Durch ein „Phase 1“-Handelsabkommen mit China haben die USA dem Waffenstillstand einen rechtlichen Rahmen verliehen. China soll seine Einkäufe in den USA steigern und somit dazu beitragen, dass die US-Industrie eine Renaissance erlebt. Dass dies nicht so einfach möglich ist, zeigt die Entwicklung des US-Außenhandels im vergangenen Jahr. Der leichte Rückgang des Handelsdefizits dürfte im Wesentlichen auf die Entwicklung am Rohölmarkt zurückzuführen sein und ist somit nicht als Erfolg des neu eingeschlagenen protektionistischen Kurses anzusehen. Rechnet man die Entwicklung der Handelsbilanz gegenüber den OPEC-Ländern heraus, ist sogar ein Anstieg des US-Handelsdefizits zu verzeichnen.
Handelsstreit: Wie die Wirkung des Protektionismus verkannt wird
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Durch ein „Phase 1“-Handelsabkommen mit China haben die USA dem Waffenstillstand einen rechtlichen Rahmen verliehen. China soll seine Einkäufe in den USA steigern und somit dazu beitragen, dass die US-Industrie eine Renaissance erlebt. Dass dies nicht so einfach möglich ist, zeigt die Entwicklung des US-Außenhandels im vergangenen Jahr. Der leichte Rückgang des Handelsdefizits dürfte im Wesentlichen auf die Entwicklung am Rohölmarkt zurückzuführen sein und ist somit nicht als Erfolg des neu eingeschlagenen protektionistischen Kurses anzusehen. Rechnet man die Entwicklung der Handelsbilanz gegenüber den OPEC-Ländern heraus, ist sogar ein Anstieg des US-Handelsdefizits zu verzeichnen.
Die Unterzeichnung des Teilabkommens zwischen den USA und China wird zweifelsohne positive Effekte auf die weltwirtschaftliche Entwicklung haben, angenommen es kommt zu keiner Eskalation des US-Handelskonflikts mit anderen Handelspartnern. Die aufgrund des Handelsstreits im Laufe der letzten zwei Jahre gestiegene Unsicherheit hat nicht nur das Geschäftsmodell global agierender Unternehmen infrage gestellt, sondern auch erhebliche Rückschläge für die Weltkonjunktur mit sich gebracht. Nun zeigt es sich, dass eine Einigung doch möglich ist – auch wenn es nur eine Teileinigung ist. Viele Aspekte sollen dabei abgedeckt werden: von der aus US-Sicht als unfair empfundenen Währungspolitik der Chinesischen Zentralbank über den forcierten Technologietransfer bei ausländischen Investitionen in China bis hin zu dem bestehenden Handelsdefizit der USA gegenüber dem Reich der Mitte (USTR, 2020). Viele Fragezeichen bleiben jedoch und es ist entscheidend, dass im nächsten Schritt die Vereinbarungen im Rahmen eines umfassenden Handelsabkommens konkretisiert und erweitert werden.
Die USA versprechen sich von dem Abkommen mit China vor allem einen Rückgang des Handelsbilanzdefizits und neue Arbeitsplätze in der US-Industrie. Die Entwicklung des US-Außenhandels in 2019 hat bereits gezeigt, dass die neu eingeführten Zölle auf chinesische Importe ihre Spuren in den Handelsströmen hinterlassen haben. So sanken die US-Importe aus China in den Monaten Januar bis November um über 15 Prozent. Zwar haben die Vergeltungsmaßnahmen auch die US-Exporte in die Volksrepublik um knapp 12 Prozent sinken lassen. Doch unter dem Strich ist das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber dem Reich der Mitte in dem Zeitraum um fast 62 Milliarden US-Dollar gesunken. Im gesamten Jahr 2018 lag es noch bei knapp 420 Milliarden US-Dollar.
