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Martin Beznoska / Ruth Maria Schüler IW-Kurzbericht Nr. 40 7. Juni 2023 Lohnt sich der Hinzuverdienst bei vorgezogenem Rentenbezug?

Zum 1. Januar 2023 ist die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten gefallen. Rentnerinnen und Rentner, die vorzeitig mit Abschlägen oder abschlagsfrei in Rente gehen, können neben dem Bezug ihrer Rente unbegrenzt sozialversicherungspflichtig weiterverdienen. Die Abgabenbelastung ist jedoch relativ hoch, so dass die Arbeitsanreize eher gering sind.

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Lohnt sich der Hinzuverdienst bei vorgezogenem Rentenbezug?
Martin Beznoska / Ruth Maria Schüler IW-Kurzbericht Nr. 40 7. Juni 2023

Lohnt sich der Hinzuverdienst bei vorgezogenem Rentenbezug?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Zum 1. Januar 2023 ist die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten gefallen. Rentnerinnen und Rentner, die vorzeitig mit Abschlägen oder abschlagsfrei in Rente gehen, können neben dem Bezug ihrer Rente unbegrenzt sozialversicherungspflichtig weiterverdienen. Die Abgabenbelastung ist jedoch relativ hoch, so dass die Arbeitsanreize eher gering sind.

Bis 2019 betrug die Hinzuverdienstgrenze für Rentnerinnen und Rentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze pro Jahr 6.300 Euro. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze war und ist der Hinzuverdienst unbegrenzt. Einkommen, welches die Grenze von 6.300 Euro überstieg, wurde zu 40 Prozent von der Rente abgezogen. Zusätzlich gab es einen Hinzuverdienstdeckel, der sich am höchsten Einkommen der 15 Jahre vor Renteneintritt bemisst. Dahinter stand die Idee, dass die gesetzliche Rente das Arbeitseinkommen im Ruhestand ablösen soll. Während der Corona-Pandemie wurde die Hinzuverdienstgrenze zunächst im Jahr 2020 auf 44.590 Euro und bis 2022 weiter bis auf 46.060 Euro angehoben. Die Bundesregierung fürchtete, dass wegen der pandemischen Gefahrenlage ältere Beschäftigte vermehrt vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden würden. So sollten Anreize für eine Fortführung oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung gesetzt werden. Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels entfällt die Grenze zum 1. Januar 2023 ganz.

Im Jahr 2021 traten von den 858.000 neuen Rentnerinnen und Rentnern, die eine Altersrente beziehen, mehr als die Hälfte vorzeitig – also vor Erreichen der Regelaltersgrenze von damals 65 Jahren und 10 Monaten – in den Ruhestand (Deutsche Rentenversicherung, 2021). 31 Prozent konnten abschlagsfrei in Ruhestand treten, weil sie 45 Versicherungsjahre erreicht hatten und aufgrund dessen bis zu zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze ihre Rente ohne Abzüge beziehen können. 21 Prozent entschieden sich für einen vorzeitigen Renteneintritt mit Abschlägen. Dies ist möglich, wenn 35 Versicherungsjahre erreicht sind. Für jeden Monat vorzeitigen Rentenbezug müssen diese Rentnerinnen und Rentner allerdings einen Abschlag von 0,3 Prozent auf ihre bis dahin erreichte Anwartschaft hinnehmen. 6 Prozent der Altersrenten werden von Personen mit Schwerbehinderung bezogen, deren Altersgrenze stufenweise auf 65 Jahre steigt. Damit traten im Jahr 2021 lediglich knapp 42 Prozent der Neurentnerinnen und -rentner, welche eine Altersrente bezogen, frühestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente.

Der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze soll die langjährig und besonders langjährig Versicherten nun dazu motivieren, ihre Erwerbstätigkeit weiterzuführen, selbst wenn sie bereits eine Rente beziehen.

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Doch auch wenn der Hinzuverdienst nicht mehr auf die vorzeitig beantragte Rente angerechnet wird, werden darauf Abgaben fällig. So wurde die Besteuerung des Renteneinkommens seit dem Jahr 2005 schrittweise von der vorgelagerten auf die nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Dabei erhöht sich der steuerpflichtige Anteil der Altersrente mit jedem Jahr späteren Rentenzugangs. Bei Renteneintritt im Jahr 2023 beträgt der steuerliche Freibetrag nur noch 17 Prozent der gesetzlichen Jahresrente und wird auch für die Folgejahre nicht mehr angepasst. Das bedeutet auch, dass spätere Rentenerhöhungen vollständig steuerpflichtig sind. Das Renteneinkommen kann deshalb dafür sorgen, dass der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer bereits ausgeschöpft ist und somit der Hinzuverdienst vollständig der Steuer unterliegt.

Im Gegensatz zu Rentnerinnen und Rentnern, die bereits die Regelaltersgrenze erreicht haben und die auf einen Arbeitnehmerbeitrag zur Gesetzlichen Rentenversicherung verzichten können (der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung entfällt in jedem Fall), müssen bei vorzeitigem Rentenbezug bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze alle Sozialbeiträge auf die Arbeitseinkünfte geleistet werden – also Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Immer-hin werden damit auch weitere Rentenanwartschaften erworben.

