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Julia Hensen / Jennifer Potthoff / Ruth Maria Schüler IW-Kurzbericht Nr. 1 9. Januar 2024 Starker Anstieg des Einsamkeitsgefühls bei Paaren

Das Einsamkeitsempfinden der Deutschen ist seit 2017 stark angestiegen. 2021 fühlte sich jeder fünfte Deutsche einsam. Je nach Geschlecht und Familienstand unterscheiden sich die Deutschen in der Entwicklung ihres Einsamkeitsempfindens:

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Starker Anstieg des Einsamkeitsgefühls bei Paaren
Julia Hensen / Jennifer Potthoff / Ruth Maria Schüler IW-Kurzbericht Nr. 1 9. Januar 2024

Starker Anstieg des Einsamkeitsgefühls bei Paaren

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Das Einsamkeitsempfinden der Deutschen ist seit 2017 stark angestiegen. 2021 fühlte sich jeder fünfte Deutsche einsam. Je nach Geschlecht und Familienstand unterscheiden sich die Deutschen in der Entwicklung ihres Einsamkeitsempfindens:

Während Personen in Partnerschaft im Jahr 2017 noch mit Abstand am seltensten ein Gefühl von Einsamkeit äußerten (5,7 Prozent), sind es 2021 fast 20 Prozent der in Partnerschaft lebenden Deutschen, die angaben, dass ihnen die Gesellschaft anderer (sehr) oft fehle.

Einsamkeit

Einsamkeit ist die wahrgenommene Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsächlichen sozialen Beziehungen (Peplau/Perlmann, 1982). Das Gefühl von Einsamkeit ist sehr subjektiv: Persönlichkeitsmerkmale und Zugehörigkeitsgefühle beeinflussen das (Nicht-)Vorkommen und Ausmaß erlebter Einsamkeit. Im Gegensatz zum Alleinsein wird Einsamkeit als etwas pauschal Negatives erlebt und geht bei dauerhaftem Zustand mit erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Depressionen, Herzinfarkten und Schlaganfällen einher (Valtorta et al., 2016; Steptoe et al., 2004).

Aktuelle Zahlen zur Einsamkeit

Mehr als jeder Fünfte Deutsche (20,2 Prozent) fühlte sich im Jahr 2021 einsam. Damit hat sich der Anteil seit dem Jahr 2017 ausgehend von 8,2 Prozent um fast 150 Prozent erhöht. Die Analyse der Veränderungen der Einsamkeitswahrnehmung zeigt, dass sich 19,1 Prozent der Deutschen weniger einsam fühlten, sich die Wahrnehmung von 38,0 Prozent nicht veränderte, aber 42,9 Prozent sich öfter einsam fühlten.

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Einsamkeitsempfinden nach Geschlecht und Familienstand

Die Abbildung auf Seite 2 zeigt die Entwicklung des Einsamkeitsempfinden der Deutschen nach Geschlecht und Familienstand im Vergleich von 2017 zu 2021. Die Ergebnisse zeigen ein generell höheres Einsamkeitsempfinden von Frauen gegenüber Männern, wobei verwitwete Frauen sowohl im Jahr 2017 als auch 2021 die höchsten Einsamkeitswerte angaben. Verwitwete und Geschiedene/Getrennte fühlen sich im Allgemeinen in beiden Befragungen am einsamsten. Auch die ledigen Männer und Frauen verzeichnen einen Anstieg der Einsamkeitswahrnehmung. Wohingegen sich die Einsamkeit von Frauen gegenüber Männern in fast allen Familienständen stärker verschlechterte, steigt die Einsamkeitswahrnehmung von ledigen Frauen im Vergleich zu ledigen Männern etwas weniger stark an.  

Personen in Partnerschaften besonders einsam

Entgegen der Vermutung, dass ledige Personen durch die Corona-Pandemie aufgrund der auf Haushaltsebene bestehenden Kontaktbeschränkungen sich häufiger einsam gefühlt haben, äußern im Besonderen Personen in Partnerschaften vermehrt, dass ihnen die Gesellschaft anderer fehle. Im Jahr 2017 fühlten sich 5,7 Prozent der Personen in Partnerschaften einsam. Im Jahr 2021 waren es mit 19,6 Prozent mehr als drei Mal so viele. Dies entspricht einem Anstieg um 13,9 Prozentpunkte. Bei ledigen und geschiedenen Personen beträgt der Anstieg jeweils unter 10 Prozentpunkten. Lediglich bei den Verwitweten wird mit 11 Prozentpunkten auch ein Anstieg von über 10 Prozentpunkten beobachtet, allerdings kann dies hier auch der Komposition der Gruppe geschuldet sein. So sind Verwitwete häufiger Frauen, für die zwischen 2017 und 2021 eine stärkere Zunahme des Einsamkeitsgefühls beobachtet wurde.

Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass genau die Gruppe der in Partnerschaft lebenden Personen - und hierbei vor allem die Frauen - nach zwei Jahren immenser sozialer Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie ein stärker gestiegenes Einsamkeitsgefühl äußern als andere Familienstände. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass Personen in Partnerschaften häufiger mit Kindern zusammenleben.

Insbesondere belasteten die Corona-Einschränkungen Familien durch die Herausforderung der Vereinbarkeit von Beruf, Haushalt und Kinderbetreuung. Diese Belastung nahm laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (2021) von 2020 auf 2021 zu. Die Hypothese, dass Kinder aufgrund der zunehmenden Belastungen während des Lockdowns zu mehr Einsamkeit bei Menschen in Partnerschaften führten, kann jedoch widerlegt werden: bei Eltern hat das Einsamkeitsgefühl zwischen 2017 und 2021 mit 10 Prozentpunkten weniger stark zugenommen als bei Paaren ohne Kinder (14 Prozentpunkte).

Daher entwickelt der Befund, dass das Einsamkeitsgefühl insbesondere bei Personen in Partnerschaften in den letzten Jahren stark angestiegen ist, eine besondere Brisanz. Ein zu prüfender weiterer Erklärungsansatz ist, dass Personen in Partnerschaften die Gesellschaft anderer besonders schätzen und deswegen unter den Beschränkungen stärker gelitten haben. Es benötigt weiterer Forschung, um die wahren Gründe aufzudecken, warum vor allem bei Menschen in Paarbeziehungen das Gefühl der Einsamkeit während der letzten Jahre stärker angestiegen ist als in den Vergleichsgruppen. Zudem bleibt abzuwarten und datenseitig zu erfassen, ob das Einsamkeitsempfinden der Deutschen und im Besonderen der in Partnerschaft lebenden Personen mit dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen wieder auf das Vor-Pandemieniveau sinkt oder ob die Corona-Interventionen langfristige Auswirkungen auf das Einsamkeitsgefühl haben.

Eine Studie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention (2023) unterstreicht die Relevanz des Themas. In einer repräsentativen Umfrage gibt ein Viertel der Befragten an, sich sehr einsam zu fühlen. Dies zeigt, dass Einsamkeit auch nach Beendigung aller Coronamaßnahmen auf einem hohen Niveau verharrt.  

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