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Christina Anger / Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 45 29. Juni 2023 Starke, aber rückläufige Aufwärtsmobilität bei der Bildung

Im Jahr 2020 hatte mehr als jede fünfte Person zwischen 25 und 34 Jahren ein höheres Bildungsniveau als beide Elternteile erreicht, und nur bei weniger als jeder zehnten lag es niedriger. Allerdings beenden wieder mehr junge Menschen ihre Bildungswege ohne berufsqualifizierenden Abschluss. So sind gezielte Maßnahmen notwendig, um eine positive Entwicklung des Bildungsstands der Bevölkerung langfristig zu sichern.

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Starke, aber rückläufige Aufwärtsmobilität bei der Bildung
Christina Anger / Wido Geis-Thöne IW-Kurzbericht Nr. 45 29. Juni 2023

Starke, aber rückläufige Aufwärtsmobilität bei der Bildung

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Im Jahr 2020 hatte mehr als jede fünfte Person zwischen 25 und 34 Jahren ein höheres Bildungsniveau als beide Elternteile erreicht, und nur bei weniger als jeder zehnten lag es niedriger. Allerdings beenden wieder mehr junge Menschen ihre Bildungswege ohne berufsqualifizierenden Abschluss. So sind gezielte Maßnahmen notwendig, um eine positive Entwicklung des Bildungsstands der Bevölkerung langfristig zu sichern.

Bildung ist eine wichtige Grundlage für den Wohlstand einer Gesellschaft. Bessere Beschäftigungsperspektiven, ein höheres Einkommen und auch nicht-monetäre Faktoren wie politische, kulturelle und soziale Teilhabe, ein höheres Gesundheitsbewusstsein sowie eine steigende Lebenszufriedenheit können durch individuelle Bildungsinvestitionen erreicht werden (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022). Aus volkswirtschaftlicher Sicht leistet die Qualifikation der Erwerbstätigen einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstands, des nachhaltigen Wachstums und der Produktivität (Wößmann, 2021). Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist es wichtig, dass die nachfolgenden Generationen gut ausgebildet sind, um die aus dem Arbeitsmarkt ausscheidenden Kohorten adäquat ersetzen zu können.

In den letzten Jahren hat sich der Bildungsstand der in Deutschland lebenden Bevölkerung zunächst verbessert. Verfügten im Jahr 2005 noch 18,2 Prozent der 25- bis 64-Jährigen über keinen berufsqualifizierenden Abschluss, sank dieser Anteil bis zum Jahr 2014 auf nur noch 16,0 Prozent. Danach hat dieser Anteil jedoch zunächst langsam, am aktuellen Rand deutlicher, zugenommen und erreichte im Jahr 2022 einen Wert von 21,2 Prozent. 1,2 Prozent befanden sich jedoch noch in einer Ausbildung (Statistisches Bundesamt, 2023).

Es ist zu befürchten, dass der Anteil der Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung in den nächsten Jahren noch ansteigen könnte. Verschiedene aktuelle Schulleistungstests deuten darauf hin, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler, der nur über sehr geringe Kompetenzen verfügt, größer geworden ist (Stanat et al., 2022; McElvany et al., 2023). Werden in der Schule nur geringe Kompetenzen erworben, sinken die Chancen, einen guten Berufsabschluss zu erzielen.

Erfreulicher entwickelte sich der Anteil der Personen mit einem Hochschulabschluss. Zwischen den Jahren 2005 und 2022 hat dieser Anteil von 15,4 auf 24,2 Prozent zugenommen (Statistisches Bundesamt, 2023). Hier schlägt sich nieder, dass der Anteil der jungen Menschen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erwerben und ein Studium aufnehmen, in Deutschland seit einigen Jahren stark angestiegen ist.

Im Zuge dieser Entwicklung erreichen heute auch viele junge Menschen in Deutschland einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern, wie eine eigene Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigt.

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Die Stichprobengröße liegt im Jahr 2020 bei rund 31.100 erwachsenen Personen, von denen allerdings nicht alle Angaben zum Bildungsstand ihrer Eltern gemacht haben. So sind auch nur 23.700 Fälle für die hier vorgenommenen Analysen verwertbar und die Ergebnisse etwas weniger verlässlich als andere empirische Befunde auf Basis des SOEP. Für die Identifikation von Bildungsaufstiegen und -abstiegen wurde eine Dreiteilung zwischen keinem berufsqualifizierenden Abschluss, einem beruflichen Abschluss (und keinem hochschulischen Abschluss) und einem hochschulischen Abschluss vorgenommen. Würde hier kleinteiliger vorgegangen, wären Abweichungen zwischen Eltern und Kindern grundsätzlich wahrscheinlicher. Allerdings könnten diese nur dann als Bildungsaufstiege oder -abstiege gewertet werden, wenn einer der beiden Bildungsabschlüsse auch tatsächlich höherwertig ist, was vor dem Hintergrund berufsfeldspezifischer Unterschiede vielfach nicht eindeutig ist.

