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Ralph Henger / Jan Hebecker IW-Kurzbericht Nr. 62 21. September 2018 Immobilien-Index: Anhaltender Boom ohne erwarteten Crash

Die Immobilienbranche und insbesondere der Wohnungsbau bleiben das Schwungrad für die deutsche Konjunktur. Doch trotz der allgemeinen guten Einschätzung des derzeitigen Klimas bestehen Anzeichen für eine Eintrübung.

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Anhaltender Boom ohne erwarteten Crash
Ralph Henger / Jan Hebecker IW-Kurzbericht Nr. 62 21. September 2018

Immobilien-Index: Anhaltender Boom ohne erwarteten Crash

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Immobilienbranche und insbesondere der Wohnungsbau bleiben das Schwungrad für die deutsche Konjunktur. Doch trotz der allgemeinen guten Einschätzung des derzeitigen Klimas bestehen Anzeichen für eine Eintrübung.

Die Wohnungswirtschaft ist weiterhin positiv gestimmt, während sich die Geschäftslage im Büroimmobiliensektor sowie bei den Projektentwicklern verschlechtert. Da nur wenige Unternehmen das Risiko einer Trendumkehr sehen, dürfte der erreichte Scheitelpunkt des historisch lang anhaltenden Immobilienbooms aber sehr flach verlaufen. Trotz sinkender Wachstumserwartungen setzt sich die positive Dynamik der deutschen Konjunktur weiter fort, vor allem getrieben durch die starke Binnennachfrage und die weiterhin niedrigen Zinsen (IW, 2018). Von der starken Nachfrage profitiert speziell auch weiter die Immobilienbranche. Die Auftragsbücher sind voll, der Bau ist ausgelastet. Weiterhin sorgt die hohe Nachfrage nach Wohnungen und Büroflächen für gute Investitionsmöglichkeiten.

Die Konjunkturbefragung des IW-ImmobilienScout24-Index im 3. Quartal 2018 bestätigt erneut die gute Stimmung der Branche. Die antwortenden Geschäftsführer und leitenden Angestellten von 101 Immobilienunternehmen schätzen ihre Lage mit einem Wert von 85,7 erneut sehr gut ein. Das ist nur ein leichtes Minus von 3,7 Punkten im Vergleich zum Vorquartal (siehe Abbildung). Auffällig ist, dass der Büroimmobiliensektor ein deutliches Minus von 12,5 Punkten verzeichnet, bei den Projektentwicklern sind es immerhin noch -9,2 Punkte. Die Aussichten für die nächsten 12 Monate haben sich dafür mit einem Plus von 3,0 Punkten (Wert 5,1) verbessert, sind jedoch anders als in den Vorjahren nicht überdurchschnittlich gut. Das aus der Lage und den Erwartungen gebildete Immobilienklima ist mit 42,1 (+0,2 im Vergleich zum Vorquartal) weiterhin gut.

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Der IW-ImmobilienScout24-Index differenziert nach den vier Einzelsegmenten Büro, Handel, Wohnen und Projektentwickler. Das beste Immobilienklima hat weiterhin der Wohnungsmarkt mit einem Wert von 48,5. Damit ist die Stimmung im Bereich Wohnen innerhalb der Branche zum vierten Mal in Folge am besten. Im Vergleich zum relativ schwachen letzten Quartal ist das Klima um 3,1 Punkte gestiegen. In den beiden Befragungsrunden zuvor wurden aber Spitzenwerte mit über 57 erreicht. Jedoch sinken teilweise die Renditemöglichkeiten, auch weil das Mietsteigerungspotenzial geringer wird. Die angekündigten veränderten politischen Eingriffe in den Wohnungsmarkt sind belastend (verschärfte Mietpreisbremse, reduzierte Modernisierungsumlage), wirken aber auch teilweise positiv (erhöhte Abschreibungen).

Das zweitbeste Immobilienklima erreichen die Projektentwickler. Mit 41,5 (+0,2 im Vergleich zum Vorquartal) liegen sie nun jedoch zum dritten Mal in Folge unter 50 – und damit unter den Werten der vergangenen drei Jahre. Die Ursachen für die nicht mehr ganz so gute Einschätzung liegen in den zunehmenden Flächenknappheiten, die es erschweren an Topstandorten Projekte zu realisieren. Zudem führen die steigenden Bodenpreise und Auflagen bei der Entwicklung neuer Wohnflächen (zum Beispiel für bezahlbaren Wohnraum) zu sinkenden Renditen. Insgesamt sind aber die Lage (85,7) als auch die weiterhin aufwärtsgerichteten Erwartungen (4,1) aufgrund der hohen Baunachfrage immer noch gut.

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Büro und Handel teilen sich mit einem Immobilienklima von 39,6 den letzten Platz im Ranking der Einzelsegmente. Allerdings mit unterschiedlichen Vorzeichen. Im Bürosegment sinkt das Klima nun zum zweiten Mal in Folge deutlich. Diesmal mit 4,5 Punkten (zuvor -5,1) – und damit dem zweitschlechtesten Wert der vergangenen vier Jahre. Aber dennoch ist bei Büros das derzeitige Marktumfeld freundlich, was die immer noch gute Lageeinschätzung (80,0) mit einer positiven Erwartung (5,0) belegt. Beim Handel ist das Immobilienklima im Vergleich zum Vorquartal hingegen nach dem schwachen Vorquartal gestiegen (+7,2). Insbesondere die Lage wird mit 12,1 deutlich besser eingeschätzt. Eine nun sehr deutliche Mehrheit der Immobilienunternehmen des Handels erwartet steigende Mieten und Renditen. So viele Unternehmen, wie seit 2014 noch nicht gemessen, wollen ihre Bestände ausweiten. Zu diesen Angaben passt die unlängst beschlossene Fusion der beiden verbliebenen Warenhaus-Betreiber Kaufhof und Karstadt ins Bild, die sich speziell mit ihren Immobilien in Zukunft gemeinsam besser aufstellen und die Flächen ihrer Immobilien verstärkt vermieten wollen.

