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Dominik Enste IW-Kurzbericht Nr. 3 8. Januar 2019 Unternehmen: 300 Milliarden Euro Umsatzverluste durch Schwarzarbeit

Schwarzarbeit schädigt die deutschen Unternehmen und bewirkt Umsatzeinbußen von 4,7 Prozent oder umgerechnet 300 Milliarden Euro jährlich, wie die neueste, repräsentative Unternehmensbefragung im IW-Zukunftspanel von November 2018 von 853 Unternehmen zeigt.

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300 Milliarden Euro Umsatzverluste durch Schwarzarbeit
Dominik Enste IW-Kurzbericht Nr. 3 8. Januar 2019

Unternehmen: 300 Milliarden Euro Umsatzverluste durch Schwarzarbeit

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Schwarzarbeit schädigt die deutschen Unternehmen und bewirkt Umsatzeinbußen von 4,7 Prozent oder umgerechnet 300 Milliarden Euro jährlich, wie die neueste, repräsentative Unternehmensbefragung im IW-Zukunftspanel von November 2018 von 853 Unternehmen zeigt.

Nach dem deutschen Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz liegt Schwarzarbeit u.a. in den folgenden Fällen vor: Ein Arbeitgeber beschäftigt Arbeitnehmer unter Missachtung steuerlicher und/oder sozialversicherungsrechtlicher Pflichten; ein Bezieher von Sozialleistungen (z.B. Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II) nimmt eine Beschäftigung auf, ohne dies dem zuständigen Leistungsträger mitzuteilen; ein Gewerbe wird ohne Gewerbeanmeldung ausgeübt; ein Handwerk wird ohne Eintrag in die Handwerksrolle ausgeübt.

Bisherige Versuche, den Umfang von Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft zu schätzen, basieren entweder auf makroökonomischen Analyseverfahren oder auf mikroökonomischen Befragungsdaten der Bevölkerung. Diese Unternehmensbefragung ergänzt somit diese Daten um Schätzungen auf der Mesoebene. Schwarzarbeit ist in Deutschland dabei basierend auf Schätzungen mit den komplexen makroökonomischen Ansätzen seltener als in vielen anderen Ländern (vgl. Enste, 2017). Bei der Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft liegt Deutschland (Enste, 2018) im Langzeitdurchschnitt von 2003 – 2018 mit einem durchschnittlichen Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von rund 14 Prozent auf Platz 12 der OECD-Staaten; Schwellen- und Entwicklungsländer weisen jeweils institutionell bedingt noch zum Teil deutlich höhere Aktivitäten in der Untergrundwirtschaft auf. Für das Jahr 2018 prognostizieren Schneider/Boockmann (2018) den Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland auf umgerechnet 323 Milliarden Euro, was in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von ca. 3,3 Billionen Euro nur noch knapp 10 Prozent entspricht.

Umsatzeinbuße: 300 Milliarden Euro

Auf der Meso-/Unternehmensebene können wir den Umsatz, der durch die Vorleistungen deutlich höher als das Bruttoinlandsprodukt ist, schätzen. Alle 3,3 Millionen Unternehmen in Deutschland erzielten im Jahr 2016 zusammen einen Umsatz von 6,4 Billionen Euro (Statistisches Bundesamt, 2018a). In der Unternehmensbefragung sind nicht alle Branchen enthalten; u.a. fehlen die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Die erfassten Branchen erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von 5,2 Billionen Euro. Die Unternehmen in diesen Branchen schätzen ihren Umsatzverlust durch Schwarzarbeit auf 4,7 Prozent pro Jahr. Für die in der Unternehmensbefragung erfassten Branchen bedeutet dies einen Umsatzverlust von 244 Milliarden Euro jährlich. Geht man davon aus, dass die nicht erfassten Branchen (darunter auch das Gaststättengewerbe) mindestens in ähnlicher Weise von Schwarzarbeit betroffen sind, ergibt sich sogar eine Umsatzeinbuße von über 300 Milliarden Euro jedes Jahr. Dabei verteilen sich die Umsatzeinbußen sehr unterschiedlich über die verschiedenen Unternehmen (Grafik).

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Die eine Hälfte der Unternehmen leidet gar nicht unter Schwarzarbeit. 20 Prozent gehen von Umsatzeinbußen bis zu 5 Prozent aus; weitere 13,5 Prozent von bis zu 10 Prozent. 9 Prozent schätzen die Verluste auf bis zu 20 Prozent und weitere 4,4 Prozent sogar auf bis zu 30 Prozent. Dabei leidet ein Teil der Klein- und Mittelständischen Unternehmen nach eigenen Angaben mehr unter der illegalen Konkurrenz als Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. 27,5 Prozent der KMUs beklagen Erlöseinbußen zwischen 5 und 30 Prozent, während das nur für 16,5 Prozent der Großunternehmen gilt.

