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Markus Demary / Martin Beznoska / Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 37 2. April 2020 Instrumente zur Stabilisierung von Unternehmen in der Corona-Krise

Die Corona-Krise stellt eine größere Herausforderung als die globale Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008/2009 dar. Der zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus notwendige Lockdown bedroht auch die Gewinnsituation von erfolgreichen und finanziell soliden Unternehmen fast aller Branchen. Schnelle und großangelegte staatliche Unterstützungsmaßnahmen sind notwendig, um die Schwere des konjunkturellen Einbruchs abzumildern und gut aufgestellten Unternehmen ein Überleben zu ermöglichen. Um auch eine schnelle Erholung des Wirtschaftswachstums zu ermöglichen, ist zudem eine klare Exit-Strategie aus dem Lockdown der Volkswirtschaft erforderlich.

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Instrumente zur Stabilisierung von Unternehmen in der Corona-Krise
Markus Demary / Martin Beznoska / Hubertus Bardt IW-Kurzbericht Nr. 37 2. April 2020

Instrumente zur Stabilisierung von Unternehmen in der Corona-Krise

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Corona-Krise stellt eine größere Herausforderung als die globale Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008/2009 dar. Der zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus notwendige Lockdown bedroht auch die Gewinnsituation von erfolgreichen und finanziell soliden Unternehmen fast aller Branchen. Schnelle und großangelegte staatliche Unterstützungsmaßnahmen sind notwendig, um die Schwere des konjunkturellen Einbruchs abzumildern und gut aufgestellten Unternehmen ein Überleben zu ermöglichen. Um auch eine schnelle Erholung des Wirtschaftswachstums zu ermöglichen, ist zudem eine klare Exit-Strategie aus dem Lockdown der Volkswirtschaft erforderlich.

Innerhalb von nur 12 Jahren nach der globalen Finanzkrise werden zahlreiche Länder von einer noch schwereren Wirtschaftskrise getroffen. Die rasante weltweite Ausbreitung des Coronavirus hat zahlreiche Länder dazu veranlasst, das öffentliche Leben stark einzuschränken und Unternehmen wie Restaurants und Einzelhandelsgeschäfte durch öffentliche Anordnung ihren Betrieb einstellen zu lassen. Zahlreiche Industrieunternehmen stehen wegen fehlender Vorprodukte, eingeschränkter Einsetzbarkeit von Mitarbeitern und dem Ausfall der Nachfrage still. Die Corona-Krise stellt keineswegs eine reinigende Krise dar, bei der ineffiziente Unternehmen den Markt verlassen. Sie ist ganz im Gegenteil eine Ausnahmesituation, in der auch hoch-effiziente und erfolgreiche Unternehmen ebenso von Verlusten betroffen sein können, die aus Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus resultieren.

Die Bundesregierung hat schnell auf diese besondere Situation reagiert und einen Schutzschirm für Unternehmen und Selbstständige aufgespannt. Ziel dieser wirtschaftspolitischen Maßnahmen ist, dass Unternehmen, die unverschuldet in diese Situation geraten sind, durch Liquiditätshilfen, Garantien und Eigenkapitalhilfen stabilisiert werden. Die Bewältigung der Corona-Krise erscheint extrem herausfordernd, denn die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus schränken gleichzeitig das Angebot von Waren und Dienstleistungen ein, d. h. sie wirken kontraktiv auf die Konjunktur. Doch gleichzeitig können die Bundesregierung und auch die EU auf bewährte Instrumente und Erfahrungen zur Bewältigung der letzten Krise zurückgreifen, die nun rechtzeitig Anwendung finden können. Vergleicht man die BIP-Verläufe nach dem Platzen der US-Immobilienblase und der ungeordneten Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman-Brothers, so zeigten sich in verschiedenen Ländern unterschiedliche konjunkturelle Verläufe:

In Deutschland und den USA sank das BIP sehr stark, jedoch erholte es sich auch sehr schnell wieder und kehrte zu seinem alten Wachstumspfad zurück. In Italien und Spanien setzte beispielsweise eine zweite Rezession und ein langes De-Leveraging ein. Hierdurch konnte der alte Wachstumspfad für lange Zeit nicht mehr erreicht werden. Die schnelle Erholung der deutschen und US-amerikanischen Volkswirtschaften war auch auf entschlossene und zielgerichtete Politikmaßnahmen zurückzuführen, deren Einsatz in der aktuellen Wirtschaftskrise ebenfalls zu einer Abmilderung des konjunkturellen Einbruchs und zu einer schnellen Erholung beitragen könnte:

Durch die Einführung von Kurzarbeitergeld in den Jahren 2008 und 2009 mussten die Unternehmen keine Entlassungen vornehmen. Entlassungen zu Rezessionszeiten haben zur Folge, dass den Unternehmen im Aufschwung Beschäftigte und deren betriebsspezifisches Wissen fehlt, was im Aufschwung erst wiederaufgebaut werden muss. Durch das Kurzarbeitergeld konnten die Unternehmen die Rezessionsphase überbrücken und ihnen standen ihre Beschäftigten in der Aufschwungphase sofort wieder zur Verfügung. Im Hinblick auf diese Erfahrung war auch die aktuelle Aktivierung des Kurzarbeitergeldes sinnvoll.

