Auf Basis von Konsumausgaben nach Altersgruppen können Lockerungseffekte für bestimmte Altersgruppen in Deutschland bestimmt werden. Der größte Konsumimpuls geht von der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen aus. Pro Monat geben diese Haushalte in normalen Zeiten über 4,4 Milliarden Euro für Restaurants, Hotels, Freizeit- und Kultureinrichtungen aus. Das entspricht gut einem Viertel dieses Konsums. Diese Schätzung liefert eine Orientierung – einer vollständigen Wirksamkeit stehen derzeit noch Hindernisse im Weg.
Konsumpotenziale nach Altersgruppen in Deutschland
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Auf Basis von Konsumausgaben nach Altersgruppen können Lockerungseffekte für bestimmte Altersgruppen in Deutschland bestimmt werden. Der größte Konsumimpuls geht von der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen aus. Pro Monat geben diese Haushalte in normalen Zeiten über 4,4 Milliarden Euro für Restaurants, Hotels, Freizeit- und Kultureinrichtungen aus. Das entspricht gut einem Viertel dieses Konsums. Diese Schätzung liefert eine Orientierung – einer vollständigen Wirksamkeit stehen derzeit noch Hindernisse im Weg.
Die erneute Infektionswelle infolge der Corona-Pandemie hat in Deutschland im Frühjahr 2021 zu fortgesetzten Einschränkungen des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens geführt. Damit liegen zum einen die Geschäftspotenziale in Teilen der Dienstleistungsökonomie weiter brach – mit möglicherweise bleibenden Schäden beim Wachstumspotenzial dieser Wirtschaftszweige. Zum anderen können die bestehenden Konsumpotenziale in Deutschland weiterhin nicht in Stellung gebracht werden (Bardt/Grömling, 2021). Da auf den privaten Konsum gut die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage entfällt, bleibt die konjunkturelle Dynamik erst einmal abgebremst.
Mit der fortschreitenden Impfung der Bevölkerung – Anfang Mai 2021 haben 8 Prozent der Bevölkerung ihre zweite und gut ein Viertel ihre erste Impfung erhalten – und in Kombination mit den breitflächig bestehenden Testkapazitäten stellt sich die Frage nach den weiteren Öffnungsoptionen sowie nach den damit erwartbaren ökonomischen Impulsen. Zudem scheint sich die Infektionslage Anfang Mai 2021 wieder zurückzubilden.
Hier wird mit Blick auf zwei besonders von Restriktionen betroffene Teile der Dienstleistungsökonomie untersucht, welche Bedeutung der Nachfrage unterschiedlicher Altersgruppen in Deutschland für das entsprechende Konsumpotenzial und die darauf ausgerichteten Unternehmen zukommt. Dies liefert eine empirische Orientierung für Lockerungseffekte infolge der Impffortschritte und Testintensivierung bei bestimmten Altersgruppen.
Datenbasis für diese Orientierung ist die Laufende Wirtschaftsrechnung (LWR) des Statistischen Bundesamtes. Diese Statistik liefert Informationen über die Einnahmen und Ausgaben von privaten Haushalten fast aller sozialen Gruppierungen, um damit ein repräsentatives Bild der Lebenssituation in Deutschland zu zeichnen. Seit dem Erhebungsjahr 2005 wird die LWR als Unterstichprobe der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) erhoben. Haushalte von Selbstständigen und mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von über 18.000 Euro im Monat sind nicht enthalten. Die Auswertung bezieht sich auf die monatlichen Konsumausgaben je Haushalt im Jahr 2019. Die Altersgruppen sind nach dem Alter der Haupteinkommensperson des Haushalts abgegrenzt. Die Analyse richtet sich nach den in der Statistik vorgegebenen Altersgruppen.
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Zunächst zeigt die Auswertung, dass die absoluten Konsumausgaben der Haushalte in den mittleren Lebensjahren (35 bis 54 Jahre) mit rund 2.900 Euro erheblich höher sind als die Konsumausgaben der höheren Jahrgänge (65 bis 79 Jahre) mit rund 2.400 Euro. Die Konsumausgaben der 55- bis 65-Jährigen sind mit 2.600 Euro etwas höher als der Gesamtdurchschnitt über alle Haushalte. Im Gegensatz zu den absoluten Ausgaben sind die Konsumquoten in den höheren Altersgruppen erheblich höher als in den mittleren Altersgruppen. Dabei werden hier die Konsumausgaben auf das sogenannte Ausgabefähige Einkommen der Haushalte bezogen. Bei den 65- bis 69-Jährigen entfallen 84 Prozent und bei den 70- bis 79-Jährigen knapp 80 Prozent der Ausgabefähigen Einkommen auf den Konsum. Dagegen sind es bei den 25- bis 55-Jährigen deutlich unter 70 Prozent. Die hohen Konsumquoten der Älteren erklären sich aus den niedrigeren Einkommen und aus dem Entsparen, also dem Auflösen von Ersparnissen im Alter.
