Neubauten werden immer teurer. Das liegt nicht nur an den allgemeinen Material- und Arbeitskosten. Wesentlich relevanter sind die gestiegenen qualitativen und energetischen Anforderungen an den Wohnungsbau. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bedarf es auch eines Umdenkens hinsichtlich der Ansprüche an Neubauten und einer Entschlackung der Normenlandschaft.
Niedrige Baukosten: Vorbild Niederlande
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Neubauten werden immer teurer. Das liegt nicht nur an den allgemeinen Material- und Arbeitskosten. Wesentlich relevanter sind die gestiegenen qualitativen und energetischen Anforderungen an den Wohnungsbau. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, bedarf es auch eines Umdenkens hinsichtlich der Ansprüche an Neubauten und einer Entschlackung der Normenlandschaft.
2007 war Bauen nur gut sechs Prozent teurer als 1994. 13 Jahre lang waren die Neubaupreise für Miet- und Eigentumswohnungen lediglich um etwa 0,5 Prozent pro Jahr gestiegen und lagen bei rund 1200 Euro je Quadratmeter. 2017 allerdings kostete der Bau einer 100 Quadratmeter großen Wohnung knapp 50.000 Euro mehr als noch zehn Jahre zuvor. Die durchschnittlichen Baukosten stiegen somit zwischen 2007 und 2017 um mehr als 33 Prozent – jährlich rund 3 Prozent. Hauptgrund für den rasanten Anstieg sind die zunehmenden Anforderungen an den Neubau.
Neubauten werden ohnehin immer teurer. Die Qualität steigt im Zeitverlauf, Materialkosten wachsen an. Die Löhne für qualifizierte Arbeitskräfte legen ebenfalls zu. Zuletzt sind die Kosten für Bauland – gerade in den Ballungsräumen – stark angestiegen. Die allgemeinen Baukosten sind laut Statistischem Bundesamt jedoch seit 2000 nur unwesentlich stärker gestiegen als die Lebenshaltungskosten. Die starken Preissteigerungen im Wohnungsneubau bedürfen somit weiterer Erklärungen.
Die allgemeinen Baukosten geben reine Preiseffekte im Bau wider. Nicht enthalten sind Kostensteigerungen, die etwa auf höhere qualitative Anforderungen zurückgehen. Genau diese sind jedoch in den letzten Jahren stetig gestiegen, wie Statistiken zu veranschlagten Baukosten zeigen, die nach der DIN 276 die Kosten für die Baukonstruktion und das Bauwerk selbst beinhalten. So wurden die energetischen Standards in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht, um die Klimaschutzziele zu erreichen (BMWi/BMU, 2010). Aber auch andere Normen, wie zum Beispiel der Brandschutz führten zu einem deutlichen Kostenanstieg. Konkrete Kostentreiber sind des Weiteren erhöhter Schallschutz und Wärmedämmung, Barrierereduktion, Einbau von Aufzügen, Tiefgaragenstellplätze und großzügigere Flächen um die Wohngebäude (BMUB, 2016).
Diese Maßnahmen spiegeln neben gestiegener gesetzlicher Standards auch höhere Anforderungen der Wohnungsnutzer wider. Das gilt auch für den Bau von Mietwohnungen, denn Vermieter haben ein hohes Interesse, die angebotenen Wohnungen möglichst nach Wunsch der Mieter zu gestalten, um eine schnelle Neuvermietung zu garantieren.
All dies bleibt aber natürlich nicht ohne Kosten. Die Arbeitsgemeinschaft für Zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE e.V.) berücksichtigt bei ihren Berechnungen zur Kostenentwicklung die gestiegenen Qualitäts- und Anforderungsbedingungen. Demnach haben allein die energetischen Anforderungen wie die verschiedenen Stufen der Energieeinsparverordnung (EnEV 2002/2009/2014 ab 2016) beziehungsweise des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetztes (EEWärmeG 2009) zwischen 2000 und 2017 zu einer Steigerung der Baukosten für Wohngebäude von 19 Prozent geführt (siehe ARGE 2015 und aktualisierte Daten für die Jahre 2016-2017). Für den Bau einer Mietwohnung mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 1240 Euro in 2000 und einer Größe von 100 Quadratmetern entspricht dies einer absoluten Preissteigerung von knapp 24.000 Euro.
Neben der reinen Preissteigerung aufgrund der gestiegenen Komplexität der Bauweise verhindern die zeitlich eng aufeinanderfolgenden Neuerungen auch, dass Bauunternehmen von Skaleneffekten profitieren können. Lerneffekte und Größenvorteile, die allgemein zu Kosteneinsparungen führen, bleiben dadurch im Wohnungsbau weitgehend aus.
