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Klaus-Heiner Röhl IW-Kurzbericht Nr. 53 24. August 2018 Luftfahrtindustrie: Problematisches Duopol

Bei größeren Passagierflugzeugen besteht bereits seit 1997, als Boeing den Konkurrenten McDonnell Douglas übernahm, ein Duopol. Doch die Hersteller Airbus und Boeing lieferten sich einen scharfen Wettbewerb um Großaufträge. Zudem drangen Regionalflugzeugbauer ins größere Segment vor. Aber die beiden Duopolisten haben nun ihr Angebot durch Übernahme der größten Produzenten kleinerer Passagierflugzeuge erweitert. Die Gefahr einer Wettbewerbseinschränkung steigt.

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Problematisches Duopol
Klaus-Heiner Röhl IW-Kurzbericht Nr. 53 24. August 2018

Luftfahrtindustrie: Problematisches Duopol

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Bei größeren Passagierflugzeugen besteht bereits seit 1997, als Boeing den Konkurrenten McDonnell Douglas übernahm, ein Duopol. Doch die Hersteller Airbus und Boeing lieferten sich einen scharfen Wettbewerb um Großaufträge. Zudem drangen Regionalflugzeugbauer ins größere Segment vor. Aber die beiden Duopolisten haben nun ihr Angebot durch Übernahme der größten Produzenten kleinerer Passagierflugzeuge erweitert. Die Gefahr einer Wettbewerbseinschränkung steigt.

Dabei gab es in den letzten Jahren Grund zur Annahme, dass der Markteinfluss der beiden Konzerne aus Europa und Amerika schwindet. Der brasilianische Flugzeugbauer Embraer und das kanadische Unternehmen Bombardier entwickelten etwas größere Flugzeuge, die den kleinsten Maschinen der A320- und B737-Baureihen mit niedrigen Betriebskosten Konkurrenz machen sollten. Auch russische und chinesische Anbieter wollen mit der Irkut MS-21 sowie der Comac C919 in das verkaufsstarke Segment der Kurz- und Mittelstreckenmaschinen mit 140 bis über 200 Sitzen vorstoßen. Doch die Flugzeugfirmen aus Brasilien und Kanada hatten sich mit den hohen Entwicklungskosten übernommen; die Übernahmen durch Boeing und Airbus sind eine Rettung vor der drohenden Insolvenz. Und die chinesischen und russischen Wettbewerber sind von großen Verzögerungen betroffen, die C919 soll nun mit gut 5 Jahren Verspätung 2021 an den ersten chinesischen Kunden ausgeliefert werden. Der MS-21 ergeht es nicht besser, sie wird zudem nach den Erfahrungen mit dem unzuverlässigen russischen Regionalflieger Superjet 100 wohl zunächst nur von heimischen Linien eingesetzt werden.

Dies stärkt die Position der Duopolanbieter. In der Kategorie der A320- und B737-Modellfamilien stehen derzeit 10.740 Maschinen in den Auftragsbüchern der Amerikaner und Europäer (Boeing, 2018; Airbus, 2018). Aufgrund der Flut an Bestellungen sind die „Single-Aisle“-Modelle von Airbus und Boeing auf Jahre hinaus nicht lieferbar, was neue Wettbewerber eigentlich begünstigt. Mit dem unsicheren Auslieferungsbeginn entfällt aber ein wichtiges Verkaufsargument für die chinesischen und russischen Modelle. Dies könnte auch ein Grund sein, der Boeing zum Einstieg bei Embraer und Airbus zur Übernahme der Bombardier-Flugzeugsparte veranlasste: Hierdurch runden die beiden Branchenführer ihre Modellpalette nach unten ab und können Flugzeuge mit geringeren Lieferfristen bieten, um die neue Konkurrenz aus Russland und Asien auf Abstand zu halten.

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Die Fluggesellschaften bleiben Airbus und Boeing treu – auch wenn sie Jahre warten müssen und chinesische oder russische Modelle (bald) zu einem günstigeren Preis bekämen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass eine hohe Zuverlässigkeit für die Airlines wichtiger ist als der Preis. So erreicht der seit 2011 vorwiegend von russischen Airlines eingesetzte Superjet 100 bei der Staatslinie Aeroflot weit weniger Einsatzstunden als die Boeing- und Airbusmodelle (Wedemosti, 2017), was die Kosten im Einsatz nach oben treibt und internationale Fluglinien abschreckt. Zudem sind Wartung, Schulung und Ersatzteillogistik weltweit auf die beiden Duopolanbieter zugeschnitten – eine hohe Marktzutrittshürde für neue Wettbewerber.

