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Regina Flake / Susanne Seyda / Dirk Werner IW-Kurzbericht Nr. 68 8. Juni 2020 Was Unternehmen hilft, während der Corona-Pandemie weiterbildungsaktiv zu sein

Jedes dritte Unternehmen nutzt die Kurzarbeit für Weiterbildung. Um noch mehr Mitarbeiter zu qualifizieren, wünschen sich die Unternehmen eine stärkere finanzielle Förderung sowie breite Unterstützung im Bereich des E-Learnings.

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Was Unternehmen hilft, während der Corona-Pandemie weiterbildungsaktiv zu sein
Regina Flake / Susanne Seyda / Dirk Werner IW-Kurzbericht Nr. 68 8. Juni 2020

Was Unternehmen hilft, während der Corona-Pandemie weiterbildungsaktiv zu sein

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Jedes dritte Unternehmen nutzt die Kurzarbeit für Weiterbildung. Um noch mehr Mitarbeiter zu qualifizieren, wünschen sich die Unternehmen eine stärkere finanzielle Förderung sowie breite Unterstützung im Bereich des E-Learnings.

Die Unternehmen in Deutschland sind stark von der Corona-Krise betroffen. Dies belegt auch eine aktuelle Untersuchung auf Basis des IW-Covid-19-Panels. In knapp drei Viertel der Unternehmen befindet sich zumindest ein Teil der Mitarbeiter aktuell in Kurzarbeit, ist Kurzarbeit bereits beendet oder geplant. Mit diesem Instrument wollen die Unternehmen ihre Fachkräfte in der Krise halten. Dafür besteht eine hohe Motivation, waren die letzten Jahre doch von zunehmendem Fachkräftemangel in vielen Berufen geprägt. Um nach der Krise wieder durchstarten zu können, sind passend qualifizierte Fachkräfte gefragt. Daher würde es sich anbieten, die nun zur Verfügung stehende Zeit für Weiterbildung zu nutzen.

Die Wirkungen einer Wirtschaftskrise auf die Weiterbildungsaktivitäten von Unternehmen sind jedoch theoretisch nicht eindeutig zu bestimmen. Einerseits wird auf Weiterbildung verzichtet, wenn Unternehmen in einer Krisensituation sparen müssen. Es werden zunächst alle Budgets durchforstet, bevor Mitarbeiter entlassen oder Insolvenz angemeldet werden muss. Zudem sind die Erträge von Weiterbildungsinvestitionen mit Unsicherheit verbunden, da nicht klar ist, wann diese sich rechnen. Andererseits ist die Gefahr einer Abwanderung von weitergebildeten Mitarbeitern in Krisenzeiten geringer. Zudem fällt es Unternehmen in der Krise leichter, Mitarbeiter für Weiterbildung zeitlich freizustellen, auch können sie dafür die Kurzarbeit nutzen. Gleichzeitig sendet der Arbeitgeber mit einer Investition in Weiterbildung das positive Signal, dass er die Mitarbeiter trotz der Krise weiterbeschäftigen will. Studien zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 haben gezeigt, dass sich die Krise unterm Strich eher negativ auf das Weiterbildungsengagement der Unternehmen ausgewirkt hat (Bellmann et al., 2014).

Gleichzeitig zeigen die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA), dass die Förderung der Weiterbildung in den Jahren 2008/2009 sehr stark gestiegen ist (Seyda, 2019). Neben der Weiterbildungsförderung von Arbeitslosen fällt hierunter auch die Qualifizierung Beschäftigter, die in der damaligen Krise umfangreicher gefördert wurde als in anderen Jahren. Möglicherweise wurden Weiterbildungsaktivitäten, die in normalen Zeiten Unternehmen selber finanzieren, nun staatlich ko-finanziert. Oder die Individuen hatten einen stärkeren eigenen Antrieb, an Weiterbildung teilzunehmen, um die Krise zur beruflichen Weiterentwicklung zu nutzen.

Unternehmen können auf vielfältige Weise dabei unterstützt werden, um die Krisenzeiten für Weiterbildung zu nutzen.

Knapp die Hälfte der Unternehmen wünscht sich eine Ausweitung der finanziellen Förderung. Dazu gehören beispielsweise eine Erhöhung der Fördersumme oder eine Ausweitung des Personenkreises, der profitiert.

Von ähnlich großer Bedeutung ist aus Sicht der Unternehmen die Förderung der technischen Ausstattung der Mitarbeiter mit Endgeräten oder Software. Auch hier geben mehr als 43 Prozent der Unternehmen an, dass sie sich eine stärkere Unterstützung wünschen, denn digitales Lernen kann ohne technische Voraussetzungen nicht stattfinden. Hier spielt sicherlich die derzeitige deutlich intensivere Nutzung des Homeoffice eine Rolle, die mit einem sprunghaften Anstieg des Bedarfs an Hard- und Software einhergeht.

