurchschnittlich niedrig, in den englischsprachigen Ländern sehr hoch.

Warum gibt es so große Unterschiede im Kooperationsverhalten? Als einen möglichen Grund für die niedrigen Beiträge in Südeuropa und den arabischsprachigen Ländern sehen Herrmann und seine Kollegen den Kollektivismus. Der ist in diesen Regionen deutlich stärker ausgeprägt als beispielsweise in englischsprachigen Ländern. Da die Versuchsteilnehmer einander fremd waren, empfanden sie die übrigen womöglich als „Out-Group“. Gruppenfremden gegenüber fühlt man sich weniger zur Kooperation verpflichtet und erwartetet diese im Gegenzug auch nicht von den anderen.

Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler fest, dass die Spieler nicht nur Trittbrettfahrer bestraften, sondern auch Gruppenmitglieder, die sich überdurchschnittlich engagiert hatten. Dieses Phänomen wird als „antisoziale Bestrafung“ bezeichnet und trat besonders häufig in den arabischsprachigen und südeuropäischen Ländern auf. Die Gründe für die antisoziale Bestrafung sind vielfältig und wenig erforscht. Das Motiv der Rache wird vermutet, aber auch deskriptive Normen spielen eine wichtige Rolle, wie die Sozialwissenschaftler Kyle Irwin und Christine Horne (2013) in einem ähnlichen Experiment zeigen konnten. Deskriptive Normen beschreiben die Art, wie sich die meisten Personen verhalten, also das, was die Mehrheit tut. In den arabischsprachigen Ländern und Südeuropa waren die Beiträge zum Teamerfolg überdurchschnittlich niedrig. Wich eine Person positiv ab, empfanden die Mitspieler das Verhalten als Verletzung der deskriptiven Norm und bestraften den „Streber“. Welches Verhalten angemessen ist und welches nicht, hängt demnach auch von den Konventionen ab.

Die unterschiedlichen Normen zeigen sich regelmäßig auch in den Daten des World Values Survey, einer jährlich weltweit durchgeführten Befragung zu verschiedenen Lebensbereichen. Dort wird unter anderem das Vertrauen der Menschen in verschiedene Personengruppen erfragt. Im internationalen Vergleich zeigen sich interessante Unterschiede: In Ländern wie dem Irak, Libyen und Marokko haben die Bewohner sehr großes Vertrauen in ihre Nachbarn, also die Personen, die ihnen nah sind. Menschen, denen sie zum ersten Mal begegnen, vertrauen sie dagegen deutlich weniger. In englischsprachigen Ländern und in Deutschland ist das Vertrauen in die Nachbarn etwas geringer, das in Fremde jedoch höher (siehe Abbildung). Hier spielt die empfundene Nähe also eine schwächere Rolle bei der Vertrauensbildung. Geringes Vertrauen bedeutet auch, dass man eher davon ausgeht, dass sich das Gegenüber egoistisch verhalten wird. Da die Versuchspersonen einander zum ersten Mal begegnet waren, erwarteten jene, die Fremden grundsätzlich weniger vertrauen, möglicherweise keine Kooperationsbereitschaft und kooperierten folglich selber nicht.

Diese Ergebnisse sollten Unternehmen beachten, wenn sie Compliance-Maßnahmen formulieren, beispielsweise zur Einhaltung von Verhaltensregeln in internationalen Teams. Eine starke gemeinsame Unternehmenskultur kann kulturelle Unterschiede schrittweise und langfristig abbauen. Identifizieren sich Menschen mit einer Institution, ist die Folge, dass sie sich als Teil einer Einheit wahrnehmen. Wenn viele Mitarbeiter dieselbe Kultur leben, nehmen sie sich eher als „In-Group“ wahr, also als Gruppe mit einem Wir-Gefühl. Differenzen, die zunächst durch mangelnde empfundene Nähe entstehen, können so leichter überwunden werden.

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