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Jürgen Matthes IW-Policy Paper Nr. 3 4. Juni 2024 Strategische Autonomie und wirtschaftliche Sicherheit effizient erreichen

Nach der Zeitenwende geht es beim De-Risking besonders um den Abbau kritischer Importabhängigkeiten von China.

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Strategische Autonomie und wirtschaftliche Sicherheit effizient erreichen
Jürgen Matthes IW-Policy Paper Nr. 3 4. Juni 2024

Strategische Autonomie und wirtschaftliche Sicherheit effizient erreichen

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Nach der Zeitenwende geht es beim De-Risking besonders um den Abbau kritischer Importabhängigkeiten von China.

Doch bei dem Versuch, in dieser Hinsicht wirtschaftliche Sicherheit und strategische Autonomie zu erreichen und zugleich die grüne Transformation voranzubringen, gibt es einen grundlegenden Zielkonflikt. Da China aufgrund seiner aktiven Industriepolitik bei vielen klimafreundlichen Gütern oft das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet, würde eine marktgetriebene und damit möglichst kostengünstig gestaltete grüne Transformation in der Europäischen Union (EU) auf günstige Importe aus China setzen und so die Abhängigkeiten von China noch weiter vergrößern. Daher spricht einiges dafür, dass der Staat beim Abbau kritischer Abhängigkeiten eine etwas größere Rolle einnehmen muss als gewohnt. Doch zuweilen erscheint das Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit und strategischer Autonomie zu unreflektiert, erstreckt sich auf zu viele Bereiche und blendet zentrale ökonomische Zielkonflikte aus. Das zeigen Forderungen nach einem umfangreichen Reshoring vormals ausgelagerter Produktion zurück nach Europa, nach einem EU-Souveränitätsfonds und nach hohen Subventionen für (zu) viele Bereiche. Denn immer knapper werdende staatliche Gelder würden ineffizient verwendet und staatliche Instrumente unter dem Deckmantel der strategischen Autonomie protektionistisch missbraucht. Letztlich droht eine Überforderung des Staates und – neben einem Marktversagen – auch ein Staatsversagen.

Vor diesem Hintergrund wird in dem vorliegenden Policy Paper ein qualitatives Prüfraster entwickelt, um in dieser komplexen Gemengelage sachgerechte Entscheidungen treffen und den Abbau wirklich kritischer Abhängigkeiten so kosteneffizient wie möglich gestalten zu können.

Die Abbildung veranschaulicht das Prüfschema, das hier kurz zusammengefasst wird, auf einen Blick:

  • Kriterium 1: Ist das betreffende Produkt unverzichtbar und kurzfristig schwer ersetzbar, sodass bei dessen Ausbleiben ein relevanter gesamtwirtschaftlicher Schaden entstehen würde? Lautet die Antwort nein, dann ist kein Staatseingriff nötig und es sind mit Verweis auf das Ziel der strategischen Autonomie keine Subventionen gerechtfertigt. Lautet sie ja, erfolgt der nächste Schritt (Kriterium 2).
  • Kriterium 2: Bestehen bei der Produktion langfristige komparative Vorteile hierzulande? Lautet die Antwort nein, ist zu prüfen, ob diversifiziertes Friendshoring eine Lösung sein kann (Kriterium 4), weil eine Herstellung in der EU oder in Deutschland statt in einem Schwellenland deutlich höhere Kosten verursachen würde. Lautet sie ja, erfolgt der nächste Prüfschritt (Kriterium 3).
  • Kriterium 3: Wenn komparative Vorteile vorliegen, sollte es in der Regel auch eine Produktion in der EU geben, sodass kritische Abhängigkeiten eigentlich kein Problem darstellen dürften. Gemäß Kriterium 1 liegen aber kritische Abhängigkeiten vor. Daher ist zu prüfen, warum trotz der Existenz komparativer Vorteile eine EU-Produktion nicht (ausreichend) erfolgt. Das kann an einem Subventionswettlauf wie bei Halbleitern liegen oder an Transformationsrisiken wie bei der klimafreundlichen Umstellung der Stahl- und Chemieproduktion auf grünen Wasserstoff, weil hier hohe Unsicherheiten und immense Investitionsbedarfe zusammentreffen.
    Es sind auch Konstellationen denkbar, bei denen komparative Vorteile in Deutschland und der EU bestehen, aber die hiesige Produktionsbasis durch subventionierte Importe stark unter Druck gerät, sodass sich längerfristig neue Importabhängigkeiten herausbilden könnten.
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