Was nach einem Erfolg klingt, dürfte jedoch, wenn überhaupt, nur einen geringen Beitrag zu der versprochenen Wiederbelebung der Industrie leisten. In einer globalisierten Welt und bei der bestehenden Wettbewerbsintensität der Weltmärkte können protektionistische Maßnahmen gegenüber einem Land, im aktuellen Fall gegenüber China, kaum dazu führen, dass die Importe durch heimische Produktion ersetzt werden. Wenn die Preise von Produkten aus China aufgrund der hohen Zölle steigen, so besteht die Möglichkeit, auf andere Länder auszuweichen, wenn die USA keinen Kostenvorteil in dem entsprechenden Bereich haben. Das ist auch anhand der Handelsstatistik bereits zu erkennen (Abbildung). Dem gesunkenen Handelsdefizit der USA gegenüber China steht ein Anstieg der Defizite gegenüber Europa, Nordamerika und anderer asiatischer Länder gegenüber. Zusammengerechnet war der Anstieg der Defizite gegenüber Mexiko, Kanada, Vietnam, Taiwan, der EU und der Schweiz höher als der Rückgang des Defizits gegenüber China. Die Zölle hatten somit eher einen handelsumlenkenden Effekt und haben wenig zu dem Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Handelsdefizits der USA beigetragen, zumal ein Leistungs- und auch ein Handelsbilanzdefizit an sich ein makroökonomisches Phänomen darstellt, was von zahlreichen Größen wie der Sparneigung der Bevölkerung und der Unternehmen, dem fiskalpolitischen Kurs der Regierung und der Investitionstätigkeit im In- und Ausland abhängt.
Dass das US-Handelsdefizit im Laufe des Jahres 2019 gesunken ist, hat in erster Linie einen anderen Hintergrund, der wenig mit den eingeführten Handelsbarrieren zu tun hat. Zum einen lag der Ölpreis im Durchschnitt des Jahres 2019 weit unter dem Niveau des Vorjahres. Zum anderen ging die mengenmäßige Nachfrage nach importiertem Rohöl in 2019 aufgrund der gestiegenen heimischen Produktion zurück. So importierten die USA im Durchschnitt der Monate Januar bis Oktober 12,4 Prozent weniger Barrel Rohöl als im Vorjahr, während ihre Produktion um 12,3 Prozent zunahm (EIA, 2020). Der kombinierte Effekt des Ölpreisrückgangs und der gesunkenen Nachfrage nach importiertem Rohöl dürfte die wertmäßigen Rohölimporte um etwa ein Viertel gesenkt haben. Somit ist es nicht verwunderlich, dass auch das Handelsdefizit gegenüber den OPEC-Staaten in den Monaten Januar bis November 2019 um knapp 25 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Vorjahreswert sank und sich sogar in einen Handelsüberschuss umkehrte. Das gesamtwirtschaftliche US-Handelsdefizit verringerte sich in dem Zeitraum um knapp 16 Milliarden Euro. Rechnet man den Handel mit den OPEC-Staaten heraus, bleibt somit sogar eine Zunahme des US-Handelsdefizits unter dem Strich. Ein Anstieg der industriellen Beschäftigung ist aufgrund der Entwicklung im US-Außenhandel nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die gestiegene Unsicherheit aufgrund der handelspolitischen Wende in den USA bremst die globale Investitionsentwicklung und hat negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Industrieproduktion (Grömling/Matthes, 2019; Kolev, 2019).
Auch die zu erwartenden positiven Effekte des Teilabkommens zwischen den USA und China lassen sich in den Kontext der globalen wirtschaftspolitischen Unsicherheit einordnen. Dass China nun seine Versprechen einlösen und Produkte aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen aus den USA im großen Stil kaufen will, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die US-Industrie ein Wiederbeleben erfahren wird. Hier werden Handelsströme aus anderen Ländern verdrängt, die ihre Produkte dann in Drittstaaten absetzen werden. Dadurch wird das Spezialisierungsmuster weltweit allerdings nur wenig verändert. Eine Entspannung des Handelskonflikts wird jedoch für etwas mehr Zuversicht bei den Investoren führen – eine Entwicklung, die im Vorfeld der schwächelnden Weltkonjunktur dringend benötigt wird. Noch wichtiger ist es, den Waffenstillstand aufrechtzuerhalten und die getroffenen Vereinbarungen im Rahmen eines klassischen Handelsabkommens auszuarbeiten und weitere bestehende Herausforderungen des globalen Handelssystems anzugehen. Denn es bleibt selbst nach diesem Schritt unklar, welchen handelspolitischen Kurs die USA gegenüber anderen Handelspartnern und im Kontext der WTO verfolgen werden.
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