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Jürgen Matthes / Thilo Schaefer IW-Kurzbericht Nr. 53 9. August 2021 Exportperformance von Gütern zur Herstellung erneuerbarer Energien enttäuscht

Trotz großer Hoffnungen war die Exportperfor­mance von deutschen Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien enttäuschend. Dagegen baut China beständig seine Exportmarktanteile aus. Dies überrascht nicht, wenn ein genauerer Blick auf die Determinanten der deutschen Wettbewerbsfähigkeit bei diesen Gütern gelenkt wird. Für die Zukunft muss die Politik daraus die richtigen Lehren ziehen und prüfen, wo langfristig komparative Vorteile und Exportchancen liegen und wo eher nicht.

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Exportperformance von Gütern zur Herstellung erneuerbarer Energien enttäuscht
Jürgen Matthes / Thilo Schaefer IW-Kurzbericht Nr. 53 9. August 2021

Exportperformance von Gütern zur Herstellung erneuerbarer Energien enttäuscht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Trotz großer Hoffnungen war die Exportperfor­mance von deutschen Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien enttäuschend. Dagegen baut China beständig seine Exportmarktanteile aus. Dies überrascht nicht, wenn ein genauerer Blick auf die Determinanten der deutschen Wettbewerbsfähigkeit bei diesen Gütern gelenkt wird. Für die Zukunft muss die Politik daraus die richtigen Lehren ziehen und prüfen, wo langfristig komparative Vorteile und Exportchancen liegen und wo eher nicht.

Aus einer Betrachtung des kleinen Marktsegments von Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien lassen sich relevante Lehren ziehen für die Zukunft des deutschen Exportmodells angesichts einer ambitionierter werdenden Klimaschutzpolitik. Dieser Frage geht eine in Kürze erscheinende IW-Studie nach, die sich mit den Herausforderungen des deutschen Geschäftsmodells in diesem Jahrzehnt beschäftigt (Demary et al., 2021).

Um einschätzen zu können, ob die Klimaschutzpolitik dazu führt, dass Wertschöpfung und Beschäftigung am Standort Deutschland gehalten werden oder neu entstehen können, ist es in einer so handelsoffenen Wirtschaft nötig, einen Fokus auf komparative Vorteile und Wettbewerbsfähigkeit zu setzen. Positive Perspektiven bestehen – vereinfacht gesagt – für technologisch anspruchsvolle Produkte, bei denen das Hochlohnland Deutschland seine Stärken bei Innovation und Fachkräften ausspielen kann. Der Herstellungsprozess für diese Güter darf auch längerfristig nicht leicht standardisierbar oder kopierbar sein, sonst droht eine Abwanderung wie bei der Handyherstellung. Zudem dürfen Transportkosten und Handelsbarrieren nicht zu hoch sein, sonst wird überwiegend im Ausland produziert, statt zum Nutzen des Standorts exportiert.

Diese Voraussetzungen scheinen bei den fokussierten Gütern zur Erzeugung erneuerbarer Energien in der Breite nicht ausreichend gegeben zu sein, obwohl hierzulande große Hoffnungen gehegt und umfangreiche Subventionen vergeben wurden. Betrachtet werden Ausfuhren ausgewählter Güter für den Zeitraum 2010 bis 2019. Einfuhren und RCA-Werte werden in der IW-Studie analysiert, zeigen aber einen ähnlichen Befund (Demary et al., 2021, siehe auch für Quellenhinweise).

Bei den Ausfuhren von Solarmodulen, bei denen Deutschland 2005 noch vor China lag, war das schon 2010 nicht mehr der Fall, obwohl damals hierzulande der höchste Exportwert erreicht wurde. Seitdem gingen die deutschen Ausfuhren von rund 8,5 auf 2,5 Milliarden US-Dollar stark zurück (Tabelle), was nur zu einem kleinen Teil durch Wechselkurseffekte erklärt werden kann. Chinas Exporte schwankten zwar, waren 2019 aber fast zehnmal höher als die deutschen. Bei Wechselrichtern zeigen sich für Deutschland zwar seit Anfang der 2010er Jahre keine Ausfuhrrückgänge, aber auch keine größeren positiven Dynamiken. Chinas Ausfuhren stiegen aber vor allem in der ersten Hälfte der vorigen Dekade kräftig und betrugen 2019 rund das Dreifache der deutschen.

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Offenbar ist es bei der Solarenergie trotz anfänglicher Erfolge und intensiver Förderung aus verschiedenen Gründen nicht gelungen, bis auf enge Nischen eine dauerhaft wettbewerbsfähige Produktion zu erhalten. Eine zentrale Ursache liegt darin, dass sich die Produktionstechnologie vor allem bei Solarmodulen trotz einer geringen Relevanz von Lohnkosten als relativ gut standardisierbar erwiesen hat und somit eine Grundvoraussetzung für die Existenz dauerhafter komparativer Vorteile nicht gegeben ist. Zudem kam es auch im Zuge verringerter staatlicher Förderung in Deutschland zu einem deutlichen Produktionsrückgang und zur Übernahme zum Teil notleidender Firmen durch ausländische Unternehmen. Das hat einen Transfer von hier geförderter Technologie ins Ausland begünstigt. Zudem wurde in China die Produktion massiv subventioniert, in Deutschland hingegen die Anlagenbetreiber und damit die Nutzer von Solarmodulen. Damit konnten chinesische Firmen indirekt von deutscher Förderung profitieren.

