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Galina Kolev IW-Kurzbericht Nr. 3 5. Januar 2018 Ausgabenstruktur der privaten Haushalte im EU-Vergleich

Die Kaufkraft der EU-Verbraucher weist erhebliche Unterschiede auf. Dies zeigt auch die Struktur der Ausgaben privater Haushalte. So ist der Anteil von Nahrungsmitteln an den Konsumausgaben am höchsten in Rumänien, einem der Länder mit dem geringsten Pro-Kopf-Einkommen.

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Ausgabenstruktur der privaten Haushalte im EU-Vergleich
Galina Kolev IW-Kurzbericht Nr. 3 5. Januar 2018

Ausgabenstruktur der privaten Haushalte im EU-Vergleich

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Kaufkraft der EU-Verbraucher weist erhebliche Unterschiede auf. Dies zeigt auch die Struktur der Ausgaben privater Haushalte. So ist der Anteil von Nahrungsmitteln an den Konsumausgaben am höchsten in Rumänien, einem der Länder mit dem geringsten Pro-Kopf-Einkommen.

Der Spitzenverdiener Luxemburg weist hingegen den höchsten Ausgabenanteil im EU-Vergleich für Verkehr und besonders beim Kauf von neuen Kraftfahrzeugen auf. Doch über die Kaufkraft hinaus spielen auch lokale Präferenzen eine wichtige Rolle. So geben die Kroaten anteilsmäßig im EU-Vergleich am meisten Geld für Beherbergungsdienstleis­tungen aus und Griechenland führt das Ranking bei den Ausgaben für Olivenöl an. Was den Anteil von Pauschalreisen an den Konsumausgaben angeht, sind die Deutschen unter den EU-Ländern der Vorreiter.

Nach nahezu drei Dekaden wirtschaftlicher Transformation und Konvergenz haben es die mittel- und osteuropäischen Länder geschafft, den Einkommensabstand zu Westeuropa zu verkleinern. Nach einer in manchen Ländern kurzen, in anderen Ländern längeren Orientierungsphase haben sie einen stabilen Wachstumskurs eingeschlagen, wobei sie erheblich von der räumlichen Nähe an Westeuropa profitierten. Der durchschnittliche bulgarische Bürger verdiente vor 20 Jahren gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf nur ein Viertel des EU-15-Durchschnitts. Heute sind es bereits über 40 Prozent. Die baltischen Länder konnten den Durchschnittsverdienst sogar noch schneller an Westeuropa annähern. So liegt das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf in der Region aktuell bei über 60 Prozent des EU-15-Durchschnitts – nahezu eine Verdopplung gegenüber dem Jahr 1997.

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Mit höherem Einkommen hat sich auch die Ausgabenstruktur in diesen Ländern verändert. Dies zeigt die Entwicklung der Gewichtung einzelner Ausgabenposten beim Konstruieren des Harmonisierten Verbraucherpreisindexes (HVPI). Bei den Gewichtungen für die HVPI-Teilindizes handelt es sich um die Ausgaben der privaten Haushalte für die entsprechenden Warengruppen und Dienstleistungen als Anteil an den Gesamtausgaben für alle Waren und Dienstleistungen, die im HVPI erfasst werden. Während 1997 in Bulgarien 46 Prozent der Ausgaben privater Haushalte auf Nahrungsmittel entfielen, sind es in 2017 weniger als 20 Prozent. Dafür geben die Bulgaren heute anteilsmäßig wesentlich mehr Geld für Dienstleistungen aus. Auch wenn gewisse Dienstleistungen, etwa aus dem Bereich Verkehr, eher Grundbedürfnisse decken, wird das Gros an Dienstleistungen von Ökonomen oft als Luxusgüter eingestuft. Ähnlich wie bei der Bedürfnispyramide von Maslow stellte Linder Anfang der 1960er Jahre die Hypothese auf, dass die privaten Haushalte mit höherem Einkommen Produkte, die neue Bedürfnisse erfüllen, zu ihrem Warenkorb hinzufügen (Linder, 1961). Auch wenn diese nicht unbedingt nur Dienstleistungen sind, liefert die Entwicklung des Dienstleistungsanteils an den Konsumausgaben Hinweise auf die stattfindende Verschiebung. Der Anteil der Dienstleistungen an den Gesamtausgaben lag in Bulgarien 1997 bei nur 9 Prozent. Aktuell entfällt fast ein Drittel der Ausgaben privater Haushalte in Bulgarien auf Dienstleistungen. Ein Grund ist sicherlich der konvergenzbedingte Anstieg der Preise für Dienstleistungen, die arbeitsintensiv in der Produktion sind und sich mit steigenden Löhnen relativ zu Waren, die Grundbedürfnisse decken und mit mehr Kapitaleinsatz (Maschinen) hergestellt werden, verteuern (s. Bhagwati, 1984). Der steigende Anteil der Dienstleistungen an den Gesamtausgaben ist dennoch nicht allein auf den Preiseffekt zurückzuführen. Vielmehr spielt dabei auch die Verschiebung der Nachfrage eine Rolle. Dienstleistungen weisen nach der Linder-Hypothese eine Einkommenselastizität größer eins auf, sodass das rasante Wirtschaftswachstum im Zuge des Konvergenzprozesses dazu führt, dass sich die Nachfragestruktur der privaten Haushalte hin zu mehr Dienstleistungen oder anderen Luxus-Gütern im Verhältnis zu anderen Waren verschiebt (s. Bergstrand, 1991).

