Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Tarifbindung rückläufig. Es wird kontrovers darüber diskutiert, ob und mit welchen Instrumenten diesem Trend entgegengewirkt werden kann. Die Politik hat bereits 2014 ein „Tarifautonomiestärkungsgesetz” verabschiedet.
Motive für Tarifbindung: Tariflöhne als Mittel zur Fachkräftesicherung?
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Tarifbindung rückläufig. Es wird kontrovers darüber diskutiert, ob und mit welchen Instrumenten diesem Trend entgegengewirkt werden kann. Die Politik hat bereits 2014 ein „Tarifautonomiestärkungsgesetz” verabschiedet.
Aktuell bereitet die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Tarifbindung vor. Unter anderem soll ein Bundestariftreuegesetz eingeführt werden, das die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung tarifvertraglicher Bestimmungen koppelt. Solche Vorschläge werden von Gewerkschaftsseite begrüßt, von Arbeitgeberverbänden hingegen kritisch beurteilt (BDA, o. J.). Tatsächlich üben solche Maßnahmen Druck aus, ohne danach zu fragen, wie attraktiv eine Tarifbindung für Unternehmen ist und welche Probleme sie aufwerfen könnte. Es ist daher wichtig, auf die Motive von Unternehmen zu blicken, die für eine Tarifbindung ausschlaggebend sind.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist diesen Gründen in der 29. Welle des IW-Personalpanels erstmals branchenübergreifend nachgegangen. Die Befragung wurde im Frühjahr 2022 durchgeführt. Befragt wurden Personalverantwortliche. Insgesamt liegen Antworten aus 787 Unternehmen vor. Dabei zeigt sich, dass 21 Prozent der Unternehmen an einen Tarifvertrag gebunden sind. Davon besteht bei 16 Prozent eine Flächentarifbindung und bei 5 Prozent eine Haustarifbindung. Die Tarifbindung unterscheidet sich nach der Unternehmensgröße: Größere Unternehmen sind häufiger tarifgebunden als kleinere. Zudem gibt es sektorale Unterschiede: Im Produzierenden Gewerbe sind etwa 23 Prozent der Unternehmen an Flächentarifverträge gebunden, in Handel und Logistik nur 8 Prozent. In diesen Bereichen liegen dafür häufiger Firmentarifverträge vor als in anderen Branchen. Eine wichtige Rolle spielt die Orientierung an einem Tarifvertrag. In der Stichprobe orientieren sich 32 Prozent der Unternehmen an einem Flächentarifvertrag, obwohl sie rechtlich nicht dazu verpflichtet sind. Fast die Hälfte der Stichprobe (48 Prozent) besteht aus Unternehmen, die weder an einen Tarifvertrag gebunden sind noch sich an den Rahmenbedingungen eines Flächentarifvertrags orientieren.
Bei den Motiven einer Tarifbindung waren Mehrfachnennungen möglich. Der am häufigsten genannte Grund, sich an einen Tarifvertrag zu binden, war eine sichere Kalkulationsgrundlage. Dieses Motiv galt in 37 Prozent der befragten Unternehmen. Am zweithäufigsten wurde das Motiv genannt, standardisierte Löhne und Arbeitszeiten würden die Gefahr verringern, dass Fachkräfte aus dem Unternehmen abgeworben werden. Dieses Fachkräftesicherungsmotiv war in 32 Prozent der befragten Unternehmen wichtig. Motive wie Tradition und Konfliktvermeidung spielten für 29 und 28 Prozent der Unternehmen eine Rolle. Die vergleichsweise hohe Bedeutung des Fachkräftemotivs sollte in der politischen Debatte zur Stärkung der Tarifbindung berücksichtigt werden. Wenn es für Unternehmen bei der Sicherung von Fachkräften immer wichtiger wird, tarifvertragliche Bedingungen zu gewähren, besteht ein wichtiges intrinsisches Motiv, Arbeitnehmer fair zu entlohnen. Eine zunehmende Orientierung an tariflicher Bezahlung oder an tariflichen Arbeitszeiten muss aber nicht unbedingt die Tarifbindung erhöhen. Die Politik wäre daher gut beraten, ihren Blickwinkel nicht nur auf die statistisch gemessene Tarifbindung zu lenken, sondern auch zu beobachten, in welchem Umfang und Ausmaß sich Unternehmen an Tarifverträgen orientieren. Politische Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung könnten vor diesem Hintergrund weniger dringlich werden.
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