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Neben Finanzen und Technik haben Unternehmen einen großen Informationsbedarf rund um das Thema E-Learning. Digitale Lernformate eignen sich in der aktuellen Krise aufgrund der Kontaktbeschränkungen sehr gut, um sich zu qualifizieren. Dennoch haben längst noch nicht alle Unternehmen bereits Erfahrungen mit E-Learning gemacht. Beispielsweise hatten vor der Corona-Pandemie gerade einmal gut die Hälfte aller Unternehmen Erfahrungen mit interaktivem webbasiertem Lernen, beispielsweise durch sogenannten MOOCs oder hatten webbasierte Selbstlernprogramme eingesetzt (Flake et al., 2019). Das zeigt sich auch in der aktuellen Befragung: Knapp 40 Prozent der Unternehmen würden intensiver Weiterbildung betreiben, wenn sie mehr Informationen über E-Learning-Angebote und -Formate hätten. 30,2 Prozent der Unternehmen wünschen sich zudem Beispiele guter Praxis und Erfahrungsberichte, die etwa einen Eindruck davon vermitteln, wie andere Unternehmen E-Learning nutzen. Möglicherweise stellt für viele Unternehmen der große Orientierungsbedarf das Haupthindernis zur Nutzung digitaler Medien dar, sodass sie sich wegen der Finanzierung bislang weniger Gedanken gemacht haben.

Knapp ein Viertel der Unternehmen (23,5 Prozent) wünscht sich eine stärkere Öffnung der staatlichen Förderung für E-Learning-Angebote. Um hier bessere Förderbedingungen zu schaffen, sollte daher die staatliche Weiterbildungsförderung beim Thema E-Learning angepasst werden. Laut Qualifizierungschancengesetz können derzeit Weiterbildungen gefördert werden, wenn „die Maßnahme außerhalb des Betriebes oder von einem zugelassenen Träger im Betrieb, dem sie angehören, durchgeführt wird“. Diese Bedingungen sind in Zeiten von Corona aufgrund von Kontaktbeschränkungen nicht oder nur schwer zu erfüllen. Die Bundesagentur für Arbeit begrüßt zwar explizit die alternative Durchführung von Maßnahmen, die bis zum 1. April 2020 begonnen wurden, in Form von E-Learning. Aber neue Maßnahmen können auf dieser Basis nicht gefördert werden. Daher ist eine schnelle Öffnung dieser Regelungen, etwa auch im Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – dem Aufstiegs-BAföG – wichtig, um Krise und Kurzarbeit intensiver für Weiterbildung nutzen zu können.

Dass dies im Sinne der Unternehmen ist, zeigt sich daran, dass 35 Prozent angegeben haben, dass sie Weiterbildungsaktivitäten, die als Präsenzveranstaltungen geplant waren oder bereits begonnen hatten, vollständig oder teilweise digital fortsetzen konnten. Nur 18 Prozent - und damit deutlich weniger - haben angegeben, dass sie die Weiterbildung lieber später wie geplant als Präsenzveranstaltung durchführen möchten. Für eine gute Orientierung der Unternehmen ist es weiterhin wichtig, dass diese Zusage der BA regional einheitlich und für Unternehmen nachvollziehbar umgesetzt wird und auch für neue Weiterbildungsmaßnahmen gilt. Denn Unternehmen sind eher bereit in weitere Qualifizierung zu investieren, wenn sie Planungssicherheit haben.

Die aktuelle Reduzierung der Mindestdauer von geförderten Weiterbildungen von 160 auf 120 Stunden ist zu begrüßen. Allerdings bietet die bloße Reduktion des Stundenumfangs in der Krise keine ausreichende Flexibilität. Viele Unternehmen müssen Mitarbeiter kurzfristig voll einsetzen können, wenn der „Normalbetrieb“ wieder startet. Daher wären Module, die über einen längeren Zeitraum flexibel und digital absolviert werden können, hilfreich.

Eine vergleichsweise geringe Anzahl an Unternehmen wünscht sich in der Krise eine Weiterbildungsberatung oder äußert Unterstützung bei der Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs im Unternehmen (15,4 Prozent). Dies ist ein klares Indiz dafür, dass für Unternehmen nicht die Bedarfsklärung in der Krise das Haupthemmnis für Weiterbildung ist, sondern finanzielle, technische und methodische Fragen im Hinblick auf E-Learning im Vordergrund stehen.

Das IW-Covid-19-Panel

Das IW-Covid-19-Panel ist eine Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft, die von der IW Consult GmbH umgesetzt wird. Die zweite Welle des Panels lief vom 14. bis zum 22. Mai 2020, und es haben insgesamt 377 Unternehmen an der Befragung teilgenommen. Die Umfrage stand allen interessierten Unternehmen offen. Weitere Informationen finden Sie unter www.covid-19-panel.de.

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