Die so aufgestellte Hypothese, dass die Einkommensunterschiede im EU-Vergleich einen wichtigen Teil der unterschiedlichen Verteilung der Ausgaben privater Haushalte erklären, findet sich auch bei dem Querschnittsvergleich der Gewichtungen des HVPI für das Jahr 2017 wieder (Abbildung):

  •  So ist der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakerzeugnisse mit knapp 37 Prozent am höchsten in Rumänien, dem Land mit dem zweitgeringsten kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-Einkommen. Im Vereinigten Königreich hingegen entfällt mit nur etwa 14 Prozent der geringste Anteil der Haushaltsausgaben auf diese Kategorie.
  •  Die Briten geben anteilsmäßig im EU-Vergleich am meisten Geld für Luxuswaren und Dienstleistungen aus dem Bereich Freizeit und Kultur aus. Darauf entfallen etwa 15 Prozent ihrer Ausgaben. Schlusslicht in dieser Kategorie ist das immer noch kriselnde Griechenland. Nur 4 Prozent ihrer Ausgaben tätigen die griechischen Haushalte für Artikel und Dienste aus dem Bereich Freizeit und Kultur.
  •  Nicht enthalten sind hierbei die Ausgaben für Res­taurants und Hotels. Hier belegt Griechenland nach Irland und Zypern den dritten Platz im EU-Vergleich, trotz der noch anhaltenden Wirtschaftskrise. Knapp 18 Prozent der Ausgaben griechischer Haushalte entfallen auf diese Kategorie. In Deutschland liegt der Anteil der Ausgaben für Restaurants und Hotels mit knapp 6 Prozent unter dem EU-Durschnitt von 9,5 Prozent.
  •  Dafür führt Deutschland das Ranking bei den Ausgaben für Pauschalreisen an. Im Durchschnitt gibt der EU-Bürger nur 1,7 Prozent seines Budgets für Pauschalreisen aus. In Deutschland sind es hingegen 3,8 Prozent. Vor allem internationale Pauschalreisen scheinen in Deutschland überdurchschnittlich nachgefragt zu sein.
  •  Doch den größten Anteil seines Budgets gibt der Deutsche für das Wohnen aus. Mehr als ein Viertel der im HVPI erfassten Ausgaben entfallen in Deutschland auf Miete, Nebenkosten, Hausrat, Instandhaltung. Somit belegt Deutschland im EU-Vergleich Platz eins. Ob dies an der geringen Wohneigentumsquote liegt, ist aus den Daten nicht zu erkennen. Die Miete scheint dabei nicht das Ausschlaggebende zu sein: Auf die Unterkategorie Wohnungsmiete entfallen nur 10 Prozent der erfassten Ausgaben.
  • Auch wenn sich ein wesentlicher Anteil der Ausgabenstruktur von EU-Haushalten durch die Einkommensunterschiede erklären lässt, spielen lokale Präferenzen bedingt durch kulturelle und historische Entwicklungen ebenfalls eine wichtige Rolle. So überrascht es wenig, dass die Kategorie Pizza und Quiche den höchsten Anteil an den Ausgaben privater Haushalte in Italien aufweisen und Olivenöl besonders in Griechenland stark nachgefragt wird. Die italienischen Haushalte sind auch Spitzenreiter, was den Anteil von Bekleidung an den Gesamtausgaben angeht.
  • Bei vielen Kategorien ist eine Erklärung der Ausgabenanteile allerdings weder durch die Einkommensunterschiede noch durch kulturelle Unterschiede möglich. So bleibt fraglich, ob es an unterschiedlichen Präferenzen liegt, dass der Anteil der Schuhkäufe an den Gesamtausgaben am höchsten in Portugal und am niedrigsten in Finnland ist. Genauso schwer zu erklären ist das Ranking bei den Ausgaben für Haushaltsgeräte – Platz eins belegt hier mit knapp 2 Prozent Malta. In Griechenland ist der Anteil der Haushaltsgeräte mit 0,4 Prozent am niedrigsten.
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