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Jochen Pimpertz IW-Kurzbericht Nr. 17 19. April 2016 Betriebliche und private Altersvorsorge: Sinnvoll, aber nicht zwingend

Gegen eine verpflichtende private Altersvorsorge spricht, dass die gesetzliche Versorgungslücke bereits durch eine längere Lebensarbeitszeit schrumpft. Außerdem fehlt ein belastbarer Befund, dass die Deutschen allgemein zu wenig vorsorgen. Aber ausgerechnet jenen Menschen, die nicht sparen können, helfen die aktuell diskutierten Reformvorschläge nicht.

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Sinnvoll, aber nicht zwingend
Jochen Pimpertz IW-Kurzbericht Nr. 17 19. April 2016

Betriebliche und private Altersvorsorge: Sinnvoll, aber nicht zwingend

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Gegen eine verpflichtende private Altersvorsorge spricht, dass die gesetzliche Versorgungslücke bereits durch eine längere Lebensarbeitszeit schrumpft. Außerdem fehlt ein belastbarer Befund, dass die Deutschen allgemein zu wenig vorsorgen. Aber ausgerechnet jenen Menschen, die nicht sparen können, helfen die aktuell diskutierten Reformvorschläge nicht.

Politiker wie Ökonomen scheinen sich einig zu sein, dass die Deutschen zu wenig für ihr Alter zurücklegen. Diskutiert wird über unterschiedliche Modelle zur Reform der Alterssicherung, nicht aber über den Befund selber. Die Einen zweifeln angesichts niedriger Zinsen an der Sinnhaftigkeit kapitalgedeckter Vorsorge. Andere befürchten, dass die betriebliche und die geförderte private Vorsorge (Riester-Rente) nicht hinreichend verbreitet seien, um das Absinken des gesetzlichen Sicherungsniveaus auszugleichen. Darauf berufen sich die Protagonisten des „Sozialpartnermodells Betriebsrente“ oder der „Deutschland-Rente“. Was aber wissen wir über Vorsorgedefizite und wie weit vermögen die vorgeschlagenen Modelle diese Lücke zu schließen?

Unter- oder überschätzte Rentenlücke?

Die Debatte entzündet sich daran, dass das gesetzliche Rentensystem künftig keine Lebensstandardsicherung mehr gewähren soll. Aktuell wird für das Umlagesystem ein Sicherungsniveau vor Steuern von 47,5 Prozent berechnet (Bruttorente abzüglich Sozialversicherungsbeiträge). Im Jahr 2004 waren es noch 53,0 Prozent, bis 2029 sollen es nur noch 44,6 Prozent sein (Deutsche Rentenversicherung, 2015, 258; BMAS, 2015, 40). Diese Entwicklung nährt die Befürchtung, dass Rentner künftig vermehrt dem Risiko der Altersarmut ausgesetzt seien.

Allerdings bezieht sich die Berechnung auf einen Eckrentner mit 45 Beitragsjahren, in denen er jeweils in Höhe des Durchschnitts aller in Teilzeit und in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer verdient hat. Dieser Modellfall berücksichtigt aber nicht, dass mit der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre eine entsprechende Verlängerung der Erwerbszeit angestrebt wird. Deshalb sollte ab 2029 ein Eckrentner mit 47 statt 45 Beitragsjahren modelliert werden. Dadurch steigt die fiktive Rente des künftigen Eckrentners und das Versorgungsniveau sinkt entsprechend schwächer.

Lohnt private Vorsorge?

Unabhängig davon gilt aber, dass ein niedrigeres gesetzliches Versorgungsniveau nur für diejenigen Personen zu einem höheren Armutsrisiko führt, die durch das Absinken unter die Armutsgefährdungsschwelle fallen. Für alle anderen Rentner, die ohne Zusatzvorsorge zwar einen niedrigeren Lebensstandard hinnehmen müssen, aber über der Schwelle der Armutsgefährdung bleiben, ergibt sich kein politischer Handlungsbedarf. Gleichwohl bleibt zusätzliche Privatvorsorge sinnvoll, wenn der gewohnte Lebensstandard im Ruhestand gehalten werden soll. Aber lohnt sich eine kapitalgedeckte Vorsorge überhaupt in Zeiten niedriger Zinsen?

