Die Zukunft des geplanten Freihandelsabkommens TTIP steht auf der Kippe. Der in vielen Punkten fehlende Konsens zwischen den Verhandlungspartnern ist wenig überraschend, zögern die USA doch üblicherweise bis zuletzt mit wesentlichen Zugeständnissen. Doch das größte Risiko für TTIP stellt der Widerstand der Bevölkerung dar. Um das Abkommen noch zu retten, benötigen die Verhandlungsparteien einen Neuansatz.
Neuer Ansatz für TTIP
IW-Kurzbericht
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Zukunft des geplanten Freihandelsabkommens TTIP steht auf der Kippe. Der in vielen Punkten fehlende Konsens zwischen den Verhandlungspartnern ist wenig überraschend, zögern die USA doch üblicherweise bis zuletzt mit wesentlichen Zugeständnissen. Doch das größte Risiko für TTIP stellt der Widerstand der Bevölkerung dar. Um das Abkommen noch zu retten, benötigen die Verhandlungsparteien einen Neuansatz.
Am 17. September ist es wieder so weit. Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße, um ihr Nein zu CETA und TTIP zu äußern. Zunächst ohne Wenn und Aber. Denn die Worte CETA und TTIP sind in einigen Ländern der EU so negativ beladen, dass es mittlerweile kaum möglich ist, eine Mehrheit für die Freihandelsabkommen zu gewinnen. Bei CETA ist dies recht überraschend – denn „in CETA findet sich ein klares Bekenntnis zum Schutz von Arbeitnehmerrechten und hohen Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards“ – so der SPD-Politiker und Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament Bernd Lange (2016). Das Abkommen stellt einen gravierenden Fortschritt in vielerlei Hinsicht dar: Der oft gefürchtete Investorenschutz ist grundlegend reformiert, die öffentliche Daseinsvorsorge ist nicht gefährdet (was unter anderem auch die Kommunen nach Analyse des Vertragstexts selbst bestätigt haben) und die Kanadier werden nach Inkrafttreten ihre öffentlichen Beschaffungsmärkte für europäische Unternehmen so weit öffnen wie noch nie. Doch CETA wird in einen Topf mit TTIP geworfen – wird CETA nicht aus diesem Topf herausgeholt, droht die Gefahr, dass ein gutes Abkommen zum Opfer der Ungewissheit um TTIP wird.
Etwas schwieriger ist es um die Rettung von TTIP selbst bestellt. Denn die TTIP-Skepsis ist groß – auch wenn es nur vier von 28 EU-Mitgliedstaaten sind, in denen sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen TTIP positioniert (Abbildung). In Deutschland sagen 57 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nein zu TTIP, in Österreich sind es sogar 70 Prozent. Aller Voraussicht nach wird es sich um ein „gemischtes“ Abkommen handeln, also ein Abkommen, was über die üblichen Handelsfragen hinausgeht und in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten hineingreift. Daher muss es sehr wahrscheinlich auch von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Auch wenn sich nur einer dieser Mitgliedstaaten am Ende der Verhandlungen dagegen ausspricht, kann TTIP nicht in Kraft treten. Um dies zu vermeiden, muss jetzt schon gehandelt werden. Nur durch einen neuen Ansatz im Verhandlungsprozess hat TTIP eine Zukunft. Und dieser muss die Sorgen der Bevölkerung adressieren. Unter anderem sind folgende Punkte denkbar:
- Eine vollständige Transparenz des Verhandlungsprozesses. Diese kann dadurch erreicht werden, dass nicht nur die Europäische Kommission ihre Textvorschläge öffentlich macht, sondern auch die USA zustimmen, die gemeinsamen Texte offenzulegen, die den Stand der Verhandlungen wiederspiegeln. Wenn TTIP keine negativen Auswirkungen auf den Verbraucherschutz, die Sozial- und Umweltstandards haben soll, dann gibt es nichts zu verbergen.
- Die USA müssen sich bereit erklären, das von der EU vorgeschlagene verbesserte Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren in wesentlichen Teilen in den Vertrag aufzunehmen. Ist das nicht möglich, so würde der Ausschluss des Investitionsschutzkapitels aus TTIP viele Geister beruhigen.
- Aufrechterhaltung des Arbeitnehmer-, Verbraucher- und Umweltschutzes sowie der Regulierungsfreiheit in der EU. Genfood, Hormonfleisch, Trinkwasser nur aus der Flasche – die Sorgen der Bevölkerung in dieser Hinsicht sind vielfältig. Um auch hier die Skepsis zu adressieren, könnten die Verhandlungsführer entweder diese Themen vorziehen und schnell fertige Texte veröffentlichen – denen zu entnehmen ist, dass es keinen Grund für Sorge gibt, oder das in CETA Erreichte zum Benchmark machen. Zwar sind dies durchaus schwierige Themen und solche werden meist gegen Ende der Verhandlungen endgültig besprochen. Doch diese Punkte adressieren die Sorgen der Bevölkerung und machen die Fortsetzung der Verhandlungen erst wieder sinnvoll.
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