Um die Kostensteigerung im Wohnungsbau einzudämmen, müssen Standards im Bau überprüft werden. Auf internationaler (ISO), europäischer (EN) und deutscher (DIN) Ebene hat die Baukostensenkungskommission rund 3.300 für den Bau in Deutschland relevante Normen gezählt. Hinzu kommen noch zahlreiche Auflagen der Landesbauordnungen und der Kommunen.
Technologieoffene Normen legen den Grundstein für kosteneffizientere Bauweisen und bieten Anreize für Innovationen. Anstelle genauer Vorgaben sollten Ziele rücken, etwa hinsichtlich des Energieverbrauchs. Unsere niederländischen Nachbarn bauen nicht zuletzt auf Grund ihrer reformierten Bauordnung - die sich weitgehend auf Ziele stützt - günstiger (Meijer, Frits / Visscher, Henk / Sheridan, Linda, 2002). Die Baukosten je Wohnung sind in den Niederlanden in den vergangenen 10 Jahren um lediglich 6 Prozent gestiegen. In Deutschland kostet Bauen im Jahr 2017 dagegen ein Drittel mehr als 2007 (siehe Abbildung).
Es ist unzweifelhaft, dass viele Auflagen und Anforderungen für sich genommen richtig sind, in der Gesamtheit haben sie die Neubaukosten jedoch stark erhöht. Wichtig wäre es daher, wie in den Niederlanden die Bauordnungen komplett zu überprüfen und nicht mehr benötigte Regelungen zu streichen. Hinzu kommt, dass statt konkreter Vorgaben mehr Ziele formuliert werden sollten, um die Innovationstätigkeit der Bauwirtschaft nutzen zu können. Angesichts von bislang 16 Landesbauordnungen ist dies zweifelsohne eine große Aufgabe. Über den Weg einer entschlackten und technologieoffenen Musterbauordnung könnten jedoch die direkten Effekte mittelfristig weitere Einsparungen bewirken. So bergen neue Konzepte in der Fertigbauweise Einsparpotenziale, welche jedoch aufgrund der geringen Fallzahlen bisher kaum zum Tragen kommen. Aktuell ist serielles Bauen im Mittel nur geringfügig preiswerter als konventionelle Bauweisen (GdW / BMI, 2018), aber bei einer einheitlichen Bauordnung wäre die Realisation von Größenvorteilen leichter.
Darüber hinaus wäre es hilfreich, wenn die Bauordnung mehr Experimentierklauseln zulassen würde. Insgesamt ist davon auszugehen, dass nicht jeder Neubau 50 Jahre und mehr genutzt werden wird. Angesichts der stark gestiegenen Zahl von Studenten ist aktuell der Bedarf an Wohnheimplätzen sehr groß, doch in ein paar Jahren wird der Bedarf aus demografischen Gründen wieder sinken (vgl. Voigtländer, 2017). In solchen Fällen wäre es richtig, die Anforderungen an Neubauten an die geplante kürzere Nutzungsdauer anzupassen. Aufgrund der langen Leerstandszeiten von Studentenwohnheimen in den Semesterferien könnte auch über eine entsprechende Lockerung des Energiestandards nachgedacht werden, ohne den wichtigen Klimaschutz aus den Augen zu verlieren.
Das Beispiel Niederlande zeigt, dass es Möglichkeiten gibt, die Kostensteigerungen im Neubau einzudämmen. Allerdings ist eine Senkung eher unrealistisch. Günstiger Wohnraum wird daher auch in Zukunft vor allem im Bestand zu finden sein.
Niedrige Baukosten: Vorbild Niederlande
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Serieller Wohnungsbau: Die Zukunft des Bauens oder gebauter Alptraum?
Beim seriellen Wohnungsbau scheiden sich die Geister. IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer und Moderator Hauke Wagner diskutieren die Vor- und Nachteile dieser Bauweise und gehen der Frage nach, ob wir so unser Wohnungsmarktproblem lösen.
IW
Sachsen-Anhalt: Wo gutes Leben bezahlbar ist – eine Analyse ausgewählter Indikatoren zum Leben in Sachsen-Anhalt, Deutschland, Westdeutschland und Ostdeutschland
Die ostdeutschen Länder gelten oftmals als wirtschaftlich vom Westen abgehängt. Gleichwohl hat in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung ein erheblicher Aufholprozess stattgefunden, sodass viele ostdeutsche Regionen inzwischen in vielerlei Hinsicht genauso ...
IW