Im oberen Teil der Tabelle lässt sich die Abgabenbelastung des Hinzuverdiensts für verschiedene Fallkonstellationen aus Renten- und Arbeitseinkommen für alleinstehende Personen vergleichen. Hierbei wird von einem eventuellen Wohngeldanspruch zusätzlich zur Rente abstrahiert, der je nach Miethöhe nicht auszuschließen ist. Der Wegfall von Wohngeld reduziert tendenziell die Attraktivität einer Weiterbeschäftigung über die hier ausgewiesenen Abgabenbelastungen hinaus. Auch von weiteren Einkommensquellen im Alter wird abstrahiert.

Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze liegt die Belastung des Arbeitseinkommens mit Sozialabgaben und Steuern bereits bei einem Renteneinkommen von 15.000 Euro im Jahr und einem Hinzuverdienst von 25.000 Euro bei 38,4 Prozent. Ohne Renteneinkommen würde die Belastung des Arbeitseinkommens nur bei 26,6 Prozent liegen. Entsprechend steigt bei höherem Renteneinkommen die Belastung über 40 Prozent. In der Kombination mit hohem Renteneinkommen und einem Hinzuverdienst von 100.000 Euro liegen dessen durchschnittliche Abgaben bei 46 Prozent. Obwohl für das Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen die Sozialabgaben nicht mehr steigen, wird der Solidaritätszuschlag fällig, der die Gesamtbelastung weiter erhöht. Bei Betrachtung des Nettoeinkommenseffekts sind die Arbeitsanreize demnach nicht besonders hoch, wenn die Entscheidung für einen vorzeitigen Rentenbezug grundsätzlich eine hohe Präferenz für Freizeit ausdrückt. Die hohe Abgabenlast senkt den Anreiz weiterzuarbeiten, auch wenn die Rente abschlagfrei bezogen werden kann.

In den Fallkonstellationen eines Ehepaars wird zunächst angenommen, dass die Frau noch keine Rente bezieht und in Teilzeit arbeitet und der Mann neben dem Rentenbezug weiterarbeitet. Die Abgabenbelastung eines Arbeitseinkommens von 25.000 Euro bei einer Rente von 15.000 Euro und einem Teilzeit-Einkommen der Frau von 20.000 Euro liegt ebenfalls bei fast 38 Prozent, bei höheren Einkommen bei bis zu 40 Prozent. Der Grund für die langsamer steigende Abgabenbelastung liegt im Ehegattensplitting begründet, das für den Erstverdiener den Grenzsteuersatz reduziert.

In Konstellation B arbeitet die Frau neben dem Rentenbezug weiter und der Mann ist bereits im Ruhestand. Bei einem geringen Renteneinkommen der Frau (zum Beispiel durch Kinderbetreuungsauszeiten, Pflege- und Teilzeitarbeit) von 10.000 Euro und einem Renteneinkommen des Manns von 15.000 Euro läge die Abgabenbelastung eines Arbeitseinkommens von 25.000 Euro mit 32,5 Prozent relativ niedrig. Unter den gewählten Fallbeispielen lohnt es sich in dieser Konstellation am ehesten weiterzuarbeiten. Liegt das Renteneinkommen des Mannes höher, zum Beispiel bei 25.000 Euro, steigt die Abgabenbelastung des Arbeitseinkommens wiederum auf fast 38 Prozent. Im letzten Fallbeispiel haben beide Partner einen hohen Rentenanspruch von 25.000 Euro. Hier sinkt die Abgabenbelastung des Arbeitseinkommens wieder leicht. Der Grund ist, dass bereits vorher recht hohe Steuern gezahlt werden, die durch die Abzugsfähigkeit der Sozialbeiträge auf das Arbeitseinkommen gemindert werden.

Die Bundesregierung will den Wegfall der Hinzuverdienstgrenze im Jahr 2027 evaluieren lassen. Bisher ist die Zahl der Menschen, die im Alter hinzuverdienen trotz deutlicher Anhebung der Hinzuverdienstgrenze seit 2020 gering und erfolgt mehrheitlich über eine nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Minijob (Schäfer, 2021). Wie viele Personen sich vor dem Hintergrund einer hohen Abgabenbelastung für die Weiterarbeit entscheiden, bleibt abzuwarten. Zu vermuten ist, dass die Gesetzesänderung weniger zu einer Abmilderung des Fachkräftemangels beitragen wird, als dass sie zu Mitnahmeeffekten führt. Denn wer sich mit Erreichen der 45 Versicherungsjahre bislang motiviert fühlte, weiterzuarbeiten, kann nun Rente und Arbeitseinkommen beziehen. In diesen Fällen fällt auch die hohe Abgabenlast wenig ins Kalkül. Für viele Personen, die bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze mit Abschlägen aus dem Erwerbsleben ausscheiden und in geringem Maße weiterarbeiten möchten, bleibt vermutlich der Minijob die attraktivere Option.

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