Bei Windkraftanlagen ist Deutschland noch zweitgrößter Exporteur weltweit (hinter Dänemark) mit doppelt so hohen Ausfuhren wie China im Jahr 2019. Doch gingen die Ausfuhren auch hier nach einem Maximum von rund 3,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 schon bis 2014 auf gut 2 Milliarden US-Dollar zurück und verharrten seitdem (bis auf einen kurzen Einbruch 2017) in etwa auf diesem Niveau (Tabelle). China baute seine Exporte dagegen deutlich aus und könnte bei einem Anhalten dieses Trends Deutschland mittelfristig überflügeln.

Bei der Windkraft ist der technologische Anspruch bei einigen Komponenten relativ hoch, sodass längerfristig komparative Vorteile bestehen könnten, etwa bei Vorprodukten aus dem Maschinenbau. Doch hat sich auch hier der Konkurrenzdruck auf dem Weltmarkt erheblich verschärft. Weil Windkraftanlagen zudem immer größer werden, fallen die Transportkosten so hoch aus, dass diese Güter eher im Ausland vor Ort produziert als exportiert werden. Schließlich wurde die Windkraftförderung in Deutschland 2017 reduziert und langwierige Genehmigungsverfahren erschweren den weiteren Ausbau. Damit könnte hierzulande zumindest in der Tendenz eine ähnliche Entwicklung wie bei der Solar­energie mit Produktionsschrumpfung und Technologietransfer drohen.

Bei Elektrolysegeräten zur Wasserstoffherstellung ist die Einschätzung mit Vorsicht zu interpretieren, weil diese Produktgruppe nicht so scharf zugeschnitten ist wie die bisher betrachteten Güter und sich der Markt erst allmählich entwickelt. Im Jahr 2011 war Deutschland bei den Ausfuhren mit 326 Millionen US-Dollar noch führend, doch seitdem ging der deutsche Export unter Schwankungen auf nur noch rund ein Drittel zurück (Tabelle). Dagegen baute China seine Exportposition deutlich aus. Der Weltmarkt für Elektrolysegeräte hat sich seit 2000 zwar verdoppelt, das Exportwachstum fand jedoch außerhalb Deutschlands und Europas statt.

Ob der Standort Deutschland in Zukunft von dem enormen Wachstumspotenzial in diesem Bereich profitieren kann, ist nicht leicht einzuschätzen, weil es vor allem auf das technologische Anspruchsniveau bei der Herstellung von Elektrolysegeräten ankommt. Bei der eher standardisierbaren alkalischen Elektrolyse ist China bereits heute mit deutlich niedrigeren Kosten im Vorteil. Bei der anspruchsvolleren PEM-Technologie (Proton Exchange Membrane), die sich besonders für die Produktion grünen Wasserstoffs eignet, hat Europa offenbar noch einen Technologievorsprung. Es kommt darauf an, ob China hier auch bald aufholen wird.

Fazit: Trotz wachsenden Weltmarktes hat die deutsche Wind- und Solarindustrie Probleme, an dem enormen Wachstum der globalen Nachfrage für Güter zur Erzeugung erneuerbarer Energien zu partizipieren. Mehr Chancen könnte es bei der Anwendung der Technologien in Deutschland und hier gerade bei industrienahen Dienstleistungen geben.

Auf der Produktionsseite profitiert hauptsächlich China. Das dürfte zum einen an der chinesischen Industriepolitik und umfangreichen Subventionen liegen. Zum anderen erscheinen die handelsökonomischen Voraussetzungen für eine längerfristig wettbewerbsfähige Produktion am Standort Deutschland nicht ausreichend gegeben. Darauf deutet auch die Untersuchung von Cao et al. hin. Demnach haben von Deutschland exportierte Güter zur Erzeugung erneuerbarer Energien nur ein moderates technologisches Anspruchsniveau. Auch eine Studie des Umweltbundesamtes zum Außenhandel mit Klimaschutzgütern erwartet hier im globalen Wettbewerb einen zunehmenden Kosten- und Wettbewerbsdruck. Wenn die Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Produktion in der Breite offenbar nicht gegeben sind, erscheint es problematisch, aus der schlechteren Handelsperformance zu schließen, dass der Ehrgeiz der Klimapolitik nicht groß genug war, um den Innovationsdruck in Deutschland aufrechtzuerhalten.

Vielmehr sollte die Politik aus dem Beispiel der Güter zur Erzeugung erneuerbarer Energien und vor allem der Solarmodule die nötigen Lehren ziehen. Eine Förderung von klimafreundlicher Wertschöpfung am Standort Deutschland macht nur dann Sinn, wenn die technologischen Bedingungen von Produkt und Herstellungsprozess für eine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit und komparative Vorteile sprechen. Das dürfte beispielsweise gegeben sein, wenn im Maschinenbau und in der Elektroindustrie bestehende Erfahrungen genutzt und vorhandene komparative Vorteile weiterentwickelt werden können. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass mit hohen Subventionen neue Kapazitäten aufgebaut werden, die bei einer Förderkürzung wieder in sich zusammenbrechen. Deutsche Steuergelder fließen dann am Ende in den Aufbau von Wissen und Produktion im Ausland. Das hat im Fall der Photovoltaik zwar zu einem weltweiten technologischen Hochlauf und einer enormen Kostendegression beigetragen, taugt aber nicht zum Vorbild.

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