Baubranche besonders betroffen

Wie auch andere Studien immer wieder gezeigt haben (Enste, 2017; Schneider, 2018), ist die Baubranche von allen Branchen am meisten von Schwarzarbeit betroffen. Nur knapp 19 Prozent der befragten Bau- und Handwerksunternehmen gaben an, keine Einbußen durch Schwarzarbeit zu erleiden. Rund ein Viertel schätzt die Einbußen auf ein bis fünf Prozent, ein Fünftel auf sechs bis zehn Prozent und ein weiteres Viertel auf 11 bis 20 Prozent. Jedes zehnte Unternehmen geht sogar von Umsatzverlusten u.a. durch die Umgehung von Meldepflichten oder durch Sozialversicherungsabgabenhinterziehung von bis zu 30 Prozent aus.

Umfang im Methodenvergleich

Die unseres Wissens nach erstmals repräsentativ bei Unternehmen erfragten Auswirkungen von Schwarzarbeit auf den Umsatz liegen zwischen den Schätzungen mit makroökonomischen Schätzverfahren und den Ergebnissen von Bevölkerungsumfragen (Enste, 2017). Die Schätzung von Schneider/Boockmann (2018) der Wertschöpfung in der Schattenwirtschaft für Deutschland lag beispielsweise bei 323 Milliarden Euro. Davon ist allerdings ein Teil bereits im offiziellen BIP erfasst bzw. betrifft illegale Aktivitäten wie z.B. den Drogenhandel. Rechnet man diese heraus, liegt die Wertschöpfung bei schätzungsweise 210 Mrd. Euro (vgl. Enste, 2017, 8)

Um diese Schätzungen, welche die Wertschöpfung betreffen, mit den Umsatzeinbußen vergleichbar zu machen, müssen insbesondere die Vorleistungen beim Umsatz abgezogen werden. Sofern von einem durchschnittlichen Anteil an Vorleistungen von rund 50 Prozent ausgegangen wird (vgl. Statistisches Bundesamt, 2018b), ergibt sich demnach ein Wertschöpfungsverlust durch Schwarzarbeit gemäß der Unternehmensangaben in Höhe von rund 150 Milliarden Euro jährlich. Dieser Wert liegt damit rund ein Drittel unter den Schätzungen mit makroökonomischen Verfahren.

Für die Bauwirtschaft schätzt Schneider (2017, 2018) die schattenwirtschaftlichen Aktivitäten auf bis zu 30 Prozent der offiziellen Tätigkeiten. Dies erscheint deutlich zu hoch. Denn die Unternehmen der Baubranche selber schätzen die Verluste durch die Schwarzarbeit der Konkurrenten im Durchschnitt nur auf 9,3 Prozent und nur etwa jedes zehnte Unternehmen befürchtet Einbußen von 21 bis 30 Prozent (Grafik).

Bei allen bekannten Schwierigkeiten und Problemen mit der Abgrenzung der Schattenwirtschaft und bei dem Messen von etwas, das im Verborgenen stattfindet, versucht diese Untersuchung einen neuen Blick in das Dunkelfeld – erstmals repräsentativ aus Sicht der betroffenen Unternehmen - zu werfen.

Maßnahmen gegen Schwarzarbeit

Beim Kampf gegen die Schwarzarbeit halten zwei Drittel der Unternehmen dabei die bestehenden Gesetze und staatlichen Vorschriften für völlig ausreichend. Dreiviertel der Unternehmen sehen allerdings Nachholbedarf bei der Intensität der Kontrollen unter anderem durch den Zoll. Und zwei Drittel halten auch härtere Strafen für sehr oder eher geeignet, um Schwarzarbeit erfolgreicher zu bekämpfen. Darüber hinaus zeigen frühere Studien, dass auch die Verringerung der Abgabenlast, der Bürokratieabbau und die Reduktion der Arbeitsmarktregulierung in der offiziellen Wirtschaft wichtige Ansatzpunkte zur Bekämpfung der Schwarzarbeit sind. Außerdem kann der Staat durch eine transparente und faire Ausgestaltung der Steuer- und Ausgabenpolitik zu einer guten Steuermoral beitragen, die ebenfalls die Anreize für Schwarzarbeit verringert.

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