Nimmt man zunächst die Altersgruppe der 25- bis 34 Jährigen in den Blick, hatten im Jahr 2020 rund 28,2 Prozent ein höheres Bildungsniveau als der Vater, 33,7 Prozent als die Mutter und 23,6 Prozent als beide Elternteile erreicht. Letzteres stellt eine Untergrenze für die Bildungsmobilität dar. Niedriger war das Bildungsniveau gegenüber dem Vater bei 17,2 Prozent, gegenüber der Mutter bei 12,6 Prozent und gegenüber beiden Elternteilen bei 9,3 Prozent. Allerdings können sich die Bildungsstände in diesem Altersbereich noch leicht verschieben, obschon auch die meisten Akademikerinnen und Akademiker ihren ersten hochschulischen Abschluss bereits erreicht haben sollten. Vor dem Übergang zum Bachelor-Master-System war dies noch häufiger nicht der Fall, sodass bei einer Betrachtung der Entwicklung über die Zeit erst die 35- bis 44-Jährigen in den Blick genommen werden sollten.

Wie die Abbildung zeigt, ist der Anteil der Bildungsaufsteigerinnen und Bildungsabsteiger in dieser Altersgruppe in den letzten 20 Jahren leicht von 22,5 Prozent auf 21,8 Prozent gesunken. Gleichzeitig war eine starke Zunahme der Bildungsabstiege von 3,3 Prozent auf 8,2 Prozent zu verzeichnen. Ursächlich hierfür ist vorwiegend der Anstieg des Bildungsniveaus der Elterngeneration im Kontext der Bildungsexpansion der vergangenen Jahrzehnte und weniger die aktuelle negative Entwicklung im Bildungssystem. Dabei war allerdings noch eine leichte Zunahme der Bildungsaufstiege gegenüber den Vätern, bei einem gleichzeitig starken Rückgang gegenüber den Müttern zu verzeichnen. Hierin spiegelt sich wider, dass die Bildungsexpansion in den letzten Jahrzehnten bei den Frauen wesentlich stärker ausgeprägt war als bei den Männern.

Differenziert man nach dem Geschlecht der Kinder, liegt der Anteil der Bildungsaufsteigerinnen und Bildungsaufsteiger gegenüber beiden Elternteilen in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren bei den Frauen mit 25,3 Prozent allerdings nur leicht höher als bei den Männern mit 22,0 Prozent und in der Altersgruppe zwischen 35 und 44 Jahren ist das Verhältnis mit 20,6 Prozent bei den Frauen und 23,0 Prozent bei den Männern umgekehrt. Bildungsabstiege gegenüber beiden Elternteilen sind mit 9,6 Prozent gegenüber 8,9 Prozent bei den 25- bis 34 Jährigen und 9,1 Prozent gegenüber 7,3 Prozent bei 35- bis 44-Jährigen in beiden Altersgruppen bei den Männern häufiger.

Besonders häufig sind Bildungsaufstiege bei Personen mit Migrationshintergrund. So haben 28,5 Prozent der selbst zugewanderten und 29,3 Prozent der in Deutschland geborenen Personen der zweiten Generation im Alter zwischen 25- und 34-Jahren ein höheres Bildungsniveau als beide Elternteile erreicht. Hingegen lag der entsprechende Wert bei Personen ohne Migrationshintergrund in dieser Altersgruppe nur bei 21,6 Prozent. Bildungsabsteigerinnen und -absteiger waren 11,4 Prozent der Zuwandererinnen und Zuwanderer, 7,1 Prozent der zweiten Generation und 9,1 Prozent der Personen ohne Migrationshintergrund in diesem Alter. Allerdings muss bei der Einordung dieser Werte im Blick behalten werden, dass die Bildungsstände der Elterngeneration in den migrantischen Kontexten deutlich niedriger sind und damit auch mehr Möglichkeiten zu Bildungsaufstiegen bestehen.

Differenziert man nach dem Bildungsstand der Kinder, waren 56,7 Prozent der Personen mit hochschulischen Bildungsabschlüssen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren im Jahr 2020 Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger gegenüber beiden Elternteilen, wohingegen der entsprechende Wert bei den 35- bis 44-Jährigen nur bei 53,7 Prozent lag. Allerdings dürfte dieser Anteil mit der zunehmenden Akademisierung der Elterngeneration in den nächsten Jahren wieder zurückgehen. Unter den 25- bis 34-Jährigen ohne berufsqualifizierenden Abschluss waren 46,7 Prozent Bildungsabsteigerinnen und -absteiger gegenüber beiden Elternteilen. Bei den 35- bis 44-Jährigen lag der entsprechende Wert mit 38,1 Prozent deutlich niedriger, was auf eine insgesamt zunehmende Bildungsmobilität hindeuten kann. Allerdings stammt auch weiterhin die Mehrheit der Personen, die keinen berufsqualifizierenden Abschluss erreichen aus bildungsfernen Elternhäusern.

Hier sollte die Politik ansetzen und mit gezielten Fördermaßen darauf hinwirken, dass in Zukunft alle jungen Menschen unabhängig vom Elternhaus zunächst die Ausbildungsreife und später einen berufsqualifizierenden Abschluss erreichen. Dafür ist wichtig, dass bereits früh angesetzt wird, um zu vermeiden, dass sich Bildungsdefizite immer weiter verstärken. Von besonderer Bedeutung sind also die Angebotsstrukturen der Kitas und Grundschulen. Insbesondere gilt dies in der aktuellen Lage für die Sprachförderung.

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