Die Vertiefungsfragen zeigen, dass die hohe Nachfrage und die daraus folgenden steigenden Preise und Mieten die Stimmung trägt. 49 bzw. 67 Prozent der Unternehmen erwarten, dass der Wert ihres Immobilienportfolios bzw. die Mieten ihres Bestandes in den nächsten 12 Monaten steigen werden. Auffällig ist jedoch, dass nun deutlich mehr von gleichbleibenden Immobilienpreisen ausgehen, nämlich 46 Prozent und damit 9 Prozentpunkte mehr. Dies ist der zweithöchste Wert seit 4 Jahren, was auf ein allmähliches Ende der Preisrally hindeutet. Die den Preisen in der Regel nachlaufenden Mieten verfestigen die Einschätzung, dass wir uns eher am Ende als am Anfang der Hochphase der Konjunktur befinden.

Die hohe Nachfrage nach Immobilien aller Assetklassen zeigt sich auch in den Vorvermarktungen der Projektentwickler. Im 1. Quartal 2018 wurde der Rekordstand bei den Vorvermietungen erreicht, der darauf hingedeutet hat, dass die Projektentwickler eine hohe Marktmacht ausüben können. Während damals noch 53 Prozent angaben, dass der Anteil der vor Fertigstellung vermieteten Objekte in den nächsten 12 Monaten zulegen wird, sind es heute nur noch 42 Prozent. Bei den Vorverkäufen entspannt sich die Situation dahingehend ebenfalls. So erwartet nur noch eine deutliche Minderheit von 17 Prozent einen steigenden Anteil – 63 Prozent aber gleichbleibende Vorverkäufe. Dies liegt dem Vernehmen nach daran, dass nun verstärkt Projekte an alternativen Standorten vorangetrieben werden. Diese sind zwar mit geringeren Vorverkäufen aufgrund geringerer Nachfrage gekennzeichnet, werden jedoch trotzdem im hohen Maße als vermarktungsfähig eingestuft.

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Die Sonderfrage der diesmaligen Konjunkturbefragung beschäftigt sich mit den Marktrisiken. Konkret wurde gefragt: In welcher der folgenden Städte sehen Sie die größten Risiken für eine Trendumkehr des aktuellen Immobilienbooms? Ankreuzen konnten die Teilnehmenden die einzelnen sieben A-Standorte Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart. Weitere Möglichkeit war „Eine andere Stadt, und zwar an einem B-Standort (z.B. Bochum oder Bremen)“ und „Eine andere Stadt oder Gemeinde, die kein A- oder B-Standort ist“ zu wählen. Bei allen Standorten wurde differenziert nach den drei Teilsegmenten, Wohnen, Büro und Handel gefragt.

Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass eine große Mehrheit der Immobilienunternehmen keine schnelle Trendumkehr des aktuellen Booms erwartet. Keine Angabe machten im Bereich Einzelhandel 57 Prozent, im Bereich Büro 51 Prozent und im Bereich Wohnen 39 Prozent. Auch wenn sich einige Teilnehmenden bei der Beantwortung der Frage mit Sicherheit nicht für einen Standort festlegen konnten, deutet dies auf eine insgesamt recht positive Erwartungshaltung hin. Das größte Risiko befürchten damit Immobilienunternehmen der Wohnungsbranche. Die heißesten Standorte sind im Bereich Wohnen München (19 Prozent) und Berlin (13 Prozent). Selbst in den Standorten, in denen die stärksten Überhitzungstendenzen zu erkennen sind, sieht damit nur ein sehr geringer Anteil der Unternehmen das Risiko einer Trendumkehr. An dritter Stelle wurden mit ebenfalls 13 Prozent Nicht-A- oder B-Standorte genannt. Offensichtlich wird für die Nicht-Toplagen befürchtet, dass dort Überkapazitäten entstehen, die diese Märkte kippen lassen können.

Im Bereich Büro erwarten die meisten Unternehmen eine Trendumkehr in den B-Standorten (11 Prozent), gefolgt von den Städten Berlin (10 Prozent), Frankfurt am Main (9 Prozent) und München (6 Prozent). Das sind beruhigende Zahlen, zumal Überkapazitäten wie sie nach dem Platzen der dotcom-Blase 2001 entstanden sind, nicht zu erkennen sind und sich die Leerstände weiter deutlich abbauen. Für die B-Standorte gilt ganz generell, dass diese bei einem konjunkturellen Einbruch als erstes in Mitleidenschaft geraten. Dies erklärt die Sorge für diese Standorte. Beim Einzelhandel wird die Trendumkehr vor allem im ländlichen Raum und in den Nicht A- und B-Standorten gesehen (8 Prozent). B-Standorte folgen mit ebenfalls 8 Prozent und Berlin mit 7 Prozent.

Die Ergebnisse der Befragung der Immobilienunternehmen im 3. Quartal verdeutlichen, dass sich der anhaltende Trend in der Immobilienwirtschaft in voraussichtlich abgeschwächter Form weiter fortsetzen wird. Die Einzel­indikatoren insbesondere zu den Immobilienpreisen zeigen zudem, dass die Boomphase ihren Höhepunkt erreicht hat. Bleibt das günstige konjunkturelle Umfeld erhalten, kann die aktuelle Hochphase jedoch noch ohne weiteres einige Jahre andauern.

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