Der Unternehmenssektor in Deutschland hat in der Vergangenheit seine Verschuldung reduziert und ist damit finanziell gut aufgestellt (Abbildung). Es ist aber zu erwarten, dass die Verschuldung der Unternehmen durch die Corona-Krise ansteigen wird. Da die Reaktion der Bundesregierung auf den Corona-Schock in der Bereitstellung von Liquiditätshilfen besteht, wodurch die Verschuldung für die Unternehmen steigen wird, kann dies möglicherweise zu einer De-Leveraging-Phase beitragen. D. h. für Deutschland wäre es möglich, dass nach der Corona-Krise eine lange Phase der Investitionszurückhaltung einsetzt, weil die Unternehmen die Liquiditätshilfen zurückzahlen müssen.

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Während der globalen Finanzmarktkrise hat sich die US-Regierung zur Stabilisierung des Bankensektors recht konsequent an Banken beteiligt. Gleichzeitig hat sie diese Banken schnell nach Ende der Finanzmarktkrise wieder privatisiert. Die Reaktion der europäischen Regierungen war in einigen Mitgliedsländern deutlich zurückhaltender und Privatisierungen wurden weniger konsequent umgesetzt. Eigenkapitalhilfen kann die Bundesregierung den Unternehmen auch in der Corona-Krise zur Stabilisierung zur Verfügung stellen. Wichtig ist aber, dass die staatliche Beteiligung nur für die Zeit der Stabilisierung zur Überwindung der Corona-Krise vorgesehen ist und eine Exit-Strategie mit zügiger Privatisierung existiert und dann auch umgesetzt wird.

Die bisherigen Schritte der Bundesregierung zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Corona-Krise haben insbesondere die Sicherung der Liquidität in den Fokus genommen. Daneben sind aber auch ergänzende steuerliche Maßnahmen angebracht, um die Liquiditätssituation der Unternehmen längerfristig zu sichern. Bisher beschlossen sind neben Kredithilfen auch unterjährige zinsfreie Stundungsmöglichkeiten der Vorauszahlungen auf Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer, die den Unternehmen kurzfristig Luft verschaffen. Des Weiteren wird es möglich sein, die diesjährige Steuerschuld zinsfrei zu stunden. Als erster Schritt ist dies richtig und zu begrüßen, zusätzlich notwendig für eine längerfristige Wirkung ist jedoch, die diesjährige Steuerschuld tatsächlich zu senken, damit keine steuerlichen Rückstellungen gebildet werden müssen. Dies würde zukünftige Tilgungen von im Rahmen des Corona-Hilfs­pakets aufgenommenen Liquiditätshilfen erleichtern. Hierzu scheinen zwei Maßnahmen hilfreich und schnell umzusetzen:

Erstens ermöglicht eine deutliche Ausweitung des Investitionsabzugsbetrags zukünftige Investitionen als Sofortabschreibung geltend zu machen. Der Vorteil liegt hierbei in dem Umstand, dass die Investition nicht in der aktuell schwierigen Liquiditätslage getätigt werden muss. So war es in der bis ins Jahr 2015 geltenden Fassung des Steuerrechts möglich, die Investition erst in den folgenden drei Jahren zu tätigen, um die Sofortabschreibung nutzen zu können. Eine Rückkehr zu dieser Regelung verbunden mit einer Ausweitung der Anwendungsgrenzen, um mehr Unternehmen daran partizipieren zu lassen, kann in der aktuellen Situation hilfreich sein.

Zweitens sollten die Verlustverrechnungsregelungen großzügiger ausgestaltet werden. Vor allem die Verrechnung von diesjährigen Verlusten mit vergangenen Gewinnen kann verbessert und als unterstützende Maßnahme für angeschlagene Unternehmen genutzt werden, denen mit Liquiditätshilfen allein nicht geholfen ist. Neben einer Ausdehnung der Verrechnungsperiode des Verlustrücktrags von einem auf zwei oder drei Jahre, könnte ausgehend von einer Verlustschätzung für dieses Jahr die sich ergebende Steuererstattung bereits direkt ausgezahlt werden.

Von Bofinger/Hüther (2020) wurde zudem als weitreichendere Maßnahme eine negative Einkommensteuer vorgeschlagen in Kombination mit einer rückwirkenden Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer für 2019.

Insgesamt ist es die Kombination der Maßnahmen, die dazu beiträgt, dass der Wirtschaftseinbruch zum einen nicht allzu tief ist, und zum anderen die Erholungsphase möglichst schnell verläuft. Um eine Phase des De-Leveragings zu verhindern, muss eine klare Exit-Strategie vorliegen. So muss die Rückzahlung der Liquiditätshilfen weit in die Zukunft gestreckt werden und sie müssen mit steuerlichen Maßnahmen begleitet werden, um den Unternehmen nach Überwindung der Corona-Krise den Wiederaufbau eigener Liquiditäts- und Eigenkapitalpuffer zu ermöglichen und um ihnen gleichzeitig Raum für neue Investitionen zu geben. Sollte es notwendig sein, Unternehmen durch Eigenkapitalhilfen zu stabilisieren, so muss ein klarer Fahrplan für die anschließende Privatisierung vorliegen. Alternativ muss verstärkt über direkte Unterstützungszahlungen nachgedacht werden, die nicht zu einer Staatsbeteiligung führen. Die Erfahrungen der Maßnahmen der US-amerikanischen Regierung zur Bankenstabilisierung während der globalen Finanzkrise sollten auf die Stabilisierung des Unternehmenssektors während der Corona-Krise angewendet werden.

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