Umstritten bleibt, ob der mangelnde Wettbewerb durch das Duopol für Fluggesellschaften und Passagiere ein teures Ärgernis ist, oder die Auswirkungen eher gering sind. Theoretisch können die Duopolanbieter ihre Preise zu Lasten ihrer Kunden hoch halten. In einem kooperativen Gleichgewicht entstehen Monopolgewinne. Eine offene Kooperation ist allerdings nicht möglich, da sie von den Wettbewerbsbehörden geahndet würde. Bei rechtskonformem Verhalten werden die beiden Duopolisten in ihrer Preissetzungsmacht stark eingeschränkt, die Situation entspricht spieltheoretisch dem Nash-Gleichgewicht (Nash, 1950). Der nicht-kooperative Gleichgewichtspreis im Duopol würde bei vollkommen homogenen Gütern und unbeschränkten Kapazitäten durch die Grenzkosten der Produzenten bestimmt, wie der Mathematiker Joseph Bertrand (1883) zeigte. Dies gilt jedoch nicht bei differenzierten Produkten der beiden Anbieter (Singh/Vives, 1984, 546). Je nach Stärke der Differenzierung können die Produzenten in Richtung einer gewinnsteigernden Monopolpreissetzung gehen, dies wird als monopolistische Konkurrenz bezeichnet. Die Ähnlichkeit der A320- und B737-Modellfamilien ist als relativ hoch einzuschätzen; viele Airlines setzen beide Typen ein. Dies spräche zunächst für eine hohe Wettbewerbsintensität zumindest in diesem Marktsegment, sofern es keine (unerlaubten) Absprachen gibt.

Auch ohne direkt zu kooperieren haben die Duopolisten die Preise und auch Preisnachlässe ihres Wettbewerbers im Blick und können darauf reagieren. Traditionell gibt es zwischen den Amerikanern und Europäern einen heftigen Wettbewerb um Großaufträge von Airlines und Leasinggesellschaften, die hohe Mengenrabatte auf den Listenpreis aushandeln können. Zumindest für die Listenpreise ist daher eine Preissetzung deutlich oberhalb der Grenzkosten anzunehmen, von dem aus sich die Produzenten in Preisverhandlungen mit Großabnehmern in Richtung der Grenzkosten bewegen. Durch die Grenzkosten der Produktion werden aber nicht die hohen Fixkosten aus der Flugzeugentwicklung abgedeckt, die die beiden Hersteller wieder „einspielen“ müssen. Programme wie der A380 und A350 von Airbus oder die Boeing B787 verursachten Entwicklungskosten in Höhe von 9 bis12 Milliarden Euro.

Große Neuentwicklungsprogramme der Duopolanbieter sind inzwischen jedoch abgeschlossen und derzeit angesichts der breit aufgestellten Modellpaletten (mit einer Ausnahme bei Boeing) auch nicht konkret geplant. Für die „Cash Cows“ B737 und A320 wurden zuletzt anstelle von Neuentwicklungen nur Überarbeitungen mit treibstoffsparenden Triebwerken vorgenommen, was die Entwicklungskosten deutlich reduziert.

Einen Hinweis auf die Ausnutzung von wettbewerbsbeschränkenden Strukturen geben prinzipiell die Gewinnmargen der Duopolanbieter. Dabei muss man allerdings die Zivilflugzeugsparten von anderen Geschäftsfeldern wie militärische Luftfahrt und Raumfahrt trennen, was im Multispartenkonzern nicht immer leicht fällt. Langfristig haben Boeing und Airbus mit ihren Zivilflugzeugen keine überdurchschnittlichen Gewinne erzielt, was sicherlich auch an den sehr hohen Entwicklungskosten für neue Modelle wie den Airbus A350 und die Boeing B787 lag (s.o.). Doch dies scheint sich zu ändern. 2017 hat die Zivilflugzeugsparte von Boeing Rekordgewinne eingefahren und auch Airbus konnte die Gewinne steigern, was Zweifel an der Wettbewerbsintensität weckt (Airliners.de, 2018, FAZ, 2018). Angesichts der vollen Auftragsbücher gibt es wenig Anlass, die Preise zu reduzieren und die Kunden an Effizienzgewinnen durch Fertigung immer größerer Stückzahlen bei schon eingespielten Entwicklungskosten teilhaben zu lassen. Kapazitätsbeschränkungen lassen den Duopolpreis steigen, er nähert sich dann aufgrund der Begrenzung der Absatzmengen dem Cournot-Preis an (Edgeworth, 1897/1925; vgl. auch Kreps und Scheinkman, 1983).

Diese Situation könnte doch noch Spielräume für die neuen Anbieter eröffnen, zumindest in Schwellen- und Entwicklungsländern mit Kampfpreisen in den Markt zu kommen und sich im Laufe der Zeit neben den bisherigen Duopolanbietern zu etablieren.

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