Die Frage suggeriert, dass es eine Alternative zur Privatvorsorge gäbe. Doch worin sollte diese bestehen? Wenn insbesondere die Mitglieder der geburtenstarken Jahrgänge ein hohes Alterseinkommen wünschen, selber aber nicht zusätzlich vorsorgen wollen, dann muss ihre Absicherung in der umlagefinanzierten Rentenversicherung und dort auf Kosten der jüngeren Beitragszahler erfolgen.

Das Ausmaß dieser Lastverschiebung verdeutlicht eine einfache Rechnung auf Basis des aktuellen Rentenversicherungsberichts. Dort wird für das Jahr 2029 ein Sicherungsniveau vor Steuern von 44,6 Prozent errechnet, das mit einem Beitragssatz von 21,5 Prozent in der mittleren Lohnvariante finanziert werden kann (BMAS, 2015, 41). Sollte dieses Niveau zum Beispiel auf 50 Prozent steigen, dann müsste der Beitragssatz unter ansonsten unveränderten Bedingungen, insbesondere bei einem konstanten steuerfinanzierten Ausgabenanteil, auf 24,8 Prozent steigen.

Unzureichend oder ausreichend vorgesorgt?

Kapitalgedeckte Vorsorge ist also unverzichtbar, wenn der Beitragssatzanstieg gedämpft werden soll. Gerade hier zeigen sich aber Politiker wie Ökonomen zunehmend besorgt, dass die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nicht in ausreichendem Umfang vorsorgen. Meist wird mit dem mangelnden Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersvorsorge (BAV) oder der Riester-Rente argumentiert. Aber wie hoch ist der optimale Verbreitungsgrad? Eine Reihe von Gründen spricht dagegen, dass eine Abdeckung von 100 Prozent effizient wäre:

  • Neben BAV und Riester-Rente existieren alternative Anlageoptionen, die ebenfalls der Alterssicherung und zudem weiteren Sicherungsbedürfnissen dienen. Dabei weisen gerade ältere Lebensversicherungsverträge attraktive Garantieverzinsungen auf.
  • In jüngeren Jahren schränken vor allem Berufsausbildung, Gründung eines eigenen Haushalts und einer Familie den Spielraum für betriebliche und private Vorsorge ein. Deshalb gewinnt die Altersvorsorge erst in der zweiten Hälfte der Erwerbsphase an Bedeutung (Beznoska/Pimpertz, 2016, 7, 9).
  • Schließlich folgt die ergänzende Vorsorge vielfach der Arbeitsteilung im Paar-Haushalt (Beznoska/Pimpertz, 2016, 8). So können mit einer BAV auch zwei Personen im Alter abgesichert werden, sollte ein Partner nur in Teilzeit arbeiten oder familienbedingt gar nicht erwerbstätig sein.

Reformvorschläge helfen nicht

Vor diesem Hintergrund sind Forderungen nach einer verpflichtenden Altersvorsorge kaum zu begründen (Demary/Pimpertz, 2016). Grundsätzlicher ist aber der Einwand, dass weder eine Verpflichtung noch ein weiterer Durchführungsweg der BAV das Kernproblem zu lösen vermag. Während 70 Prozent der Single- und Alleinerziehenden-Haushalte und 86 Prozent der Paar-Haushalte mit sozialversicherungspflichtigem Haupteinkommensbezieher über eine BAV, eine Riester-Rente oder eine private Renten- oder kapitalbildende Lebensversicherung verfügen, sinkt der Verbreitungsgrad der BAV signifikant, wenn mindestens eine Person im Haushalt arbeitslos ist (Beznoska/Pimpertz, 2016, 13 f.). Geht aber der Job verloren, helfen die aktuell diskutierten Reformmodelle wenig – für die Fortführung der BAV fehlt unabhängig vom Durchführungsweg vorübergehend die arbeitsvertragliche Grundlage, für eine obligatorische Privatvorsorge möglicherweise das Geld.

Die politische Empfehlung lautet also nicht für oder wider das eine oder andere Modell; vielmehr ist weitere Forschung zum Vorsorgeverhalten notwendig, um politisches Handeln problemadäquat adressieren zu können.  

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