Ein Blick auf die Verwendungszwecke bei den privaten Konsumausgaben zeigt über alle Altersgruppen hinweg klare Schwerpunkte beim Konsum: Unabhängig von den Altersgruppen weisen die Bereiche Wohnen/Energie (35 Prozent), Ernährung (14 Prozent), Verkehr (14 Prozent) und Freizeit/Unterhaltung/Kultur (11 Prozent) die höchsten Anteile auf. Die Werte in Klammern entsprechen den Anteilen über alle Altersgruppen. Allerdings gibt es teilweise deutliche Strukturunterschiede zwischen den Generationen: Bei der höchsten Altersgruppe haben die Bereiche Wohnen/Energie (42 Prozent) und Gesundheit (8 Prozent) eine deutlich höhere und der Bereich Verkehr (8 Prozent) eine erheblich niedrigere Bedeutung.
Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie treffen nicht alle Konsumbereiche der privaten Haushalte im gleichen Ausmaß. Besondere Restriktionen sind in den beiden Bereichen Freizeit/Unterhaltung/Kultursowie bei den Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen zu sehen. Auch der Verwendungsbereich Bekleidung/Schuhe leidet unter Einschränkungen. Über alle Altersgruppen hinweg entfallen auf die beiden zuerst genannten Konsumsegmente gut 17 Prozent der Konsumausgaben. In den höheren Altersgruppen liegt der Anteil hier zwischen 16 und 17 Prozent. In absoluten Größen sind die Ausgaben der Älteren jedoch niedriger als bei den mittleren Jahrgängen: Während etwa die Altersgruppe der 35- bis 54-Jährigen pro Haushalt und Monat mehr als 500 Euro für Freizeit/Unterhaltung/Kultur sowie Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen ausgibt, sind es bei den 65- bis 79-Jährigen rund 400 Euro und bei den Haushalten mit der Haupteinkommensperson über 80 Jahre rund 350 Euro.
Diese Daten aus der LWR können als Ausgangspunkt herangezogen werden, um eine Orientierung dafür zu bekommen, welche gesamtwirtschaftlichen Impulse die jeweiligen Haushalte nach Altersgruppen für die einzelnen Konsumbereiche liefern können. Übertragen auf die gegenwärtige Situation – einem Komplettausfall in den Bereichen Gast- und Beherbergungsdienste sowie Freizeit/Unterhaltung/Kultur infolge der Restriktionen –kann ein Öffnungseffekt für verschiedene Altersgruppen berechnet werden (Abbildung). Auf Basis einer Hochrechnung haben etwa alle Haushalte in der Altersgruppe 65 bis 69 Jahre (Alter der Haupteinkommensperson) im Jahr 2019 insgesamt pro Monat knapp 950 Millionen Euro für Freizeit/Unterhaltung/Kultur sowie knapp 500 Millionen Euro für Gast- und Beherbergungsdienstleistungen ausgegeben. Zusammen sind das 1,44 Milliarden Euro pro Monat und dies entspricht knapp 9 Prozent des entsprechenden Konsums über alle Altersgruppen. Dabei gilt es zu beachten, dass diese Analysegruppe nur fünf Altersjahrgänge umfasst – die meisten anderen Gruppen aber zehn Jahre. In der Gruppe der 70- bis 79-Jährigen beläuft sich der Gesamteffekt auf knapp 2 Milliarden oder knapp 12 Prozent des Gesamtkonsums beider Verwendungsbereiche. Die Abbildung zeigt, dass im Gefüge all dieser Altersgruppen der größte Konsumimpuls von der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen ausgeht. Pro Monat würde auf Basis der Werte von 2019 eine unbefangene Konsumtätigkeit dieser Altersgruppe einen Impuls in Höhe von über 4,4 Milliarden Euro für die beiden Bereiche Freizeit/Unterhaltung/Kultur sowie Gast- und Beherbergungsdienstleistungen liefern – und damit für gut ein Viertel des Konsums aller Altersgruppen in diesen beiden Segmenten.
Diese Werte können eine empirische Orientierung dafür liefern, welche Impulse in diesen beiden besonders von Einschränkungen belasteten Konsumbereichen durch eine vollständige Lockerung auftreten können. Grundvoraussetzung für einen solchen Impuls ist, dass nicht nur die Nachfrage-, sondern auch die Angebotsrestriktionen gelockert werden (Bardt/Hüther, 2021). Freizügigkeit vollständig geimpfter Kunden wirkt nur bei offenen Gastronomie- und Veranstaltungsbetrieben. Auch treffen die Nachfrageimpulse auf eine Angebotsseite, die zunächst nicht derjenigen des Jahres 2019 entspricht. Beispielsweise wären bei einer vollständigen Öffnung der entsprechenden Betriebe weitere Einschränkungen – wie etwa der Mindestabstand zwischen den Tischen –zu beachten. Auch die Anzahl der Unternehmen kann mittlerweile niedriger sein, was den gesamtwirtschaftlichen Konsumimpuls vermindern kann. Des Weiteren können nicht alle potenziellen Konsumenten der jeweiligen Altersgruppen alle notwendigen Voraussetzungen – vollständige Impfung oder zertifizierten Test – erfüllen. Zudem ist gegenwärtig nicht auszuschließen, dass sich die Konsumenten auch zurückhalten und ihren früheren Konsumgepflogenheiten noch nicht vollumfänglich nachkommen wollen.
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